Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

schweren Garben fülle: Wie alles ihm die Hoffnung mache / es werde der Magen nun nicht mehr so viel als vorhin zu unterhalten kosten. Er aber muß eben in der Erndte-Zeit so schlechte Erndte haben / und dem Todten-gräber müßige Stunden gönnen. Solte ihm nicht verdriessen / daß er auf einem guten Frühling einen so schlechten Sommer habe. Doch daß er sich nicht gar aus der possession setzte / und man nicht meynen möchte / der Tod sey todt / und er zur Erndte-Zeit nur etwas erndte / so sucht er alle Winckel durch / ob nicht was Reiffes anzutreffen / daran er seine Sichel schlagen könne: und siehe / da er auff den Holtzberg in diesen Winckel kommt / so findet er / was er sucht / einen Halm der zur Erndte reiff / eine betagte Matrone / die weiland Viel-Ehr- und Tugend- begabte Frau Anna Maria Müllern / gebohrne Krullin / sehl. Herrn Henning Müllers / bey hiesiger Julius-Universität durch viele Jahre berühmten Buchdruckers nachgelassene Witwe: da schlägt er denn die Sichel an / und legt die jenige todt zur Erden nieder / welche wir jetzo in die Erde legen sehen. Aber O du Menschen-Mörder! findestu deine Lust hieran / daß diese dir zu theil worden / und den langaußgesetzten Termin endlich bezahlen müssen; Gewiß / du thust der Seeligen auch keinen Verdruß / daß du sie aus dieser verdrießlichen Welt abgefodert; Sie war alt und lebenssatt / und wenn der Ausspruch Davids gilt / wie er denn gelten muß / daß unser Leben währe 70. Jahr / und wenns hoch kömmt 80. Jahr / so hat diese 83jährige Frau schon 3 Jahr über ihr Leben gelebet / und geschicht Ihr eben recht / daß sie sterben muß. Ja wol recht / denn so das Alter an ihm selbst eine Kraickheit ist / so ist ja ausgemacht / daß zu dieser Kranckheit kein besser Doctor kan gebrauchet werden / als der Tod. Und so ist denn die Sehlige erst gesund worden / da dieser

schweren Garben fülle: Wie alles ihm die Hoffnung mache / es werde der Magen nun nicht mehr so viel als vorhin zu unterhalten kosten. Er aber muß eben in der Erndte-Zeit so schlechte Erndte haben / und dem Todten-gräber müßige Stunden gönnen. Solte ihm nicht verdriessen / daß er auf einem guten Frühling einen so schlechten Sommer habe. Doch daß er sich nicht gar aus der possession setzte / und man nicht meynen möchte / der Tod sey todt / und er zur Erndte-Zeit nur etwas erndte / so sucht er alle Winckel durch / ob nicht was Reiffes anzutreffen / daran er seine Sichel schlagen könne: und siehe / da er auff den Holtzberg in diesen Winckel kommt / so findet er / was er sucht / einen Halm der zur Erndte reiff / eine betagte Matrone / die weiland Viel-Ehr- und Tugend- begabte Frau Anna Maria Müllern / gebohrne Krullin / sehl. Herrn Henning Müllers / bey hiesiger Julius-Universität durch viele Jahre berühmten Buchdruckers nachgelassene Witwe: da schlägt er denn die Sichel an / und legt die jenige todt zur Erden nieder / welche wir jetzo in die Erde legen sehen. Aber O du Menschen-Mörder! findestu deine Lust hieran / daß diese dir zu theil worden / und den langaußgesetzten Termin endlich bezahlen müssen; Gewiß / du thust der Seeligen auch keinen Verdruß / daß du sie aus dieser verdrießlichen Welt abgefodert; Sie war alt und lebenssatt / und wenn der Ausspruch Davids gilt / wie er denn gelten muß / daß unser Leben währe 70. Jahr / und wenns hoch kömmt 80. Jahr / so hat diese 83jährige Frau schon 3 Jahr über ihr Leben gelebet / und geschicht Ihr eben recht / daß sie sterben muß. Ja wol recht / denn so das Alter an ihm selbst eine Kraickheit ist / so ist ja ausgemacht / daß zu dieser Kranckheit kein besser Doctor kan gebrauchet werden / als der Tod. Und so ist denn die Sehlige erst gesund worden / da dieser

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0054" n="48"/>
schweren Garben fülle:
                     Wie alles ihm die Hoffnung mache / es werde der Magen nun nicht mehr so viel als
                     vorhin zu unterhalten kosten. Er aber muß eben in der Erndte-Zeit so schlechte
                     Erndte haben / und dem Todten-gräber müßige Stunden gönnen. Solte ihm nicht
                     verdriessen / daß er auf einem guten Frühling einen so schlechten Sommer habe.
                     Doch daß er sich nicht gar aus der possession setzte / und man nicht meynen
                     möchte / der Tod sey todt / und er zur Erndte-Zeit nur etwas erndte / so sucht
                     er alle Winckel durch / ob nicht was Reiffes anzutreffen / daran er seine Sichel
                     schlagen könne: und siehe / da er auff den Holtzberg in diesen Winckel kommt /
                     so findet er / was er sucht / einen Halm der zur Erndte reiff / eine betagte
                     Matrone / die weiland Viel-Ehr- und Tugend- begabte Frau Anna Maria Müllern /
                     gebohrne Krullin / sehl. Herrn Henning Müllers / bey hiesiger Julius-Universität
                     durch viele Jahre berühmten Buchdruckers nachgelassene Witwe: da schlägt er denn
                     die Sichel an / und legt die jenige todt zur Erden nieder / welche wir jetzo in
                     die Erde legen sehen. Aber O du Menschen-Mörder! findestu deine Lust hieran /
                     daß diese dir zu theil worden / und den langaußgesetzten Termin endlich bezahlen
                     müssen; Gewiß / du thust der Seeligen auch keinen Verdruß / daß du sie aus
                     dieser verdrießlichen Welt abgefodert; Sie war alt und lebenssatt / und wenn der
                     Ausspruch Davids gilt / wie er denn gelten muß / daß unser Leben währe 70. Jahr
                     / und wenns hoch kömmt 80. Jahr / so hat diese 83jährige Frau schon 3 Jahr über
                     ihr Leben gelebet / und geschicht Ihr eben recht / daß sie sterben muß. Ja wol
                     recht / denn so das Alter an ihm selbst eine Kraickheit ist / so ist ja
                     ausgemacht / daß zu dieser Kranckheit kein besser Doctor kan gebrauchet werden /
                     als der Tod. Und so ist denn die Sehlige erst gesund worden / da dieser
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0054] schweren Garben fülle: Wie alles ihm die Hoffnung mache / es werde der Magen nun nicht mehr so viel als vorhin zu unterhalten kosten. Er aber muß eben in der Erndte-Zeit so schlechte Erndte haben / und dem Todten-gräber müßige Stunden gönnen. Solte ihm nicht verdriessen / daß er auf einem guten Frühling einen so schlechten Sommer habe. Doch daß er sich nicht gar aus der possession setzte / und man nicht meynen möchte / der Tod sey todt / und er zur Erndte-Zeit nur etwas erndte / so sucht er alle Winckel durch / ob nicht was Reiffes anzutreffen / daran er seine Sichel schlagen könne: und siehe / da er auff den Holtzberg in diesen Winckel kommt / so findet er / was er sucht / einen Halm der zur Erndte reiff / eine betagte Matrone / die weiland Viel-Ehr- und Tugend- begabte Frau Anna Maria Müllern / gebohrne Krullin / sehl. Herrn Henning Müllers / bey hiesiger Julius-Universität durch viele Jahre berühmten Buchdruckers nachgelassene Witwe: da schlägt er denn die Sichel an / und legt die jenige todt zur Erden nieder / welche wir jetzo in die Erde legen sehen. Aber O du Menschen-Mörder! findestu deine Lust hieran / daß diese dir zu theil worden / und den langaußgesetzten Termin endlich bezahlen müssen; Gewiß / du thust der Seeligen auch keinen Verdruß / daß du sie aus dieser verdrießlichen Welt abgefodert; Sie war alt und lebenssatt / und wenn der Ausspruch Davids gilt / wie er denn gelten muß / daß unser Leben währe 70. Jahr / und wenns hoch kömmt 80. Jahr / so hat diese 83jährige Frau schon 3 Jahr über ihr Leben gelebet / und geschicht Ihr eben recht / daß sie sterben muß. Ja wol recht / denn so das Alter an ihm selbst eine Kraickheit ist / so ist ja ausgemacht / daß zu dieser Kranckheit kein besser Doctor kan gebrauchet werden / als der Tod. Und so ist denn die Sehlige erst gesund worden / da dieser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/54
Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/54>, abgerufen am 25.04.2024.