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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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müsse diesem Scheffel noch einen halben zusetzen, und zwar um dieser Ursachen
willen, weil bey denen jetzigen Menschen, von Tag zu Tag das verfluchte La-
ster der Falschheit und Heucheley wüchse und zunähme. Derohalben erforder-
ten auch die nohtwendigen Regeln der Rechen-Kunst, daß mit dem verderbten
Wesen derer boßhafften Menschen, von denen Gelehrten auch die Nothwendi-
gen Mittel derer Tugenden multipliciret würden, damit denen neuen annoch
feyenden Lastern desto besser Wiederstand geschehen möge. Damit aber den
heutigen Welt nicht der ewige Schandfleck angehangen, und jedermann vor
Augen gestellet werde, das die Laster in der Welt zu, die Mittel aber gegen sel-
bige abnehmen, haben die sämtlichen Gelehrte in der Versammlung dahin ge-
schlossen, es seye nicht ratysam die alte Maaß zu ändern. Auch haben sie ein-
müthiglich decretiret, das Sprichwort seye wahr, in soweit es die Manns-
Personen anbelange. Auf Seiten derer Weiber aber wäre es gantz falsch,
als welche, ob sie schon mit ihren Männern noch keinen Scheffel Saltz gegessen
hätten, doch schon die erste Nacht, wann sie bey ihnen geschlaffen, wüsten,
was sie von ihnen halten solten.

Noch weit nachdencklicher aber ist diese jetzt-folgen-
de Relation.

MErckwürdig zu schreiben ist, das, was diese Woche in dem Parnasso vorge-
gangen, mit denen fünff und zwantzig Maul-Eseln mit Ducaten beladen,
so der Kayser Nero dem Cornelio Tacito übersendet hat. Die sämtlichen Ge-
lehrten, durch solch herrliches Geschencke bewogen, lieffen eilends zu des Taciti
Logement,
etliche um die eigentliche Summa dieses Geldes zu erfahren, an-
dere aber die Ursachen einer solchen stattlichen Verehrung zu wissen. Die
Summa des Geschenckes, wie sie berichtet wurden, belieff sich auch auf eine
Million und zweymahl hundert tausend Ducaten, mit welchen er Tacito das
herrliche Lob, so er ihm gegeben, belohnete, indem er sagte, daß Nero nicht
gehabt habe
infra servos ingenium. Die Vornehmsten unter denen Gelehr-
ten schlossen dahin, ob zwar dieses ein uberaus herrliches Praesent wäre,
so hätte
Tacitus doch viel ein mehrers verdienet, durch daß stattliche
Lob, welches er dem
Neroni gegeben, daß er nicht geartet gewesen
seye, schändlicher Weise von einem Diener sich
gouverniren zu lassen,
und sich selbigem zu unterwerffen. Dieses Lob wäre einer so viel grössern

Be-
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muͤſſe dieſem Scheffel noch einen halben zuſetzen, und zwar um dieſer Urſachen
willen, weil bey denen jetzigen Menſchen, von Tag zu Tag das verfluchte La-
ſter der Falſchheit und Heucheley wuͤchſe und zunaͤhme. Derohalben erforder-
ten auch die nohtwendigen Regeln der Rechen-Kunſt, daß mit dem verderbten
Weſen derer boßhafften Menſchen, von denen Gelehrten auch die Nothwendi-
gen Mittel derer Tugenden multipliciret wuͤrden, damit denen neuen annoch
feyenden Laſtern deſto beſſer Wiederſtand geſchehen moͤge. Damit aber den
heutigen Welt nicht der ewige Schandfleck angehangen, und jedermann vor
Augen geſtellet werde, das die Laſter in der Welt zu, die Mittel aber gegen ſel-
bige abnehmen, haben die ſaͤmtlichen Gelehrte in der Verſammlung dahin ge-
ſchloſſen, es ſeye nicht ratyſam die alte Maaß zu aͤndern. Auch haben ſie ein-
muͤthiglich decretiret, das Sprichwort ſeye wahr, in ſoweit es die Manns-
Perſonen anbelange. Auf Seiten derer Weiber aber waͤre es gantz falſch,
als welche, ob ſie ſchon mit ihren Maͤnnern noch keinen Scheffel Saltz gegeſſen
haͤtten, doch ſchon die erſte Nacht, wann ſie bey ihnen geſchlaffen, wuͤſten,
was ſie von ihnen halten ſolten.

Noch weit nachdencklicher aber iſt dieſe jetzt-folgen-
de Relation.

MErckwuͤrdig zu ſchreiben iſt, das, was dieſe Woche in dem Parnaſſo vorge-
gangen, mit denen fuͤnff und zwantzig Maul-Eſeln mit Ducaten beladen,
ſo der Kayſer Nero dem Cornelio Tacito uͤberſendet hat. Die ſaͤmtlichen Ge-
lehrten, durch ſolch herrliches Geſchencke bewogen, lieffen eilends zu des Taciti
Logement,
etliche um die eigentliche Summa dieſes Geldes zu erfahren, an-
dere aber die Urſachen einer ſolchen ſtattlichen Verehrung zu wiſſen. Die
Summa des Geſchenckes, wie ſie berichtet wurden, belieff ſich auch auf eine
Million und zweymahl hundert tauſend Ducaten, mit welchen er Tacito das
herrliche Lob, ſo er ihm gegeben, belohnete, indem er ſagte, daß Nero nicht
gehabt habe
infra ſervos ingenium. Die Vornehmſten unter denen Gelehr-
ten ſchloſſen dahin, ob zwar dieſes ein ůberaus herrliches Præſent waͤre,
ſo haͤtte
Tacitus doch viel ein mehrers verdienet, durch daß ſtattliche
Lob, welches er dem
Neroni gegeben, daß er nicht geartet geweſen
ſeye, ſchaͤndlicher Weiſe von einem Diener ſich
gouverniren zu laſſen,
und ſich ſelbigem zu unterwerffen. Dieſes Lob waͤre einer ſo viel groͤſſern

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[115/0159] muͤſſe dieſem Scheffel noch einen halben zuſetzen, und zwar um dieſer Urſachen willen, weil bey denen jetzigen Menſchen, von Tag zu Tag das verfluchte La- ſter der Falſchheit und Heucheley wuͤchſe und zunaͤhme. Derohalben erforder- ten auch die nohtwendigen Regeln der Rechen-Kunſt, daß mit dem verderbten Weſen derer boßhafften Menſchen, von denen Gelehrten auch die Nothwendi- gen Mittel derer Tugenden multipliciret wuͤrden, damit denen neuen annoch feyenden Laſtern deſto beſſer Wiederſtand geſchehen moͤge. Damit aber den heutigen Welt nicht der ewige Schandfleck angehangen, und jedermann vor Augen geſtellet werde, das die Laſter in der Welt zu, die Mittel aber gegen ſel- bige abnehmen, haben die ſaͤmtlichen Gelehrte in der Verſammlung dahin ge- ſchloſſen, es ſeye nicht ratyſam die alte Maaß zu aͤndern. Auch haben ſie ein- muͤthiglich decretiret, das Sprichwort ſeye wahr, in ſoweit es die Manns- Perſonen anbelange. Auf Seiten derer Weiber aber waͤre es gantz falſch, als welche, ob ſie ſchon mit ihren Maͤnnern noch keinen Scheffel Saltz gegeſſen haͤtten, doch ſchon die erſte Nacht, wann ſie bey ihnen geſchlaffen, wuͤſten, was ſie von ihnen halten ſolten. Noch weit nachdencklicher aber iſt dieſe jetzt-folgen- de Relation. MErckwuͤrdig zu ſchreiben iſt, das, was dieſe Woche in dem Parnaſſo vorge- gangen, mit denen fuͤnff und zwantzig Maul-Eſeln mit Ducaten beladen, ſo der Kayſer Nero dem Cornelio Tacito uͤberſendet hat. Die ſaͤmtlichen Ge- lehrten, durch ſolch herrliches Geſchencke bewogen, lieffen eilends zu des Taciti Logement, etliche um die eigentliche Summa dieſes Geldes zu erfahren, an- dere aber die Urſachen einer ſolchen ſtattlichen Verehrung zu wiſſen. Die Summa des Geſchenckes, wie ſie berichtet wurden, belieff ſich auch auf eine Million und zweymahl hundert tauſend Ducaten, mit welchen er Tacito das herrliche Lob, ſo er ihm gegeben, belohnete, indem er ſagte, daß Nero nicht gehabt habe infra ſervos ingenium. Die Vornehmſten unter denen Gelehr- ten ſchloſſen dahin, ob zwar dieſes ein ůberaus herrliches Præſent waͤre, ſo haͤtte Tacitus doch viel ein mehrers verdienet, durch daß ſtattliche Lob, welches er dem Neroni gegeben, daß er nicht geartet geweſen ſeye, ſchaͤndlicher Weiſe von einem Diener ſich gouverniren zu laſſen, und ſich ſelbigem zu unterwerffen. Dieſes Lob waͤre einer ſo viel groͤſſern Be- P 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/159>, abgerufen am 29.03.2024.