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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Klärchen Esmarch an die Geschwister in
München.


Liebe Große! O wie gut, daß Du mir noch
die Correspondenzkarten in mein Umhängtäschchen ge¬
steckt hast, liebe Irene, jetzt kann ich Euch gleich eine
schreiben. Ich habe schon so viel gesehen, obgleich
wir erst 21/2 Stunden von München fort sind, daß
mein Kopf ganz wirbelt vor Freude. Gleich, als
wir in die Nähe von Rosenheim kamen, merkte ich,
daß hier eine andere Welt anfing, nämlich die Berge.
O wie weiß sie alle noch sind, man kann nicht dar¬
auf hinsehen, weil es blendet, und der Himmel ganz
dunkelblau -- ich bin nur so furchtbar traurig, daß
Ihr nicht mit seid. Mama auch. Wenn wir nicht
den Trost hätten mit der Hochzeitsreise, könnt' ich es
gar nicht ertragen.


Dieselbe an Dieselben.

Ich schreibe gleich noch eine. Aber Rudi, mein
armer, süßer Bruder, Du bist ja noch nicht verlobt,

Klärchen Esmarch an die Geſchwiſter in
München.


Liebe Große! O wie gut, daß Du mir noch
die Correſpondenzkarten in mein Umhängtäſchchen ge¬
ſteckt haſt, liebe Irene, jetzt kann ich Euch gleich eine
ſchreiben. Ich habe ſchon ſo viel geſehen, obgleich
wir erſt 2½ Stunden von München fort ſind, daß
mein Kopf ganz wirbelt vor Freude. Gleich, als
wir in die Nähe von Roſenheim kamen, merkte ich,
daß hier eine andere Welt anfing, nämlich die Berge.
O wie weiß ſie alle noch ſind, man kann nicht dar¬
auf hinſehen, weil es blendet, und der Himmel ganz
dunkelblau — ich bin nur ſo furchtbar traurig, daß
Ihr nicht mit ſeid. Mama auch. Wenn wir nicht
den Troſt hätten mit der Hochzeitsreiſe, könnt' ich es
gar nicht ertragen.


Dieſelbe an Dieſelben.

Ich ſchreibe gleich noch eine. Aber Rudi, mein
armer, ſüßer Bruder, Du biſt ja noch nicht verlobt,

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[0205] Klärchen Esmarch an die Geſchwiſter in München. Kufſtein, 25. März 89. 2 Uhr Mittags. Liebe Große! O wie gut, daß Du mir noch die Correſpondenzkarten in mein Umhängtäſchchen ge¬ ſteckt haſt, liebe Irene, jetzt kann ich Euch gleich eine ſchreiben. Ich habe ſchon ſo viel geſehen, obgleich wir erſt 2½ Stunden von München fort ſind, daß mein Kopf ganz wirbelt vor Freude. Gleich, als wir in die Nähe von Roſenheim kamen, merkte ich, daß hier eine andere Welt anfing, nämlich die Berge. O wie weiß ſie alle noch ſind, man kann nicht dar¬ auf hinſehen, weil es blendet, und der Himmel ganz dunkelblau — ich bin nur ſo furchtbar traurig, daß Ihr nicht mit ſeid. Mama auch. Wenn wir nicht den Troſt hätten mit der Hochzeitsreiſe, könnt' ich es gar nicht ertragen. Dieſelbe an Dieſelben. Ich ſchreibe gleich noch eine. Aber Rudi, mein armer, ſüßer Bruder, Du biſt ja noch nicht verlobt,

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/205>, abgerufen am 28.03.2024.