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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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mehr und mehr zur Klarheit zu gelangen (Forschung) und
sich vermittelst des menschlichen Geistes zu vervollkommnen
(Kunst). Doch vermag sie auf anderen Himmelskörpern durch
höhere Wesen vielleicht höhere Wirkungen hervorzubringen,
läßt den Menschen vielleicht selbst in eine höhere Ordnung
übergehen.

Keinesfalls darf die Menschheit also als Etre-Supreme
aufgefaßt, noch auch darf das Wohl der Menschheit als
höchstes Ziel des Strebens des Jndividuums hingestellt
werden.

Wir haben somit auf die Grundmängel des Comte'schen
Religionssystems hingewiesen. Dasselbe entspricht kaum in
einer Richtung der Jdee eines vollkommeneren Religions-
ersatzes. Doch ist das "Systeme de politique positive",
wenn auch ein verfehltes, so doch ein höchst merkwürdiges
Werk, das nirgends das Genie seines Urhebers verleugnet.



III.

Wie schon aus dem vorhin gegebenen Citate hervorgeht,
hielt auch J. St. Mill eine Menschheitsreligion für einen
geeigneten Ersatz der übernatürlichen Religion. Auch aus
seinem Aufsatze "Die Nützlichkeit der Religion" (deutsch von
Lehmann) lassen sich Belege für diese seine Anschauung
beibringen.

Mill hat wiederholt den Versuch gemacht, den Jnhalt
des Begriffes Religion zu analysiren. So lesen wir in dem
Werke über Comte*): "Es muß einen Glauben oder eine
Ueberzeugung geben, deren Autorität sich über das gesammte
menschliche Leben erstreckt; einen Glaubenssatz oder eine Reihe

*) p. 95 (deutsche Ausgabe).

mehr und mehr zur Klarheit zu gelangen (Forſchung) und
ſich vermittelſt des menſchlichen Geiſtes zu vervollkommnen
(Kunſt). Doch vermag ſie auf anderen Himmelskörpern durch
höhere Weſen vielleicht höhere Wirkungen hervorzubringen,
läßt den Menſchen vielleicht ſelbſt in eine höhere Ordnung
übergehen.

Keinesfalls darf die Menſchheit alſo als Être-Suprême
aufgefaßt, noch auch darf das Wohl der Menſchheit als
höchſtes Ziel des Strebens des Jndividuums hingeſtellt
werden.

Wir haben ſomit auf die Grundmängel des Comte’ſchen
Religionsſyſtems hingewieſen. Daſſelbe entſpricht kaum in
einer Richtung der Jdee eines vollkommeneren Religions-
erſatzes. Doch iſt das „Système de politique positive“,
wenn auch ein verfehltes, ſo doch ein höchſt merkwürdiges
Werk, das nirgends das Genie ſeines Urhebers verleugnet.



III.

Wie ſchon aus dem vorhin gegebenen Citate hervorgeht,
hielt auch J. St. Mill eine Menſchheitsreligion für einen
geeigneten Erſatz der übernatürlichen Religion. Auch aus
ſeinem Aufſatze „Die Nützlichkeit der Religion“ (deutſch von
Lehmann) laſſen ſich Belege für dieſe ſeine Anſchauung
beibringen.

Mill hat wiederholt den Verſuch gemacht, den Jnhalt
des Begriffes Religion zu analyſiren. So leſen wir in dem
Werke über Comte*): „Es muß einen Glauben oder eine
Ueberzeugung geben, deren Autorität ſich über das geſammte
menſchliche Leben erſtreckt; einen Glaubensſatz oder eine Reihe

*) p. 95 (deutſche Ausgabe).
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[27/0036] mehr und mehr zur Klarheit zu gelangen (Forſchung) und ſich vermittelſt des menſchlichen Geiſtes zu vervollkommnen (Kunſt). Doch vermag ſie auf anderen Himmelskörpern durch höhere Weſen vielleicht höhere Wirkungen hervorzubringen, läßt den Menſchen vielleicht ſelbſt in eine höhere Ordnung übergehen. Keinesfalls darf die Menſchheit alſo als Être-Suprême aufgefaßt, noch auch darf das Wohl der Menſchheit als höchſtes Ziel des Strebens des Jndividuums hingeſtellt werden. Wir haben ſomit auf die Grundmängel des Comte’ſchen Religionsſyſtems hingewieſen. Daſſelbe entſpricht kaum in einer Richtung der Jdee eines vollkommeneren Religions- erſatzes. Doch iſt das „Système de politique positive“, wenn auch ein verfehltes, ſo doch ein höchſt merkwürdiges Werk, das nirgends das Genie ſeines Urhebers verleugnet. III. Wie ſchon aus dem vorhin gegebenen Citate hervorgeht, hielt auch J. St. Mill eine Menſchheitsreligion für einen geeigneten Erſatz der übernatürlichen Religion. Auch aus ſeinem Aufſatze „Die Nützlichkeit der Religion“ (deutſch von Lehmann) laſſen ſich Belege für dieſe ſeine Anſchauung beibringen. Mill hat wiederholt den Verſuch gemacht, den Jnhalt des Begriffes Religion zu analyſiren. So leſen wir in dem Werke über Comte *): „Es muß einen Glauben oder eine Ueberzeugung geben, deren Autorität ſich über das geſammte menſchliche Leben erſtreckt; einen Glaubensſatz oder eine Reihe *) p. 95 (deutſche Ausgabe).

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/36>, abgerufen am 28.03.2024.