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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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oder essen Granita und füttern die Tauben. Das
Fahren in den engen Kanälen ist jetzt bei der
Schwüle gar nicht angenehm, die unzähligen Taschen¬
krebse an den Hausmauern sind greulich! ganz wie
dicke Riesenspinnen. Wir bleiben nicht lang mehr
hier. Von Murano fuhren wir gestern im vollen Ge¬
witter in offener Gondel herüber, nicht eine einzige
bedeckte war da. Gestern kam plötzlich die Baronin
Hechingen zu uns, als wir im Hotelgarten zu Abend
aßen. Sie setzte sich an unseren Tisch, obwohl wir
sie gar nicht dazu eingeladen hatten, und nun fing
sie an zu klatschen. Soviele häßliche Geschichten, daß
mir schlecht wurde. Zum Glück sagte Mama, es sei
ihr kalt, ich möchte ihr Tuch herunterholen. Ich ver¬
stand den Wink, gab das Tuch einem Kellner zum
Besorgen und blieb auf meinem Zimmer oben. Die
Eltern kamen auch bald herauf; nachher gingen wir
noch Alle ins Cafe Quadri auf dem Marcusplatz, um --
wie Papa sagte -- den Abend nicht mit einem Mi߬
ton zu schließen. Es war Concert und sehr belebt,
aber wir sahen keine Bekannten. Niemanden als den
Landrath, der mit einem Kellner schimpfte. Er hatte
sich nämlich an einen Tisch gesetzt, wo es nur Bier
gab und verlangte dort Grog. Ich machte mich
ganz klein hinter einem Pfeiler, und er sah mich
wirklich nicht. Nachher aber, denkt Euch, ging er
mit unter den Promenirenden und zwar in eifrigem

oder eſſen Granita und füttern die Tauben. Das
Fahren in den engen Kanälen iſt jetzt bei der
Schwüle gar nicht angenehm, die unzähligen Taſchen¬
krebſe an den Hausmauern ſind greulich! ganz wie
dicke Rieſenſpinnen. Wir bleiben nicht lang mehr
hier. Von Murano fuhren wir geſtern im vollen Ge¬
witter in offener Gondel herüber, nicht eine einzige
bedeckte war da. Geſtern kam plötzlich die Baronin
Hechingen zu uns, als wir im Hôtelgarten zu Abend
aßen. Sie ſetzte ſich an unſeren Tiſch, obwohl wir
ſie gar nicht dazu eingeladen hatten, und nun fing
ſie an zu klatſchen. Soviele häßliche Geſchichten, daß
mir ſchlecht wurde. Zum Glück ſagte Mama, es ſei
ihr kalt, ich möchte ihr Tuch herunterholen. Ich ver¬
ſtand den Wink, gab das Tuch einem Kellner zum
Beſorgen und blieb auf meinem Zimmer oben. Die
Eltern kamen auch bald herauf; nachher gingen wir
noch Alle ins Café Quadri auf dem Marcusplatz, um —
wie Papa ſagte — den Abend nicht mit einem Mi߬
ton zu ſchließen. Es war Concert und ſehr belebt,
aber wir ſahen keine Bekannten. Niemanden als den
Landrath, der mit einem Kellner ſchimpfte. Er hatte
ſich nämlich an einen Tiſch geſetzt, wo es nur Bier
gab und verlangte dort Grog. Ich machte mich
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[240/0256] oder eſſen Granita und füttern die Tauben. Das Fahren in den engen Kanälen iſt jetzt bei der Schwüle gar nicht angenehm, die unzähligen Taſchen¬ krebſe an den Hausmauern ſind greulich! ganz wie dicke Rieſenſpinnen. Wir bleiben nicht lang mehr hier. Von Murano fuhren wir geſtern im vollen Ge¬ witter in offener Gondel herüber, nicht eine einzige bedeckte war da. Geſtern kam plötzlich die Baronin Hechingen zu uns, als wir im Hôtelgarten zu Abend aßen. Sie ſetzte ſich an unſeren Tiſch, obwohl wir ſie gar nicht dazu eingeladen hatten, und nun fing ſie an zu klatſchen. Soviele häßliche Geſchichten, daß mir ſchlecht wurde. Zum Glück ſagte Mama, es ſei ihr kalt, ich möchte ihr Tuch herunterholen. Ich ver¬ ſtand den Wink, gab das Tuch einem Kellner zum Beſorgen und blieb auf meinem Zimmer oben. Die Eltern kamen auch bald herauf; nachher gingen wir noch Alle ins Café Quadri auf dem Marcusplatz, um — wie Papa ſagte — den Abend nicht mit einem Mi߬ ton zu ſchließen. Es war Concert und ſehr belebt, aber wir ſahen keine Bekannten. Niemanden als den Landrath, der mit einem Kellner ſchimpfte. Er hatte ſich nämlich an einen Tiſch geſetzt, wo es nur Bier gab und verlangte dort Grog. Ich machte mich ganz klein hinter einem Pfeiler, und er ſah mich wirklich nicht. Nachher aber, denkt Euch, ging er mit unter den Promenirenden und zwar in eifrigem

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/256>, abgerufen am 28.03.2024.