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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Urzeit und Urzustände.
ihrer Heerfahrt begleiteten, weissagende Priesterinnen gewesen
seien, grau vor Alter, in weißen Kleidern, darüber Mäntel von
feinstem Flachs, mit einem ehernen Gürtel, unbeschuht. Das
sind die heiligen und reinen Frauen, die gewöhnlich einsam leb-
ten und in dringenden Fällen ihren Rath wie Orakelsprüche er-
theilten, dafür aber die höchste Verehrung von Seiten des Volks
genossen. Die weiße Farbe ist bei ihren Kleidern nicht ohne tie-
fern Sinn, wie in der Götterlehre die weißen und lichten Gott-
heiten als die segenspendenden, guten den schwarzen, dunklen,
bösen entgegengesetzt werden. Schwarz war auch schon damals
die Farbe der Trauer. Als die Teutonen, in der großen Schlacht
auf der raudischen Ebene geschlagen, zurückflohen zur Wagenburg,
da standen ihre Frauen in schwarzen Trauergewändern auf den
Wagen und bereiteten den Flüchtigen mit Hohn und Gewalt
einen unwillkommenen Empfang. Ob sie sonst farbige Kleider
getragen, wird zwar nicht ausdrücklich berichtet, es läßt sich aber
immerhin annehmen, da nicht viel später ihrer hinlänglich Er-
wähnung geschieht und Lust an Putz und heller Farbenpracht
ihnen so wenig fehlte, wie andern Völkern, die dem ursprüngli-
chen Zustande nahe stehen. Die Frauen, wie wir wissen, besetzten
die leinenen Kleider mit Streifen von Purpur, mochte er auch
schwerlich ächt sein, und die Männer bemalten ihre Schilde in
den lebhaftesten Farben.

Auch die Pflege des Körpers aus Rücksichten der Schönheit
war keineswegs etwas Unbekanntes. Die Frauen nahmen die
Bäder vorzugsweise aus Sorge für die Hautfarbe und scheinen zu
diesem Zweck auch den Schaum des Bieres benutzt zu haben.
Die verschiedenen Nachbaren der Germanen, die sich keineswegs
auf höherer Stufe der Kultur befanden, die Kelten, Sarmaten,
Dacier kannten schon die Schminke; sie wird auch den Germanen
damals schwerlich unbekannt gewesen sein. Die Ausgrabungen
haben uns noch mit einer Menge zur Toilette dienenden Gegen-
stände bekannt gemacht; da fand man Kämme von Bein und
Bronce, Ohrlöffel, kleine Zängelchen und andere kleine Instru-
mente, oft an einem Ringe ähnlich einem Schlüsselbund aufgezo-

1. Urzeit und Urzuſtände.
ihrer Heerfahrt begleiteten, weiſſagende Prieſterinnen geweſen
ſeien, grau vor Alter, in weißen Kleidern, darüber Mäntel von
feinſtem Flachs, mit einem ehernen Gürtel, unbeſchuht. Das
ſind die heiligen und reinen Frauen, die gewöhnlich einſam leb-
ten und in dringenden Fällen ihren Rath wie Orakelſprüche er-
theilten, dafür aber die höchſte Verehrung von Seiten des Volks
genoſſen. Die weiße Farbe iſt bei ihren Kleidern nicht ohne tie-
fern Sinn, wie in der Götterlehre die weißen und lichten Gott-
heiten als die ſegenſpendenden, guten den ſchwarzen, dunklen,
böſen entgegengeſetzt werden. Schwarz war auch ſchon damals
die Farbe der Trauer. Als die Teutonen, in der großen Schlacht
auf der raudiſchen Ebene geſchlagen, zurückflohen zur Wagenburg,
da ſtanden ihre Frauen in ſchwarzen Trauergewändern auf den
Wagen und bereiteten den Flüchtigen mit Hohn und Gewalt
einen unwillkommenen Empfang. Ob ſie ſonſt farbige Kleider
getragen, wird zwar nicht ausdrücklich berichtet, es läßt ſich aber
immerhin annehmen, da nicht viel ſpäter ihrer hinlänglich Er-
wähnung geſchieht und Luſt an Putz und heller Farbenpracht
ihnen ſo wenig fehlte, wie andern Völkern, die dem urſprüngli-
chen Zuſtande nahe ſtehen. Die Frauen, wie wir wiſſen, beſetzten
die leinenen Kleider mit Streifen von Purpur, mochte er auch
ſchwerlich ächt ſein, und die Männer bemalten ihre Schilde in
den lebhafteſten Farben.

Auch die Pflege des Körpers aus Rückſichten der Schönheit
war keineswegs etwas Unbekanntes. Die Frauen nahmen die
Bäder vorzugsweiſe aus Sorge für die Hautfarbe und ſcheinen zu
dieſem Zweck auch den Schaum des Bieres benutzt zu haben.
Die verſchiedenen Nachbaren der Germanen, die ſich keineswegs
auf höherer Stufe der Kultur befanden, die Kelten, Sarmaten,
Dacier kannten ſchon die Schminke; ſie wird auch den Germanen
damals ſchwerlich unbekannt geweſen ſein. Die Ausgrabungen
haben uns noch mit einer Menge zur Toilette dienenden Gegen-
ſtände bekannt gemacht; da fand man Kämme von Bein und
Bronce, Ohrlöffel, kleine Zängelchen und andere kleine Inſtru-
mente, oft an einem Ringe ähnlich einem Schlüſſelbund aufgezo-

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[7/0025] 1. Urzeit und Urzuſtände. ihrer Heerfahrt begleiteten, weiſſagende Prieſterinnen geweſen ſeien, grau vor Alter, in weißen Kleidern, darüber Mäntel von feinſtem Flachs, mit einem ehernen Gürtel, unbeſchuht. Das ſind die heiligen und reinen Frauen, die gewöhnlich einſam leb- ten und in dringenden Fällen ihren Rath wie Orakelſprüche er- theilten, dafür aber die höchſte Verehrung von Seiten des Volks genoſſen. Die weiße Farbe iſt bei ihren Kleidern nicht ohne tie- fern Sinn, wie in der Götterlehre die weißen und lichten Gott- heiten als die ſegenſpendenden, guten den ſchwarzen, dunklen, böſen entgegengeſetzt werden. Schwarz war auch ſchon damals die Farbe der Trauer. Als die Teutonen, in der großen Schlacht auf der raudiſchen Ebene geſchlagen, zurückflohen zur Wagenburg, da ſtanden ihre Frauen in ſchwarzen Trauergewändern auf den Wagen und bereiteten den Flüchtigen mit Hohn und Gewalt einen unwillkommenen Empfang. Ob ſie ſonſt farbige Kleider getragen, wird zwar nicht ausdrücklich berichtet, es läßt ſich aber immerhin annehmen, da nicht viel ſpäter ihrer hinlänglich Er- wähnung geſchieht und Luſt an Putz und heller Farbenpracht ihnen ſo wenig fehlte, wie andern Völkern, die dem urſprüngli- chen Zuſtande nahe ſtehen. Die Frauen, wie wir wiſſen, beſetzten die leinenen Kleider mit Streifen von Purpur, mochte er auch ſchwerlich ächt ſein, und die Männer bemalten ihre Schilde in den lebhafteſten Farben. Auch die Pflege des Körpers aus Rückſichten der Schönheit war keineswegs etwas Unbekanntes. Die Frauen nahmen die Bäder vorzugsweiſe aus Sorge für die Hautfarbe und ſcheinen zu dieſem Zweck auch den Schaum des Bieres benutzt zu haben. Die verſchiedenen Nachbaren der Germanen, die ſich keineswegs auf höherer Stufe der Kultur befanden, die Kelten, Sarmaten, Dacier kannten ſchon die Schminke; ſie wird auch den Germanen damals ſchwerlich unbekannt geweſen ſein. Die Ausgrabungen haben uns noch mit einer Menge zur Toilette dienenden Gegen- ſtände bekannt gemacht; da fand man Kämme von Bein und Bronce, Ohrlöffel, kleine Zängelchen und andere kleine Inſtru- mente, oft an einem Ringe ähnlich einem Schlüſſelbund aufgezo-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/25>, abgerufen am 16.04.2024.