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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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hätt' ich nicht mit theuren Eiden mir selbst geschworen,
-- -- Eine Gestalt, wie ein Ritterfräulein, ein Ge¬
sicht, wie eine Frühlingsblume, blond, blauäugig,
dazu eine zarte Flötenstimme, wie ein kleines Kind
oder eine Amsel. -- Ach, ich habe gar kein Recht, in
so ein unschuldiges Gesicht zu sehen! Und wer weiß,
was schließlich dahinter ist! Gebrannte Kinder, -- --
weißt Du! -- Lebwohl, mein Junge, schreib' mir,
wie's mit -- Selma steht, -- ich kann den Namen
noch nicht ohne Herzweh schreiben. Verschweig' mir
nichts. Ich will nicht geschont sein.

Dein alter Eugen.

Klärchen an die Geschwister.

So lange hab' ich Euch nicht geschrieben, meine
armen Verlassenen, und jetzt wird es auch nur ein
Kärtchen! Eben sind wir angekommen nach der
schönsten Fahrt, die ich in meinem ganzen Leben ge¬
macht. O, der erste Blick auf den Gardasee durch
das Thor, und die Olivenbäume und Limonengärten!
Jetzt sind wir in Italien, obwohl dies Paradies noch
zu Tirol gehört, sagt Papa. Ich natürlich wußt' es
nicht, ich weiß gar nichts! Wir lernten die letzten
Jahre immer nur amerikanische und afrikanische

Frapan, Bittersüß. 14

hätt' ich nicht mit theuren Eiden mir ſelbſt geſchworen,
— — Eine Geſtalt, wie ein Ritterfräulein, ein Ge¬
ſicht, wie eine Frühlingsblume, blond, blauäugig,
dazu eine zarte Flötenſtimme, wie ein kleines Kind
oder eine Amſel. — Ach, ich habe gar kein Recht, in
ſo ein unſchuldiges Geſicht zu ſehen! Und wer weiß,
was ſchließlich dahinter iſt! Gebrannte Kinder, — —
weißt Du! — Lebwohl, mein Junge, ſchreib' mir,
wie's mit — Selma ſteht, — ich kann den Namen
noch nicht ohne Herzweh ſchreiben. Verſchweig' mir
nichts. Ich will nicht geſchont ſein.

Dein alter Eugen.

Klärchen an die Geſchwiſter.

So lange hab' ich Euch nicht geſchrieben, meine
armen Verlaſſenen, und jetzt wird es auch nur ein
Kärtchen! Eben ſind wir angekommen nach der
ſchönſten Fahrt, die ich in meinem ganzen Leben ge¬
macht. O, der erſte Blick auf den Gardaſee durch
das Thor, und die Olivenbäume und Limonengärten!
Jetzt ſind wir in Italien, obwohl dies Paradies noch
zu Tirol gehört, ſagt Papa. Ich natürlich wußt' es
nicht, ich weiß gar nichts! Wir lernten die letzten
Jahre immer nur amerikaniſche und afrikaniſche

Frapan, Bitterſüß. 14
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[209/0225] hätt' ich nicht mit theuren Eiden mir ſelbſt geſchworen, — — Eine Geſtalt, wie ein Ritterfräulein, ein Ge¬ ſicht, wie eine Frühlingsblume, blond, blauäugig, dazu eine zarte Flötenſtimme, wie ein kleines Kind oder eine Amſel. — Ach, ich habe gar kein Recht, in ſo ein unſchuldiges Geſicht zu ſehen! Und wer weiß, was ſchließlich dahinter iſt! Gebrannte Kinder, — — weißt Du! — Lebwohl, mein Junge, ſchreib' mir, wie's mit — Selma ſteht, — ich kann den Namen noch nicht ohne Herzweh ſchreiben. Verſchweig' mir nichts. Ich will nicht geſchont ſein. Dein alter Eugen. Klärchen an die Geſchwiſter. Riva, 30. März. 12 Uhr Mittags. So lange hab' ich Euch nicht geſchrieben, meine armen Verlaſſenen, und jetzt wird es auch nur ein Kärtchen! Eben ſind wir angekommen nach der ſchönſten Fahrt, die ich in meinem ganzen Leben ge¬ macht. O, der erſte Blick auf den Gardaſee durch das Thor, und die Olivenbäume und Limonengärten! Jetzt ſind wir in Italien, obwohl dies Paradies noch zu Tirol gehört, ſagt Papa. Ich natürlich wußt' es nicht, ich weiß gar nichts! Wir lernten die letzten Jahre immer nur amerikaniſche und afrikaniſche Frapan, Bitterſüß. 14

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/225>, abgerufen am 28.03.2024.