Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
bildeten ein einen kleinen Ziergarten umschließendes
Hufeisen, an dessen offener Seite man eines Teiches
mit Wassersteg und angeketteltem Boot und dicht
daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizon¬
tal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei
Stricken hing -- die Pfosten der Balkenlage schon
etwas schief stehend. Zwischen Teich und Rondell
aber und die Schaukel halb versteckend standen ein
paar mächtige alte Platanen.

Auch die Front des Herrenhauses -- eine mit
Aloekübeln und ein paar Gartenstühlen besetzte Rampe
-- gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen
und zugleich allerlei Zerstreuung bietenden Aufent¬
halt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte,
wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt,
besonders von Frau und Tochter des Hauses, die
denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten
liegenden Fliesengange saßen, in ihrem Rücken ein
paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster,
neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren
vier Steinstufen vom Garten aus in das Hochparterre
des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und
Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Her¬
stellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzen¬
den Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und
Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tisch

Effi Brieſt
bildeten ein einen kleinen Ziergarten umſchließendes
Hufeiſen, an deſſen offener Seite man eines Teiches
mit Waſſerſteg und angeketteltem Boot und dicht
daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizon¬
tal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei
Stricken hing — die Pfoſten der Balkenlage ſchon
etwas ſchief ſtehend. Zwiſchen Teich und Rondell
aber und die Schaukel halb verſteckend ſtanden ein
paar mächtige alte Platanen.

Auch die Front des Herrenhauſes — eine mit
Aloekübeln und ein paar Gartenſtühlen beſetzte Rampe
— gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen
und zugleich allerlei Zerſtreuung bietenden Aufent¬
halt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte,
wurde die Gartenſeite ganz entſchieden bevorzugt,
beſonders von Frau und Tochter des Hauſes, die
denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten
liegenden Flieſengange ſaßen, in ihrem Rücken ein
paar offene, von wildem Wein umrankte Fenſter,
neben ſich eine vorſpringende kleine Treppe, deren
vier Steinſtufen vom Garten aus in das Hochparterre
des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und
Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Her¬
ſtellung eines aus Einzelquadraten zuſammenzuſetzen¬
den Altarteppichs galt; ungezählte Wollſträhnen und
Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tiſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="2"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> bildeten ein einen kleinen Ziergarten um&#x017F;chließendes<lb/>
Hufei&#x017F;en, an de&#x017F;&#x017F;en offener Seite man eines Teiches<lb/>
mit Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;teg und angeketteltem Boot und dicht<lb/>
daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizon¬<lb/>
tal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei<lb/>
Stricken hing &#x2014; die Pfo&#x017F;ten der Balkenlage &#x017F;chon<lb/>
etwas &#x017F;chief &#x017F;tehend. Zwi&#x017F;chen Teich und Rondell<lb/>
aber und die Schaukel halb ver&#x017F;teckend &#x017F;tanden ein<lb/>
paar mächtige alte Platanen.</p><lb/>
        <p>Auch die Front des Herrenhau&#x017F;es &#x2014; eine mit<lb/>
Aloekübeln und ein paar Garten&#x017F;tühlen be&#x017F;etzte Rampe<lb/>
&#x2014; gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen<lb/>
und zugleich allerlei Zer&#x017F;treuung bietenden Aufent¬<lb/>
halt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte,<lb/>
wurde die Garten&#x017F;eite ganz ent&#x017F;chieden bevorzugt,<lb/>
be&#x017F;onders von Frau und Tochter des Hau&#x017F;es, die<lb/>
denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten<lb/>
liegenden Flie&#x017F;engange &#x017F;aßen, in ihrem Rücken ein<lb/>
paar offene, von wildem Wein umrankte Fen&#x017F;ter,<lb/>
neben &#x017F;ich eine vor&#x017F;pringende kleine Treppe, deren<lb/>
vier Stein&#x017F;tufen vom Garten aus in das Hochparterre<lb/>
des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und<lb/>
Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Her¬<lb/>
&#x017F;tellung eines aus Einzelquadraten zu&#x017F;ammenzu&#x017F;etzen¬<lb/>
den Altarteppichs galt; ungezählte Woll&#x017F;trähnen und<lb/>
Seidendocken lagen auf einem großen, runden Ti&#x017F;ch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0011] Effi Brieſt bildeten ein einen kleinen Ziergarten umſchließendes Hufeiſen, an deſſen offener Seite man eines Teiches mit Waſſerſteg und angeketteltem Boot und dicht daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizon¬ tal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei Stricken hing — die Pfoſten der Balkenlage ſchon etwas ſchief ſtehend. Zwiſchen Teich und Rondell aber und die Schaukel halb verſteckend ſtanden ein paar mächtige alte Platanen. Auch die Front des Herrenhauſes — eine mit Aloekübeln und ein paar Gartenſtühlen beſetzte Rampe — gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen und zugleich allerlei Zerſtreuung bietenden Aufent¬ halt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte, wurde die Gartenſeite ganz entſchieden bevorzugt, beſonders von Frau und Tochter des Hauſes, die denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten liegenden Flieſengange ſaßen, in ihrem Rücken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenſter, neben ſich eine vorſpringende kleine Treppe, deren vier Steinſtufen vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Her¬ ſtellung eines aus Einzelquadraten zuſammenzuſetzen¬ den Altarteppichs galt; ungezählte Wollſträhnen und Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tiſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/11
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/11>, abgerufen am 18.04.2024.