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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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meiner Contrahenten, bis Ordnung und Redlichkeit
zur eingewöhnten Sitte in Reckenburg geworden wa¬
ren. Daß in Bausch und Bogen der Schloßseckel
kaum ein schlechteres Geschäft gemacht haben würde,
hätte ich von Haus aus gesagt: "Hinz, hier schenke
ich Dir eine Hufe," oder: "Kunz, da hast Du eine
von meinen Wiesen," daß die Freude des Empfängers
und Gebers gegen die Unruhe des Schuldners und
die Wachsamkeit des Gläubigers vertauscht wurden,
das ward nicht in Rechnung gezogen und durfte es
nicht werden. Nicht die Blume der Gemüthlichkeit,
den Baum des Rechtes und der Ehre galt es zu pflan¬
zen in der Reckenburger Flur.

Zuletzt, doch nicht zum Letzten sei nun auch der
Gehülfen gedacht, die mir bei dieser Pflanzung so
wacker in die Hand gearbeitet haben. Ich muß es
als einen Glücksfall preisen, daß kurz nach Antritt
meines Regiments der damalige Pfarrer, ein deutscher
Biedermann und Familienvater, die bequeme Stelle
eines städtischen Nachmittagspredigers dem rauhen
Posten auf Reckenburg vorzog. Ein Stündchen Kirchen¬
ruhe war den rührigen Stadtbürgern zu gönnen. Der
Mann kam auf den rechten Platz und ich fand für den
meinen den rechten Mann. Ohne die Gemeinde ihrer

meiner Contrahenten, bis Ordnung und Redlichkeit
zur eingewöhnten Sitte in Reckenburg geworden wa¬
ren. Daß in Bauſch und Bogen der Schloßſeckel
kaum ein ſchlechteres Geſchäft gemacht haben würde,
hätte ich von Haus aus geſagt: „Hinz, hier ſchenke
ich Dir eine Hufe,“ oder: „Kunz, da haſt Du eine
von meinen Wieſen,“ daß die Freude des Empfängers
und Gebers gegen die Unruhe des Schuldners und
die Wachſamkeit des Gläubigers vertauſcht wurden,
das ward nicht in Rechnung gezogen und durfte es
nicht werden. Nicht die Blume der Gemüthlichkeit,
den Baum des Rechtes und der Ehre galt es zu pflan¬
zen in der Reckenburger Flur.

Zuletzt, doch nicht zum Letzten ſei nun auch der
Gehülfen gedacht, die mir bei dieſer Pflanzung ſo
wacker in die Hand gearbeitet haben. Ich muß es
als einen Glücksfall preiſen, daß kurz nach Antritt
meines Regiments der damalige Pfarrer, ein deutſcher
Biedermann und Familienvater, die bequeme Stelle
eines ſtädtiſchen Nachmittagspredigers dem rauhen
Poſten auf Reckenburg vorzog. Ein Stündchen Kirchen¬
ruhe war den rührigen Stadtbürgern zu gönnen. Der
Mann kam auf den rechten Platz und ich fand für den
meinen den rechten Mann. Ohne die Gemeinde ihrer

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[160/0164] meiner Contrahenten, bis Ordnung und Redlichkeit zur eingewöhnten Sitte in Reckenburg geworden wa¬ ren. Daß in Bauſch und Bogen der Schloßſeckel kaum ein ſchlechteres Geſchäft gemacht haben würde, hätte ich von Haus aus geſagt: „Hinz, hier ſchenke ich Dir eine Hufe,“ oder: „Kunz, da haſt Du eine von meinen Wieſen,“ daß die Freude des Empfängers und Gebers gegen die Unruhe des Schuldners und die Wachſamkeit des Gläubigers vertauſcht wurden, das ward nicht in Rechnung gezogen und durfte es nicht werden. Nicht die Blume der Gemüthlichkeit, den Baum des Rechtes und der Ehre galt es zu pflan¬ zen in der Reckenburger Flur. Zuletzt, doch nicht zum Letzten ſei nun auch der Gehülfen gedacht, die mir bei dieſer Pflanzung ſo wacker in die Hand gearbeitet haben. Ich muß es als einen Glücksfall preiſen, daß kurz nach Antritt meines Regiments der damalige Pfarrer, ein deutſcher Biedermann und Familienvater, die bequeme Stelle eines ſtädtiſchen Nachmittagspredigers dem rauhen Poſten auf Reckenburg vorzog. Ein Stündchen Kirchen¬ ruhe war den rührigen Stadtbürgern zu gönnen. Der Mann kam auf den rechten Platz und ich fand für den meinen den rechten Mann. Ohne die Gemeinde ihrer

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/164>, abgerufen am 29.03.2024.