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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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cherste Gegenwehr. Was die Bettler auf
der einen Seite rauben, das müssen Betro¬
gene auf der anderen Seite wieder ersetzen.
Auf diese Art schleicht unvermerkt das Gift
der Sittenlosigkeit durch alle Stände, und
verderbt endlich die ganze Masse. Die
Vernunft wird entbehrlich, wo die Begriffe
von Recht und Billigkeit dem Eigennutze
weichen müssen; Alles versinkt in jene
sinnliche Abspannung, die das Laster un¬
vermeidlich macht und bei den nachfolgen¬
den Krämpfen des Gewissens dem lauern¬
den Aberglauben gewonnenes Spiel giebt.

Nirgends erscheint der Aberglaube in ei¬
ner schauderhafteren Gestalt als in Kölln.
Jemand, der aus unserm aufgeklärten Mainz
dahin kommt, hat in der That einen peini¬
genden Anblick an der mechanischen An¬
dacht, womit so viele tausend Menschen
den Müssiggang zu heiligen glauben, und an

cherste Gegenwehr. Was die Bettler auf
der einen Seite rauben, das müssen Betro¬
gene auf der anderen Seite wieder ersetzen.
Auf diese Art schleicht unvermerkt das Gift
der Sittenlosigkeit durch alle Stände, und
verderbt endlich die ganze Masse. Die
Vernunft wird entbehrlich, wo die Begriffe
von Recht und Billigkeit dem Eigennutze
weichen müssen; Alles versinkt in jene
sinnliche Abspannung, die das Laster un¬
vermeidlich macht und bei den nachfolgen¬
den Krämpfen des Gewissens dem lauern¬
den Aberglauben gewonnenes Spiel giebt.

Nirgends erscheint der Aberglaube in ei¬
ner schauderhafteren Gestalt als in Kölln.
Jemand, der aus unserm aufgeklärten Mainz
dahin kommt, hat in der That einen peini¬
genden Anblick an der mechanischen An¬
dacht, womit so viele tausend Menschen
den Müſsiggang zu heiligen glauben, und an

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[102/0114] cherste Gegenwehr. Was die Bettler auf der einen Seite rauben, das müssen Betro¬ gene auf der anderen Seite wieder ersetzen. Auf diese Art schleicht unvermerkt das Gift der Sittenlosigkeit durch alle Stände, und verderbt endlich die ganze Masse. Die Vernunft wird entbehrlich, wo die Begriffe von Recht und Billigkeit dem Eigennutze weichen müssen; Alles versinkt in jene sinnliche Abspannung, die das Laster un¬ vermeidlich macht und bei den nachfolgen¬ den Krämpfen des Gewissens dem lauern¬ den Aberglauben gewonnenes Spiel giebt. Nirgends erscheint der Aberglaube in ei¬ ner schauderhafteren Gestalt als in Kölln. Jemand, der aus unserm aufgeklärten Mainz dahin kommt, hat in der That einen peini¬ genden Anblick an der mechanischen An¬ dacht, womit so viele tausend Menschen den Müſsiggang zu heiligen glauben, und an

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/114>, abgerufen am 20.04.2024.