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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791.

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wo andere Völker aus eigenem innerem Trie¬
be, kühn, stolz und freudig riefen: "es lebe
die Nation!" da lernten sie erst von Mön¬
chen ihre Losung: "es lebe van der Noot!"

Unsern Wunsch, die Citadelle selbst in
Augenschein zu nehmen, konnte man für
diesesmal nicht befriedigen; ein Verbot der
Stände macht sie jetzt, wegen des dahin ge¬
führten Staatsgefangenen, van der Mersch,
allen Fremden unzugänglich. Zwar versprach
uns ein hiesiger Kaufmann, der zugleich eine
wichtige Demagogenrolle spielte, uns den
Eingang zu gestatten, wenn wir noch einige
Tage länger bleiben wollten, bis er nämlich
die Wache dort hätte; allein die Befriedi¬
gung der blossen Neugier war ein so grosses
Opfer nicht werth. Uns hatte vielmehr al¬
les, was wir bisher in den Niederlanden ge¬
sehn und gehört und die Hunderte von po¬
litischen Zeitschriften, die wir hier gelesen
hatten, bereits die feste Überzeugung einge¬

wo andere Völker aus eigenem innerem Trie¬
be, kühn, stolz und freudig riefen: »es lebe
die Nation!» da lernten sie erst von Mön¬
chen ihre Losung: »es lebe van der Noot!»

Unsern Wunsch, die Citadelle selbst in
Augenschein zu nehmen, konnte man für
diesesmal nicht befriedigen; ein Verbot der
Stände macht sie jetzt, wegen des dahin ge¬
führten Staatsgefangenen, van der Mersch,
allen Fremden unzugänglich. Zwar versprach
uns ein hiesiger Kaufmann, der zugleich eine
wichtige Demagogenrolle spielte, uns den
Eingang zu gestatten, wenn wir noch einige
Tage länger bleiben wollten, bis er nämlich
die Wache dort hätte; allein die Befriedi¬
gung der bloſsen Neugier war ein so groſses
Opfer nicht werth. Uns hatte vielmehr al¬
les, was wir bisher in den Niederlanden ge¬
sehn und gehört und die Hunderte von po¬
litischen Zeitschriften, die wir hier gelesen
hatten, bereits die feste Überzeugung einge¬

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[358/0364] wo andere Völker aus eigenem innerem Trie¬ be, kühn, stolz und freudig riefen: »es lebe die Nation!» da lernten sie erst von Mön¬ chen ihre Losung: »es lebe van der Noot!» Unsern Wunsch, die Citadelle selbst in Augenschein zu nehmen, konnte man für diesesmal nicht befriedigen; ein Verbot der Stände macht sie jetzt, wegen des dahin ge¬ führten Staatsgefangenen, van der Mersch, allen Fremden unzugänglich. Zwar versprach uns ein hiesiger Kaufmann, der zugleich eine wichtige Demagogenrolle spielte, uns den Eingang zu gestatten, wenn wir noch einige Tage länger bleiben wollten, bis er nämlich die Wache dort hätte; allein die Befriedi¬ gung der bloſsen Neugier war ein so groſses Opfer nicht werth. Uns hatte vielmehr al¬ les, was wir bisher in den Niederlanden ge¬ sehn und gehört und die Hunderte von po¬ litischen Zeitschriften, die wir hier gelesen hatten, bereits die feste Überzeugung einge¬

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/364>, abgerufen am 29.03.2024.