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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
die Verträge, welche sogleich bey Schliessung eines Con-
tracts gemacht werden, geben dem Contracte eine gewisse
Bestimmung, oder Modification. 3) Wird in unsern
Gesetzen unter Lex auch oft ein Testament verstanden;
wir wollen zum Beweiß nur L. ult. D de suis et legiti-
mis
anführen, wo papinianvs mit den Worten schließt:
privatorum enim cautionem legum auctoritate non censeri;
das heißt, wie es Galvanus 63) richtig erklärt hat, pri-
vat Verträge haben nicht die Kraft der Testamente, daß
durch selbige jemanden eine Erbschaft entweder hinterlassen,
oder entzogen werden könne. Eben hieraus erklärt sich
auch der Ausdruck legare, wenn er von letztern Willensver-
ordnungen genommen wird. Z. B. Paterfamilias uti
legassit suae rei, ita ius esto. L.
120. D de Verb.
signific.
wo legare suae rei soviel heißt als legem di-
cere rebus suis
oder über sein Vermögen testiren; denn
es muste ehemals das Testament per verba imperativa,
befehlsweise, wie ein Gesetz, abgefaßt werden 64). 4)
Hieß Lex bey denen Römern zur Zeit des Freystaats
der Vorschlag zu einem Gesetze. Zu den Zeiten
der Könige und der freyen Republik wurden nehmlich
die Gesetze mit Beystimmung der Nation auf den Co-
mitien gemacht, und der König, oder eine Römische
Magistratspersohn, die hierzu authorisirt war, that den
Vorschlag dazu, dieses nennte man legem ferre ad po-
pulum
einen Vorschlag zu einem Gesez thun,
L. 2. §. 2. D. de Or. lur. genehmigte das Volk
den Vorschlag durch seine Stimmen, so hieß das lex
iubetur
,
verwarf es hingegen denselben, so sagte man
lex antiquatur, das Volk will es bey dem Alten las-

sen.
63) de Usufructu Cap. 20. pag. 219. nach der neuesten
Tübinger Ausgabe von 1788.
64) S. meine Opuscula Fasc. I. pag. 168. sq. not. 27.
et
28.

1. Buch. 1. Tit.
die Vertraͤge, welche ſogleich bey Schlieſſung eines Con-
tracts gemacht werden, geben dem Contracte eine gewiſſe
Beſtimmung, oder Modification. 3) Wird in unſern
Geſetzen unter Lex auch oft ein Teſtament verſtanden;
wir wollen zum Beweiß nur L. ult. D de ſuis et legiti-
mis
anfuͤhren, wo papinianvs mit den Worten ſchließt:
privatorum enim cautionem legum auctoritate non cenſeri;
das heißt, wie es Galvanus 63) richtig erklaͤrt hat, pri-
vat Vertraͤge haben nicht die Kraft der Teſtamente, daß
durch ſelbige jemanden eine Erbſchaft entweder hinterlaſſen,
oder entzogen werden koͤnne. Eben hieraus erklaͤrt ſich
auch der Ausdruck legare, wenn er von letztern Willensver-
ordnungen genommen wird. Z. B. Paterfamilias uti
legaſſit ſuae rei, ita ius eſto. L.
120. D de Verb.
ſignific.
wo legare ſuae rei ſoviel heißt als legem di-
cere rebus ſuis
oder uͤber ſein Vermoͤgen teſtiren; denn
es muſte ehemals das Teſtament per verba imperativa,
befehlsweiſe, wie ein Geſetz, abgefaßt werden 64). 4)
Hieß Lex bey denen Roͤmern zur Zeit des Freyſtaats
der Vorſchlag zu einem Geſetze. Zu den Zeiten
der Koͤnige und der freyen Republik wurden nehmlich
die Geſetze mit Beyſtimmung der Nation auf den Co-
mitien gemacht, und der Koͤnig, oder eine Roͤmiſche
Magiſtratsperſohn, die hierzu authoriſirt war, that den
Vorſchlag dazu, dieſes nennte man legem ferre ad po-
pulum
einen Vorſchlag zu einem Geſez thun,
L. 2. §. 2. D. de Or. lur. genehmigte das Volk
den Vorſchlag durch ſeine Stimmen, ſo hieß das lex
iubetur
,
verwarf es hingegen denſelben, ſo ſagte man
lex antiquatur, das Volk will es bey dem Alten laſ-

ſen.
63) de Uſufructu Cap. 20. pag. 219. nach der neueſten
Tuͤbinger Ausgabe von 1788.
64) S. meine Opuſcula Faſc. I. pag. 168. ſq. not. 27.
et
28.
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[48/0068] 1. Buch. 1. Tit. die Vertraͤge, welche ſogleich bey Schlieſſung eines Con- tracts gemacht werden, geben dem Contracte eine gewiſſe Beſtimmung, oder Modification. 3) Wird in unſern Geſetzen unter Lex auch oft ein Teſtament verſtanden; wir wollen zum Beweiß nur L. ult. D de ſuis et legiti- mis anfuͤhren, wo papinianvs mit den Worten ſchließt: privatorum enim cautionem legum auctoritate non cenſeri; das heißt, wie es Galvanus 63) richtig erklaͤrt hat, pri- vat Vertraͤge haben nicht die Kraft der Teſtamente, daß durch ſelbige jemanden eine Erbſchaft entweder hinterlaſſen, oder entzogen werden koͤnne. Eben hieraus erklaͤrt ſich auch der Ausdruck legare, wenn er von letztern Willensver- ordnungen genommen wird. Z. B. Paterfamilias uti legaſſit ſuae rei, ita ius eſto. L. 120. D de Verb. ſignific. wo legare ſuae rei ſoviel heißt als legem di- cere rebus ſuis oder uͤber ſein Vermoͤgen teſtiren; denn es muſte ehemals das Teſtament per verba imperativa, befehlsweiſe, wie ein Geſetz, abgefaßt werden 64). 4) Hieß Lex bey denen Roͤmern zur Zeit des Freyſtaats der Vorſchlag zu einem Geſetze. Zu den Zeiten der Koͤnige und der freyen Republik wurden nehmlich die Geſetze mit Beyſtimmung der Nation auf den Co- mitien gemacht, und der Koͤnig, oder eine Roͤmiſche Magiſtratsperſohn, die hierzu authoriſirt war, that den Vorſchlag dazu, dieſes nennte man legem ferre ad po- pulum einen Vorſchlag zu einem Geſez thun, L. 2. §. 2. D. de Or. lur. genehmigte das Volk den Vorſchlag durch ſeine Stimmen, ſo hieß das lex iubetur, verwarf es hingegen denſelben, ſo ſagte man lex antiquatur, das Volk will es bey dem Alten laſ- ſen. 63) de Uſufructu Cap. 20. pag. 219. nach der neueſten Tuͤbinger Ausgabe von 1788. 64) S. meine Opuſcula Faſc. I. pag. 168. ſq. not. 27. et 28.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/68>, abgerufen am 29.03.2024.