Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten.
Gedanken bei Erwegung der
Streitigkeiten über den Ursprung
des Bösen.
Das Böse ist ein Gifft, dadurch
der Mensch verderbt

Und einer Seuche gleich, die uns
ist angeerbt!

Woher das Uebel sich in Geist
und Fleisch entsponnen,

Aus welcher Quelle es, in un-
ser Herz geronnen?

Darüber streitet man in der gelehrten Welt,
Die sich als wie in Krieg, Partheienweis gestellt;
Und dieser Federkrieg von Ursprung alles Bösen,
Wird darum nur geführt, die Knoten aufzulösen,
Die scharffer Aberwiz aus Spötterei geknüpft,
Der wie ein Diestelfink von dies auf jenes hüpft.
Allein wie thörigt ists um solche Dinge streiten,
Die nicht aus der Vernunfft alleine herzuleiten?
Wir sind dem Kranken gleich, die matt und elend
sind,

Der Wille ist verkehrt, und der Verstand ist blind,
Das böse Sünden-Gifft hat unser Fleisch durch-
drungen,

Und der Begierden Heer hat den Verstand bezwun-
gen:

Dies muß ein jeglicher, wer sich wird selbst besehn,
Als einen Saz der klar, unleugbar, eingestehn:
Es
Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten.
Gedanken bei Erwegung der
Streitigkeiten uͤber den Urſprung
des Boͤſen.
Das Boͤſe iſt ein Gifft, dadurch
der Menſch verderbt

Und einer Seuche gleich, die uns
iſt angeerbt!

Woher das Uebel ſich in Geiſt
und Fleiſch entſponnen,

Aus welcher Quelle es, in un-
ſer Herz geronnen?

Daruͤber ſtreitet man in der gelehrten Welt,
Die ſich als wie in Krieg, Partheienweis geſtellt;
Und dieſer Federkrieg von Urſprung alles Boͤſen,
Wird darum nur gefuͤhrt, die Knoten aufzuloͤſen,
Die ſcharffer Aberwiz aus Spoͤtterei geknuͤpft,
Der wie ein Dieſtelfink von dies auf jenes huͤpft.
Allein wie thoͤrigt iſts um ſolche Dinge ſtreiten,
Die nicht aus der Vernunfft alleine herzuleiten?
Wir ſind dem Kranken gleich, die matt und elend
ſind,

Der Wille iſt verkehrt, und der Verſtand iſt blind,
Das boͤſe Suͤnden-Gifft hat unſer Fleiſch durch-
drungen,

Und der Begierden Heer hat den Verſtand bezwun-
gen:

Dies muß ein jeglicher, wer ſich wird ſelbſt beſehn,
Als einen Saz der klar, unleugbar, eingeſtehn:
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0265" n="253"/>
      <fw place="top" type="header">Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten.</fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Gedanken bei Erwegung der<lb/>
Streitigkeiten u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung<lb/>
des Bo&#x0364;&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
        <lg type="poem">
          <l><hi rendition="#in">D</hi>as Bo&#x0364;&#x017F;e i&#x017F;t ein Gifft, dadurch<lb/><hi rendition="#et">der Men&#x017F;ch verderbt</hi></l><lb/>
          <l>Und einer Seuche gleich, die uns<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t angeerbt!</hi></l><lb/>
          <l>Woher das Uebel &#x017F;ich in Gei&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">und Flei&#x017F;ch ent&#x017F;ponnen,</hi></l><lb/>
          <l>Aus welcher Quelle es, in un-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;er Herz geronnen?</hi></l><lb/>
          <l>Daru&#x0364;ber &#x017F;treitet man in der gelehrten Welt,</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;ich als wie in Krieg, Partheienweis ge&#x017F;tellt;</l><lb/>
          <l>Und die&#x017F;er Federkrieg von Ur&#x017F;prung alles Bo&#x0364;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Wird darum nur gefu&#x0364;hrt, die Knoten aufzulo&#x0364;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;charffer Aberwiz aus Spo&#x0364;tterei geknu&#x0364;pft,</l><lb/>
          <l>Der wie ein Die&#x017F;telfink von dies auf jenes hu&#x0364;pft.</l><lb/>
          <l>Allein wie tho&#x0364;rigt i&#x017F;ts um &#x017F;olche Dinge &#x017F;treiten,</l><lb/>
          <l>Die nicht aus der Vernunfft alleine herzuleiten?</l><lb/>
          <l>Wir &#x017F;ind dem Kranken gleich, die matt und elend<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ind,</hi></l><lb/>
          <l>Der Wille i&#x017F;t verkehrt, und der Ver&#x017F;tand i&#x017F;t blind,</l><lb/>
          <l>Das bo&#x0364;&#x017F;e Su&#x0364;nden-Gifft hat un&#x017F;er Flei&#x017F;ch durch-<lb/><hi rendition="#et">drungen,</hi></l><lb/>
          <l>Und der Begierden Heer hat den Ver&#x017F;tand bezwun-<lb/><hi rendition="#et">gen:</hi></l><lb/>
          <l>Dies muß ein jeglicher, wer &#x017F;ich wird &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;ehn,</l><lb/>
          <l>Als einen Saz der klar, unleugbar, einge&#x017F;tehn:</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0265] Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten. Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten uͤber den Urſprung des Boͤſen. Das Boͤſe iſt ein Gifft, dadurch der Menſch verderbt Und einer Seuche gleich, die uns iſt angeerbt! Woher das Uebel ſich in Geiſt und Fleiſch entſponnen, Aus welcher Quelle es, in un- ſer Herz geronnen? Daruͤber ſtreitet man in der gelehrten Welt, Die ſich als wie in Krieg, Partheienweis geſtellt; Und dieſer Federkrieg von Urſprung alles Boͤſen, Wird darum nur gefuͤhrt, die Knoten aufzuloͤſen, Die ſcharffer Aberwiz aus Spoͤtterei geknuͤpft, Der wie ein Dieſtelfink von dies auf jenes huͤpft. Allein wie thoͤrigt iſts um ſolche Dinge ſtreiten, Die nicht aus der Vernunfft alleine herzuleiten? Wir ſind dem Kranken gleich, die matt und elend ſind, Der Wille iſt verkehrt, und der Verſtand iſt blind, Das boͤſe Suͤnden-Gifft hat unſer Fleiſch durch- drungen, Und der Begierden Heer hat den Verſtand bezwun- gen: Dies muß ein jeglicher, wer ſich wird ſelbſt beſehn, Als einen Saz der klar, unleugbar, eingeſtehn: Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/265
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/265>, abgerufen am 20.04.2024.