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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
weniger Werth auf diesen Gegenstand, obwohl sie sich ebenfalls
der Felle bedienten, die aber weiter nach Osten hin und im Nor-
den wohnten, verfuhren schon wählerischer. Sie suchten sich die
Thiere aus und besetzten die abgezogenen Felle hermelinartig mit
Stücken von andern buntgefleckten, die über die Ostsee herüber,
aus Schweden, Finnland, vor allem aber schon früh aus Ruß-
land auf dem Wege des Binnenhandels zu ihnen kamen. Das
sogenannte Buntwerk oder Veh war also schon früh den alten
Germanen bekannt. Bepelzte Männer hießen die Germanen noch
lange im Munde der Römer.

Das Wenige, was wir von der Tracht altgermanischer
Frauen erfahren, verdanken wir wieder Tacitus allein. Die
Frauen, sagt er, kleiden sich nicht anders wie die Männer, nur
hüllen sie sich öfter in leinene Gewänder, die sie bunt mit Pur-
pur besetzen, tragen keine Aermel, sondern lassen Arme und
Schultern nackt, und auch der nächste Theil der Brust bleibt noch
sichtbar. Demnach sind zwei Kleidungsstücke anzunehmen, ein
unteres, ärmelloses, welches der römischen Frauentunica ähnlich,
doch enger sein mochte und die Körperformen hervorhob, und ein
Mantel, der von hinten übergelegt und auf der Brust mit einer
Spange gehalten wurde. Daß beide länger waren als die ent-
sprechenden männlichen Kleider, ist selbstverständlich. Leinewand
wurde, wie auch später noch, weit höher geschätzt als die Wolle,
und sie wurde von den germanischen Frauen selber gewoben.
"In ganz Gallien webt man Leinenzeug," sagt der ältere Plinius,
"jetzt thun es auch schon die Feinde jenseits des Rheins, und kein
schöneres Gewand kennen ihre Frauen." Die hohe Bedeutung,
welche dieser Stoff in heidnischen Zeiten hatte, giebt auch die
Mythologie kund. Frau Bertha, die Göttin, ist sehr achtsam auf
den Flachsbau und das Spinnen. Sie schaut selber nach in den
Spinnstuben und theilt Spulen aus, die abgesponnen werden
müssen; und die Fleißigen, welche zur rechten Zeit fertig werden,
beschenkt sie mit schönem Flachs, -- wehe aber den faulen Mäg-
den! Schon den Cimbern war leinene Kleidung nicht unbekannt.
Man erzählt von ihnen, daß unter den Weibern, welche sie auf

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
weniger Werth auf dieſen Gegenſtand, obwohl ſie ſich ebenfalls
der Felle bedienten, die aber weiter nach Oſten hin und im Nor-
den wohnten, verfuhren ſchon wähleriſcher. Sie ſuchten ſich die
Thiere aus und beſetzten die abgezogenen Felle hermelinartig mit
Stücken von andern buntgefleckten, die über die Oſtſee herüber,
aus Schweden, Finnland, vor allem aber ſchon früh aus Ruß-
land auf dem Wege des Binnenhandels zu ihnen kamen. Das
ſogenannte Buntwerk oder Veh war alſo ſchon früh den alten
Germanen bekannt. Bepelzte Männer hießen die Germanen noch
lange im Munde der Römer.

Das Wenige, was wir von der Tracht altgermaniſcher
Frauen erfahren, verdanken wir wieder Tacitus allein. Die
Frauen, ſagt er, kleiden ſich nicht anders wie die Männer, nur
hüllen ſie ſich öfter in leinene Gewänder, die ſie bunt mit Pur-
pur beſetzen, tragen keine Aermel, ſondern laſſen Arme und
Schultern nackt, und auch der nächſte Theil der Bruſt bleibt noch
ſichtbar. Demnach ſind zwei Kleidungsſtücke anzunehmen, ein
unteres, ärmelloſes, welches der römiſchen Frauentunica ähnlich,
doch enger ſein mochte und die Körperformen hervorhob, und ein
Mantel, der von hinten übergelegt und auf der Bruſt mit einer
Spange gehalten wurde. Daß beide länger waren als die ent-
ſprechenden männlichen Kleider, iſt ſelbſtverſtändlich. Leinewand
wurde, wie auch ſpäter noch, weit höher geſchätzt als die Wolle,
und ſie wurde von den germaniſchen Frauen ſelber gewoben.
„In ganz Gallien webt man Leinenzeug,“ ſagt der ältere Plinius,
„jetzt thun es auch ſchon die Feinde jenſeits des Rheins, und kein
ſchöneres Gewand kennen ihre Frauen.“ Die hohe Bedeutung,
welche dieſer Stoff in heidniſchen Zeiten hatte, giebt auch die
Mythologie kund. Frau Bertha, die Göttin, iſt ſehr achtſam auf
den Flachsbau und das Spinnen. Sie ſchaut ſelber nach in den
Spinnſtuben und theilt Spulen aus, die abgeſponnen werden
müſſen; und die Fleißigen, welche zur rechten Zeit fertig werden,
beſchenkt ſie mit ſchönem Flachs, — wehe aber den faulen Mäg-
den! Schon den Cimbern war leinene Kleidung nicht unbekannt.
Man erzählt von ihnen, daß unter den Weibern, welche ſie auf

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[6/0024] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. weniger Werth auf dieſen Gegenſtand, obwohl ſie ſich ebenfalls der Felle bedienten, die aber weiter nach Oſten hin und im Nor- den wohnten, verfuhren ſchon wähleriſcher. Sie ſuchten ſich die Thiere aus und beſetzten die abgezogenen Felle hermelinartig mit Stücken von andern buntgefleckten, die über die Oſtſee herüber, aus Schweden, Finnland, vor allem aber ſchon früh aus Ruß- land auf dem Wege des Binnenhandels zu ihnen kamen. Das ſogenannte Buntwerk oder Veh war alſo ſchon früh den alten Germanen bekannt. Bepelzte Männer hießen die Germanen noch lange im Munde der Römer. Das Wenige, was wir von der Tracht altgermaniſcher Frauen erfahren, verdanken wir wieder Tacitus allein. Die Frauen, ſagt er, kleiden ſich nicht anders wie die Männer, nur hüllen ſie ſich öfter in leinene Gewänder, die ſie bunt mit Pur- pur beſetzen, tragen keine Aermel, ſondern laſſen Arme und Schultern nackt, und auch der nächſte Theil der Bruſt bleibt noch ſichtbar. Demnach ſind zwei Kleidungsſtücke anzunehmen, ein unteres, ärmelloſes, welches der römiſchen Frauentunica ähnlich, doch enger ſein mochte und die Körperformen hervorhob, und ein Mantel, der von hinten übergelegt und auf der Bruſt mit einer Spange gehalten wurde. Daß beide länger waren als die ent- ſprechenden männlichen Kleider, iſt ſelbſtverſtändlich. Leinewand wurde, wie auch ſpäter noch, weit höher geſchätzt als die Wolle, und ſie wurde von den germaniſchen Frauen ſelber gewoben. „In ganz Gallien webt man Leinenzeug,“ ſagt der ältere Plinius, „jetzt thun es auch ſchon die Feinde jenſeits des Rheins, und kein ſchöneres Gewand kennen ihre Frauen.“ Die hohe Bedeutung, welche dieſer Stoff in heidniſchen Zeiten hatte, giebt auch die Mythologie kund. Frau Bertha, die Göttin, iſt ſehr achtſam auf den Flachsbau und das Spinnen. Sie ſchaut ſelber nach in den Spinnſtuben und theilt Spulen aus, die abgeſponnen werden müſſen; und die Fleißigen, welche zur rechten Zeit fertig werden, beſchenkt ſie mit ſchönem Flachs, — wehe aber den faulen Mäg- den! Schon den Cimbern war leinene Kleidung nicht unbekannt. Man erzählt von ihnen, daß unter den Weibern, welche ſie auf

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/24>, abgerufen am 28.03.2024.