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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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liren. Deren Amt ist, daß sie täglich die Strassen battiren und bereiten selbi-
ge sauber zu halten.

Diese bekamen vor acht Tagen einen Poeten gefangen, welcher bey Verlust
Leibes und Lebens, aus dem Parnasso relegiret und verwiesen war. Dieser ob
ihm schon Bücher, wie nicht weniger sonst etwas zu schreiben verboten gewesen,
hat er doch dem ungeachtet, Apollini zum Trutz, und denen sämtlichen Musis
zu besonderer Verunglümpffung, nicht unterlassen, täglich viel Papier mit sei-
nen Lumpen-Versen zu besudeln und zu verderben. Ja was noch mehr, so hat
er sich vor einen recht excellenten Poeten ausgeben dürffen. Indem nun die
Häscher ihn besuchten, fanden sie ein Karten-Spiel bey ihm, welches dann
sein Verbrechen, und seine Missethat, nicht wenig vermehrt, weil ohne diß die
Karten Spiele vor Lasterhafftig gehalten, und bey Lebens-Straffe verboten
sind. Sie überlieferten dannenhero daß, bey dem Poeten gefundene, Karten-
Spiel so gleich dem Apollini; welcher sich zum höchsten über eine solche schändli-
che Erfindung verwunderte, und daß die lasterhafften Menschen die Zeit da-
durch zubringen, auch Ehre, Guth und Reputation, Leib und Leben, ja biß-
weilen gar die Seele, damit verspielen mögen. Noch mehr aber entsetzte sich
Apollo, als er vernahm, daß die Thorheit derer Menschen, so hoch gestiegen
wäre, daß sie dasjenige ein Spiel und Kurtzweil nenneten, welches sie doch mit
so grossem Eiffer und Ernst trieben, ja daß sie vor eine Freude Lust und Kurtz-
weile hielten, das Geld so leichtfertiger Weise zu wagen, daß mit so saurem
Schweiß erworben wird, und zu soviel unzehlichen Sachen nützlich und gut ist,
absonderlich zu Büchern, ohne welche die heutige Welt Aristotelem vor einen
Narren, und Alexandrum Magnum vor einen gemeinen Mann, halten wür-
de. Appollo fragte diesen Poeten, welches Spiel er vor allen andern
am meisten ubete und brauchte?
worauf er antwortete das Trumpff-
Spiel gefalle ihm am allerbesten.
Derohalben befahl Apollo demsel-
ben, solchen zu spielen, welches er thäte. Sobald nun Apollo derer Mei-
ster-Griffe dieses Spiels innen ward, rieff er überlaut, dieses Spiel seye
die rechte
Philosophie derer Hofleute, und die nothwendigste Wissen-
schafft, so alle Menschen lernen solten, welche nicht vor grobe und unge-
schickte Tölpel wolten gehalten werden.
Es liessen sich auch Ihro Par-
nassi
sche Majestät zugleich vermercken, daß der Schimpff, so diesem guten Poe-
ten wiederfahren, ihnen zum höchsten mißfiele würdigten ihn derowegen vor das
erste des Titels eines Tugendhafften, befahlen auch alsobald ihn loß zu lassen,
und geboten dem Pedellen der Universitaet, den folgenden Tag ein absonderli-

ches
N

liren. Deren Amt iſt, daß ſie taͤglich die Straſſen battiren und bereiten ſelbi-
ge ſauber zu halten.

Dieſe bekamen vor acht Tagen einen Poëten gefangen, welcher bey Verluſt
Leibes und Lebens, aus dem Parnaſſo relegiret und verwieſen war. Dieſer ob
ihm ſchon Buͤcher, wie nicht weniger ſonſt etwas zu ſchreiben verboten geweſen,
hat er doch dem ungeachtet, Apollini zum Trutz, und denen ſaͤmtlichen Muſis
zu beſonderer Verungluͤmpffung, nicht unterlaſſen, taͤglich viel Papier mit ſei-
nen Lumpen-Verſen zu beſudeln und zu verderben. Ja was noch mehr, ſo hat
er ſich vor einen recht excellenten Poëten ausgeben duͤrffen. Indem nun die
Haͤſcher ihn beſuchten, fanden ſie ein Karten-Spiel bey ihm, welches dann
ſein Verbrechen, und ſeine Miſſethat, nicht wenig vermehrt, weil ohne diß die
Karten Spiele vor Laſterhafftig gehalten, und bey Lebens-Straffe verboten
ſind. Sie uͤberlieferten dannenhero daß, bey dem Poëten gefundene, Karten-
Spiel ſo gleich dem Apollini; welcher ſich zum hoͤchſten uͤber eine ſolche ſchaͤndli-
che Erfindung verwunderte, und daß die laſterhafften Menſchen die Zeit da-
durch zubringen, auch Ehre, Guth und Reputation, Leib und Leben, ja biß-
weilen gar die Seele, damit verſpielen moͤgen. Noch mehr aber entſetzte ſich
Apollo, als er vernahm, daß die Thorheit derer Menſchen, ſo hoch geſtiegen
waͤre, daß ſie dasjenige ein Spiel und Kurtzweil nenneten, welches ſie doch mit
ſo groſſem Eiffer und Ernſt trieben, ja daß ſie vor eine Freude Luſt und Kurtz-
weile hielten, das Geld ſo leichtfertiger Weiſe zu wagen, daß mit ſo ſaurem
Schweiß erworben wird, und zu ſoviel unzehlichen Sachen nuͤtzlich und gut iſt,
abſonderlich zu Buͤchern, ohne welche die heutige Welt Ariſtotelem vor einen
Narren, und Alexandrum Magnum vor einen gemeinen Mann, halten wuͤr-
de. Appollo fragte dieſen Poëten, welches Spiel er vor allen andern
am meiſten ůbete und brauchte?
worauf er antwortete das Trumpff-
Spiel gefalle ihm am allerbeſten.
Derohalben befahl Apollo demſel-
ben, ſolchen zu ſpielen, welches er thaͤte. Sobald nun Apollo derer Mei-
ſter-Griffe dieſes Spiels innen ward, rieff er uͤberlaut, dieſes Spiel ſeye
die rechte
Philoſophie derer Hofleute, und die nothwendigſte Wiſſen-
ſchafft, ſo alle Menſchen lernen ſolten, welche nicht vor grobe und unge-
ſchickte Toͤlpel wolten gehalten werden.
Es lieſſen ſich auch Ihro Par-
naſſi
ſche Majeſtaͤt zugleich vermercken, daß der Schimpff, ſo dieſem guten Poë-
ten wiederfahren, ihnen zum hoͤchſten mißfiele wuͤrdigten ihn derowegen vor das
erſte des Titels eines Tugendhafften, befahlen auch alſobald ihn loß zu laſſen,
und geboten dem Pedellen der Univerſitæt, den folgenden Tag ein abſonderli-

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[97/0141] liren. Deren Amt iſt, daß ſie taͤglich die Straſſen battiren und bereiten ſelbi- ge ſauber zu halten. Dieſe bekamen vor acht Tagen einen Poëten gefangen, welcher bey Verluſt Leibes und Lebens, aus dem Parnaſſo relegiret und verwieſen war. Dieſer ob ihm ſchon Buͤcher, wie nicht weniger ſonſt etwas zu ſchreiben verboten geweſen, hat er doch dem ungeachtet, Apollini zum Trutz, und denen ſaͤmtlichen Muſis zu beſonderer Verungluͤmpffung, nicht unterlaſſen, taͤglich viel Papier mit ſei- nen Lumpen-Verſen zu beſudeln und zu verderben. Ja was noch mehr, ſo hat er ſich vor einen recht excellenten Poëten ausgeben duͤrffen. Indem nun die Haͤſcher ihn beſuchten, fanden ſie ein Karten-Spiel bey ihm, welches dann ſein Verbrechen, und ſeine Miſſethat, nicht wenig vermehrt, weil ohne diß die Karten Spiele vor Laſterhafftig gehalten, und bey Lebens-Straffe verboten ſind. Sie uͤberlieferten dannenhero daß, bey dem Poëten gefundene, Karten- Spiel ſo gleich dem Apollini; welcher ſich zum hoͤchſten uͤber eine ſolche ſchaͤndli- che Erfindung verwunderte, und daß die laſterhafften Menſchen die Zeit da- durch zubringen, auch Ehre, Guth und Reputation, Leib und Leben, ja biß- weilen gar die Seele, damit verſpielen moͤgen. Noch mehr aber entſetzte ſich Apollo, als er vernahm, daß die Thorheit derer Menſchen, ſo hoch geſtiegen waͤre, daß ſie dasjenige ein Spiel und Kurtzweil nenneten, welches ſie doch mit ſo groſſem Eiffer und Ernſt trieben, ja daß ſie vor eine Freude Luſt und Kurtz- weile hielten, das Geld ſo leichtfertiger Weiſe zu wagen, daß mit ſo ſaurem Schweiß erworben wird, und zu ſoviel unzehlichen Sachen nuͤtzlich und gut iſt, abſonderlich zu Buͤchern, ohne welche die heutige Welt Ariſtotelem vor einen Narren, und Alexandrum Magnum vor einen gemeinen Mann, halten wuͤr- de. Appollo fragte dieſen Poëten, welches Spiel er vor allen andern am meiſten ůbete und brauchte? worauf er antwortete das Trumpff- Spiel gefalle ihm am allerbeſten. Derohalben befahl Apollo demſel- ben, ſolchen zu ſpielen, welches er thaͤte. Sobald nun Apollo derer Mei- ſter-Griffe dieſes Spiels innen ward, rieff er uͤberlaut, dieſes Spiel ſeye die rechte Philoſophie derer Hofleute, und die nothwendigſte Wiſſen- ſchafft, ſo alle Menſchen lernen ſolten, welche nicht vor grobe und unge- ſchickte Toͤlpel wolten gehalten werden. Es lieſſen ſich auch Ihro Par- naſſiſche Majeſtaͤt zugleich vermercken, daß der Schimpff, ſo dieſem guten Poë- ten wiederfahren, ihnen zum hoͤchſten mißfiele wuͤrdigten ihn derowegen vor das erſte des Titels eines Tugendhafften, befahlen auch alſobald ihn loß zu laſſen, und geboten dem Pedellen der Univerſitæt, den folgenden Tag ein abſonderli- ches N

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/141>, abgerufen am 19.04.2024.