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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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nach einer Vollendung rang, dafür fand ich die Lö¬
sung nicht.

Meiner Art gemäß tastete ich bei diesen Unter¬
suchungen nicht nach dem Mond, sondern faßte die
Sache, wo sie zunächst auch wesentlich lag. Ich nä¬
herte mich den Fünfzigen, und hatte ich mich bei
Zwanzigen auch nicht rüstiger gefühlt, ich wußte, die
stärksten Fäden sind es, die am raschesten reißen, und
wenn der meine einmal jählings riß, was wurde dann
aus dem Gewande meiner Reckenburg, das mit mei¬
nem Leibe schier verwachsen war, oder was wollte ich,
das aus ihm werde?

Zwar sah ich manches stolze Segel gebläht, und
manche Nothftagge aufgehißt, um in den schützenden
Hafen einzulaufen. Aber wie in den Tagen meiner
Freierhetze, verdroß es mich auch heute, einer nimmer¬
satten Begierde, oder einem schamlosen Bedürfniß
fröhnen zu sollen. Ich verlangte freie Wahl und
kein Zug der Vergangenheit, kein gegenwärtiges In¬
teresse leitete mich auf eine Spur.

Auch Pläne anderer Art stiegen in mir auf.
Wie wär's mit der Gründung eines Asyls für inva¬
lide Krieger, oder deren Waisen, für das es, leider
Gottes! zur Zeit nicht an Anwärtern gebrach? Oder

nach einer Vollendung rang, dafür fand ich die Lö¬
ſung nicht.

Meiner Art gemäß taſtete ich bei dieſen Unter¬
ſuchungen nicht nach dem Mond, ſondern faßte die
Sache, wo ſie zunächſt auch weſentlich lag. Ich nä¬
herte mich den Fünfzigen, und hatte ich mich bei
Zwanzigen auch nicht rüſtiger gefühlt, ich wußte, die
ſtärkſten Fäden ſind es, die am raſcheſten reißen, und
wenn der meine einmal jählings riß, was wurde dann
aus dem Gewande meiner Reckenburg, das mit mei¬
nem Leibe ſchier verwachſen war, oder was wollte ich,
das aus ihm werde?

Zwar ſah ich manches ſtolze Segel gebläht, und
manche Nothftagge aufgehißt, um in den ſchützenden
Hafen einzulaufen. Aber wie in den Tagen meiner
Freierhetze, verdroß es mich auch heute, einer nimmer¬
ſatten Begierde, oder einem ſchamloſen Bedürfniß
fröhnen zu ſollen. Ich verlangte freie Wahl und
kein Zug der Vergangenheit, kein gegenwärtiges In¬
tereſſe leitete mich auf eine Spur.

Auch Pläne anderer Art ſtiegen in mir auf.
Wie wär's mit der Gründung eines Aſyls für inva¬
lide Krieger, oder deren Waiſen, für das es, leider
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[169/0173] nach einer Vollendung rang, dafür fand ich die Lö¬ ſung nicht. Meiner Art gemäß taſtete ich bei dieſen Unter¬ ſuchungen nicht nach dem Mond, ſondern faßte die Sache, wo ſie zunächſt auch weſentlich lag. Ich nä¬ herte mich den Fünfzigen, und hatte ich mich bei Zwanzigen auch nicht rüſtiger gefühlt, ich wußte, die ſtärkſten Fäden ſind es, die am raſcheſten reißen, und wenn der meine einmal jählings riß, was wurde dann aus dem Gewande meiner Reckenburg, das mit mei¬ nem Leibe ſchier verwachſen war, oder was wollte ich, das aus ihm werde? Zwar ſah ich manches ſtolze Segel gebläht, und manche Nothftagge aufgehißt, um in den ſchützenden Hafen einzulaufen. Aber wie in den Tagen meiner Freierhetze, verdroß es mich auch heute, einer nimmer¬ ſatten Begierde, oder einem ſchamloſen Bedürfniß fröhnen zu ſollen. Ich verlangte freie Wahl und kein Zug der Vergangenheit, kein gegenwärtiges In¬ tereſſe leitete mich auf eine Spur. Auch Pläne anderer Art ſtiegen in mir auf. Wie wär's mit der Gründung eines Aſyls für inva¬ lide Krieger, oder deren Waiſen, für das es, leider Gottes! zur Zeit nicht an Anwärtern gebrach? Oder

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/173>, abgerufen am 24.04.2024.