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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Zum Gedächtnis
eines glücklichen Temperaments, sondern sein persönlichstes, er-
worbenes Verdienst. Seine Beschäftigung mit der alten Kunst be-
deutete nicht die Ergötzlichkeit eines ästhetisch angelegten Men-
schen, sondern war erfüllt von ganzem Ernst, ich darf es wohl
sagen: von heiligem Ernst. Denn jene heitere glänzende Dreiheit,
von der ich sprach -- des Edelmannes, des Künstlers und des Ge-
lehrten -- sie ruhte auf dem Grunde eines tief religiös gestimmten
Idealismus. Kunst war ihm eine der Offenbarungen Gottes.

So glaube ich ihn verstanden zu haben, und aus dieser hohen
Auffassung seiner Lebensaufgabe deute ich mir die tiefe Bescheiden-
heit, mit der er von seinen Leistungen dachte. Oft habe ich mich
versucht gefühlt, dieser Bescheidenheit als einer Selbstverkennung
zu widersprechen. Aber sie nötigte mir so große Achtung ab, daß
ich schwieg. Und diese selbe Achtung verbietet es mir, ihn hier laut
zu preisen. Uns bedaure ich, daß er nicht alle seine Arbeitspläne
hat zu Ende führen können; nur uns, nicht ihn. Was für ihn selbst
der Ertrag seiner Lebensarbeit gewesen ist, das war kein Stück-
werk. Denn sein schönstes Werk war er selbst. Wir nehmen Ab-
schied von einem Vollendeten.

Zum Gedächtnis
eines glücklichen Temperaments, sondern sein persönlichstes, er-
worbenes Verdienst. Seine Beschäftigung mit der alten Kunst be-
deutete nicht die Ergötzlichkeit eines ästhetisch angelegten Men-
schen, sondern war erfüllt von ganzem Ernst, ich darf es wohl
sagen: von heiligem Ernst. Denn jene heitere glänzende Dreiheit,
von der ich sprach — des Edelmannes, des Künstlers und des Ge-
lehrten — sie ruhte auf dem Grunde eines tief religiös gestimmten
Idealismus. Kunst war ihm eine der Offenbarungen Gottes.

So glaube ich ihn verstanden zu haben, und aus dieser hohen
Auffassung seiner Lebensaufgabe deute ich mir die tiefe Bescheiden-
heit, mit der er von seinen Leistungen dachte. Oft habe ich mich
versucht gefühlt, dieser Bescheidenheit als einer Selbstverkennung
zu widersprechen. Aber sie nötigte mir so große Achtung ab, daß
ich schwieg. Und diese selbe Achtung verbietet es mir, ihn hier laut
zu preisen. Uns bedaure ich, daß er nicht alle seine Arbeitspläne
hat zu Ende führen können; nur uns, nicht ihn. Was für ihn selbst
der Ertrag seiner Lebensarbeit gewesen ist, das war kein Stück-
werk. Denn sein schönstes Werk war er selbst. Wir nehmen Ab-
schied von einem Vollendeten.

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[298/0360] Zum Gedächtnis eines glücklichen Temperaments, sondern sein persönlichstes, er- worbenes Verdienst. Seine Beschäftigung mit der alten Kunst be- deutete nicht die Ergötzlichkeit eines ästhetisch angelegten Men- schen, sondern war erfüllt von ganzem Ernst, ich darf es wohl sagen: von heiligem Ernst. Denn jene heitere glänzende Dreiheit, von der ich sprach — des Edelmannes, des Künstlers und des Ge- lehrten — sie ruhte auf dem Grunde eines tief religiös gestimmten Idealismus. Kunst war ihm eine der Offenbarungen Gottes. So glaube ich ihn verstanden zu haben, und aus dieser hohen Auffassung seiner Lebensaufgabe deute ich mir die tiefe Bescheiden- heit, mit der er von seinen Leistungen dachte. Oft habe ich mich versucht gefühlt, dieser Bescheidenheit als einer Selbstverkennung zu widersprechen. Aber sie nötigte mir so große Achtung ab, daß ich schwieg. Und diese selbe Achtung verbietet es mir, ihn hier laut zu preisen. Uns bedaure ich, daß er nicht alle seine Arbeitspläne hat zu Ende führen können; nur uns, nicht ihn. Was für ihn selbst der Ertrag seiner Lebensarbeit gewesen ist, das war kein Stück- werk. Denn sein schönstes Werk war er selbst. Wir nehmen Ab- schied von einem Vollendeten.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/360>, abgerufen am 29.03.2024.