Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

vergossen über ein Kind / dessen Auge von den Thränen gerissen und bey den Vorschmack seiner zukünfftigen Freude nicht mehr seine Mutter kunte weinen sehen. Soll ich sagen / was das Kind sagen wollen / da es die Mutter-Thränen abgewischet / oder vielmehr was es itzt sagen würde / wenn es von Himmel reden solte / da ihm an statt des Thränen-Brodts Manna vorgesetzet wird / und der Freuden-Wein wird eingeschencket / es möchte vielleicht dieses sagen: Weinet nicht über mich ihr meine liebe Eltern / mäßiget eure Thränen / mir ist gar zu wol dazu / als daß man mich beweinen solte; Ihr weinet / daß ich als eine zarte Blume in bester Blühte abgepflücket worden / weinet nicht / diß hat meines JEsu Hand gethan / und mich in sein Paradies gesetzet. Ihr weinet / daß ihr jetzt der Freude die ich euch gemacht / müsse beraubet seyn / weinet nicht / denn wäre dieses nicht / so müste ich jetzo einer weit grössern Freude beraubet seyn; Ihr weinet / daß ich aus eurem Schooß genommen; weinet nicht / denn ich bin dadurch kommen in Abrahams Schooß: Ihr weinet / daß eure Hoffnung auf einmahl dahin; weinet nicht / denn ich habe nunmehr die Seeligkeit / die ihr noch hoffen müsset. Ihr weinet / daß ihr mich nicht mehr sehet; weinet nicht / denn ich sehe GOtt von Angesicht zu Angesicht / und wil euch auch dermahleins mit Freuden wieder sehen. Ihr weinet / daß ich euch nicht mehr umhälsen und küssen kan; weinet nicht / dann JEsus umarmet mich / und ich wil euch dermahleins mit so viel Freuden küssen / mit so viel Thränen ihr mich verlassen habt. Weinet nicht / sondern lebet also / daß ihr gelanget an den Ort / da man alle Thränen von den Augen wischet. Was wil ich aber lange ein Vorsprach des Sehl. Kindes seyn / da ich hier fürnemlich hergebehten bin / dessen hinterbliebener Eltern Vorsprach zu seyn / und

vergossen über ein Kind / dessen Auge von den Thränen gerissen und bey den Vorschmack seiner zukünfftigen Freude nicht mehr seine Mutter kunte weinen sehen. Soll ich sagen / was das Kind sagen wollen / da es die Mutter-Thränen abgewischet / oder vielmehr was es itzt sagen würde / wenn es von Himmel reden solte / da ihm an statt des Thränen-Brodts Manna vorgesetzet wird / und der Freuden-Wein wird eingeschencket / es möchte vielleicht dieses sagen: Weinet nicht über mich ihr meine liebe Eltern / mäßiget eure Thränen / mir ist gar zu wol dazu / als daß man mich beweinen solte; Ihr weinet / daß ich als eine zarte Blume in bester Blühte abgepflücket worden / weinet nicht / diß hat meines JEsu Hand gethan / und mich in sein Paradies gesetzet. Ihr weinet / daß ihr jetzt der Freude die ich euch gemacht / müsse beraubet seyn / weinet nicht / denn wäre dieses nicht / so müste ich jetzo einer weit grössern Freude beraubet seyn; Ihr weinet / daß ich aus eurem Schooß genommen; weinet nicht / denn ich bin dadurch kommen in Abrahams Schooß: Ihr weinet / daß eure Hoffnung auf einmahl dahin; weinet nicht / denn ich habe nunmehr die Seeligkeit / die ihr noch hoffen müsset. Ihr weinet / daß ihr mich nicht mehr sehet; weinet nicht / denn ich sehe GOtt von Angesicht zu Angesicht / und wil euch auch dermahleins mit Freuden wieder sehen. Ihr weinet / daß ich euch nicht mehr umhälsen und küssen kan; weinet nicht / dann JEsus umarmet mich / und ich wil euch dermahleins mit so viel Freuden küssen / mit so viel Thränen ihr mich verlassen habt. Weinet nicht / sondern lebet also / daß ihr gelanget an den Ort / da man alle Thränen von den Augen wischet. Was wil ich aber lange ein Vorsprach des Sehl. Kindes seyn / da ich hier fürnemlich hergebehten bin / dessen hinterbliebener Eltern Vorsprach zu seyn / und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0092" n="86"/>
vergossen über ein Kind / dessen Auge
                     von den Thränen gerissen und bey den Vorschmack seiner zukünfftigen Freude nicht
                     mehr seine Mutter kunte weinen sehen. Soll ich sagen / was das Kind sagen wollen
                     / da es die Mutter-Thränen abgewischet / oder vielmehr was es itzt sagen würde /
                     wenn es von Himmel reden solte / da ihm an statt des Thränen-Brodts Manna
                     vorgesetzet wird / und der Freuden-Wein wird eingeschencket / es möchte
                     vielleicht dieses sagen: Weinet nicht über mich ihr meine liebe Eltern / mäßiget
                     eure Thränen / mir ist gar zu wol dazu / als daß man mich beweinen solte; Ihr
                     weinet / daß ich als eine zarte Blume in bester Blühte abgepflücket worden /
                     weinet nicht / diß hat meines JEsu Hand gethan / und mich in sein Paradies
                     gesetzet. Ihr weinet / daß ihr jetzt der Freude die ich euch gemacht / müsse
                     beraubet seyn / weinet nicht / denn wäre dieses nicht / so müste ich jetzo einer
                     weit grössern Freude beraubet seyn; Ihr weinet / daß ich aus eurem Schooß
                     genommen; weinet nicht / denn ich bin dadurch kommen in Abrahams Schooß: Ihr
                     weinet / daß eure Hoffnung auf einmahl dahin; weinet nicht / denn ich habe
                     nunmehr die Seeligkeit / die ihr noch hoffen müsset. Ihr weinet / daß ihr mich
                     nicht mehr sehet; weinet nicht / denn ich sehe GOtt von Angesicht zu Angesicht /
                     und wil euch auch dermahleins mit Freuden wieder sehen. Ihr weinet / daß ich
                     euch nicht mehr umhälsen und küssen kan; weinet nicht / dann JEsus umarmet mich
                     / und ich wil euch dermahleins mit so viel Freuden küssen / mit so viel Thränen
                     ihr mich verlassen habt. Weinet nicht / sondern lebet also / daß ihr gelanget an
                     den Ort / da man alle Thränen von den Augen wischet. Was wil ich aber lange ein
                     Vorsprach des Sehl. Kindes seyn / da ich hier fürnemlich hergebehten bin /
                     dessen hinterbliebener Eltern Vorsprach zu seyn / und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] vergossen über ein Kind / dessen Auge von den Thränen gerissen und bey den Vorschmack seiner zukünfftigen Freude nicht mehr seine Mutter kunte weinen sehen. Soll ich sagen / was das Kind sagen wollen / da es die Mutter-Thränen abgewischet / oder vielmehr was es itzt sagen würde / wenn es von Himmel reden solte / da ihm an statt des Thränen-Brodts Manna vorgesetzet wird / und der Freuden-Wein wird eingeschencket / es möchte vielleicht dieses sagen: Weinet nicht über mich ihr meine liebe Eltern / mäßiget eure Thränen / mir ist gar zu wol dazu / als daß man mich beweinen solte; Ihr weinet / daß ich als eine zarte Blume in bester Blühte abgepflücket worden / weinet nicht / diß hat meines JEsu Hand gethan / und mich in sein Paradies gesetzet. Ihr weinet / daß ihr jetzt der Freude die ich euch gemacht / müsse beraubet seyn / weinet nicht / denn wäre dieses nicht / so müste ich jetzo einer weit grössern Freude beraubet seyn; Ihr weinet / daß ich aus eurem Schooß genommen; weinet nicht / denn ich bin dadurch kommen in Abrahams Schooß: Ihr weinet / daß eure Hoffnung auf einmahl dahin; weinet nicht / denn ich habe nunmehr die Seeligkeit / die ihr noch hoffen müsset. Ihr weinet / daß ihr mich nicht mehr sehet; weinet nicht / denn ich sehe GOtt von Angesicht zu Angesicht / und wil euch auch dermahleins mit Freuden wieder sehen. Ihr weinet / daß ich euch nicht mehr umhälsen und küssen kan; weinet nicht / dann JEsus umarmet mich / und ich wil euch dermahleins mit so viel Freuden küssen / mit so viel Thränen ihr mich verlassen habt. Weinet nicht / sondern lebet also / daß ihr gelanget an den Ort / da man alle Thränen von den Augen wischet. Was wil ich aber lange ein Vorsprach des Sehl. Kindes seyn / da ich hier fürnemlich hergebehten bin / dessen hinterbliebener Eltern Vorsprach zu seyn / und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/92
Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/92>, abgerufen am 25.04.2024.