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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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halber, leichtsinniger Weise, nicht allein alles, so er in seinem Hause
hätte hinzuschleudern, sondern sich auch seines eigenen Bettes, das
doch zu der Ruhe seines Leibes und Gemüthes höchst nöthig seye,
sich zu berauben und zu begeben?
Hierauf antwortete Gambara und
sagte: Lieber Freund! du solt wissen, daß ich, diesen Pappegay zu
überkommen nicht allein gutwillig alles, was ich in der Welt lieb
habe, zu veräussern begehre, sondern wolte auch das, was ich an
meinem Leibe habe, biß auf das Hemd, ja mich selbsten zu einem
leibeigenen Sclaven auf die
Galeeren verkauffen, damit ich dessen
mächtig werden möchte. Ich bin ein
Brescianer, und habe die
allgemeinen Gebrechen meiner Lands-Leute mit auf die Welt ge-
bracht, daß ich mit der Zunge zu frey und mit dem Hertzen zu
aufrichtig bin, welches zwar bey denen Alten zwo herrliche Tu-
genden gewesen; aber heutiges Tages vor zwey grosse Laster ge-
halten werden, dieweil sie mir bey grosser Herren Höfe, wie nicht
weniger anderswo grosse Ungelegenheit verursachet haben, der ich
verhoffentlich durch Erkauffung dieses köstlichen Vogels ein Ende
machen will. Denn derselbe soll mich die nothwendige Tugend,
so denen
Brescianern gantz unbekannt, aber von andern Nationen
allzusehr practiciret wird, unterweisen und lehren, wie man seines
Hertzens Gedancken verschweigen, und andern zu Gefallen nur
dasjenige mit dem Munde reden solle, was sie einem selbst vor-
kauen und darein legen.

Relation von der aus dem Parnasso heimlich entwichenen
Tugend der Treue, woran sich die falschen Politici zu
spiegeln haben, indem ihnen die Hunde vor-
gezogen werden.

DEr Königliche Pallast der vortrefflichen Tugend der Treue, so vor Zeiten
von denen allervornehmsten Fürstlichen Dienern, wie nicht weniger von
denen vornehmsten Raths-Herren derer berühmtesten Republiquen, sehr fleißig

fre-
O 2

halber, leichtſinniger Weiſe, nicht allein alles, ſo er in ſeinem Hauſe
haͤtte hinzuſchleudern, ſondern ſich auch ſeines eigenen Bettes, das
doch zu der Ruhe ſeines Leibes und Gemuͤthes hoͤchſt noͤthig ſeye,
ſich zu berauben und zu begeben?
Hierauf antwortete Gambara und
ſagte: Lieber Freund! du ſolt wiſſen, daß ich, dieſen Pappegay zu
uͤberkommen nicht allein gutwillig alles, was ich in der Welt lieb
habe, zu veraͤuſſern begehre, ſondern wolte auch das, was ich an
meinem Leibe habe, biß auf das Hemd, ja mich ſelbſten zu einem
leibeigenen Sclaven auf die
Galéeren verkauffen, damit ich deſſen
maͤchtig werden moͤchte. Ich bin ein
Breſcianer, und habe die
allgemeinen Gebrechen meiner Lands-Leute mit auf die Welt ge-
bracht, daß ich mit der Zunge zu frey und mit dem Hertzen zu
aufrichtig bin, welches zwar bey denen Alten zwo herrliche Tu-
genden geweſen; aber heutiges Tages vor zwey groſſe Laſter ge-
halten werden, dieweil ſie mir bey groſſer Herren Hoͤfe, wie nicht
weniger anderswo groſſe Ungelegenheit verurſachet haben, der ich
verhoffentlich durch Erkauffung dieſes koͤſtlichen Vogels ein Ende
machen will. Denn derſelbe ſoll mich die nothwendige Tugend,
ſo denen
Breſcianern gantz unbekannt, aber von andern Nationen
allzuſehr practiciret wird, unterweiſen und lehren, wie man ſeines
Hertzens Gedancken verſchweigen, und andern zu Gefallen nur
dasjenige mit dem Munde reden ſolle, was ſie einem ſelbſt vor-
kauen und darein legen.

Relation von der aus dem Parnaſſo heimlich entwichenen
Tugend der Treue, woran ſich die falſchen Politici zu
ſpiegeln haben, indem ihnen die Hunde vor-
gezogen werden.

DEr Koͤnigliche Pallaſt der vortrefflichen Tugend der Treue, ſo vor Zeiten
von denen allervornehmſten Fuͤrſtlichen Dienern, wie nicht weniger von
denen vornehmſten Raths-Herren derer beruͤhmteſten Republiquen, ſehr fleißig

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[107/0151] halber, leichtſinniger Weiſe, nicht allein alles, ſo er in ſeinem Hauſe haͤtte hinzuſchleudern, ſondern ſich auch ſeines eigenen Bettes, das doch zu der Ruhe ſeines Leibes und Gemuͤthes hoͤchſt noͤthig ſeye, ſich zu berauben und zu begeben? Hierauf antwortete Gambara und ſagte: Lieber Freund! du ſolt wiſſen, daß ich, dieſen Pappegay zu uͤberkommen nicht allein gutwillig alles, was ich in der Welt lieb habe, zu veraͤuſſern begehre, ſondern wolte auch das, was ich an meinem Leibe habe, biß auf das Hemd, ja mich ſelbſten zu einem leibeigenen Sclaven auf die Galéeren verkauffen, damit ich deſſen maͤchtig werden moͤchte. Ich bin ein Breſcianer, und habe die allgemeinen Gebrechen meiner Lands-Leute mit auf die Welt ge- bracht, daß ich mit der Zunge zu frey und mit dem Hertzen zu aufrichtig bin, welches zwar bey denen Alten zwo herrliche Tu- genden geweſen; aber heutiges Tages vor zwey groſſe Laſter ge- halten werden, dieweil ſie mir bey groſſer Herren Hoͤfe, wie nicht weniger anderswo groſſe Ungelegenheit verurſachet haben, der ich verhoffentlich durch Erkauffung dieſes koͤſtlichen Vogels ein Ende machen will. Denn derſelbe ſoll mich die nothwendige Tugend, ſo denen Breſcianern gantz unbekannt, aber von andern Nationen allzuſehr practiciret wird, unterweiſen und lehren, wie man ſeines Hertzens Gedancken verſchweigen, und andern zu Gefallen nur dasjenige mit dem Munde reden ſolle, was ſie einem ſelbſt vor- kauen und darein legen. Relation von der aus dem Parnaſſo heimlich entwichenen Tugend der Treue, woran ſich die falſchen Politici zu ſpiegeln haben, indem ihnen die Hunde vor- gezogen werden. DEr Koͤnigliche Pallaſt der vortrefflichen Tugend der Treue, ſo vor Zeiten von denen allervornehmſten Fuͤrſtlichen Dienern, wie nicht weniger von denen vornehmſten Raths-Herren derer beruͤhmteſten Republiquen, ſehr fleißig fre- O 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/151>, abgerufen am 19.04.2024.