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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Pyrrhonier
nach Diogenes Laertius.

Nichts erscheint rein und an sich, sondern mit
Luft und Licht, mit Flüssigem und Festem, mit Wärme
und Kälte, Bewegung, Verdunstung und andern Ei-
genschaften. Der Purpur z. B. zeigt eine andre Farbe
in der Sonne, eine andre bey Mond- und Lampenlicht.
Unsre eigene Farbe ist anders um Mittag, und so auch
der Sonne. Durch Lage, Ort und Entfernung erscheint
Großes klein, Eckiges rund, Ebenes uneben; Gerades
erscheint gebrochen, das Bleiche anders gefärbt. Berge
erscheinen von fern luftartig und glatt, in der Nähe
rauh; der nehmliche Körper im schattigen Hain anders
als im Freyen; der Hals der Taube, je nachdem sie
ihn wendet.


Plato.

Uebrigens giebt es noch eine vierte Art Empfindbares,
die wir abzuhandeln haben, welche aus vielen Man-
nigfaltigkeiten besteht. Diese werden von uns sämmt-
lich Farben genannt, eine Flamme, die von jedem
Körper ausfließt und solche Theile hat, die sich zum
Sinn des Gesichts dergestalt verhalten, daß sie von
ihm empfunden werden können.

Was das Gesicht betrifft, von dessen Ursprung
haben wir oben geredet, und nun ziemt es sich auch die
Farben kürzlich abzuhandeln.

Pyrrhonier
nach Diogenes Laertius.

Nichts erſcheint rein und an ſich, ſondern mit
Luft und Licht, mit Fluͤſſigem und Feſtem, mit Waͤrme
und Kaͤlte, Bewegung, Verdunſtung und andern Ei-
genſchaften. Der Purpur z. B. zeigt eine andre Farbe
in der Sonne, eine andre bey Mond- und Lampenlicht.
Unſre eigene Farbe iſt anders um Mittag, und ſo auch
der Sonne. Durch Lage, Ort und Entfernung erſcheint
Großes klein, Eckiges rund, Ebenes uneben; Gerades
erſcheint gebrochen, das Bleiche anders gefaͤrbt. Berge
erſcheinen von fern luftartig und glatt, in der Naͤhe
rauh; der nehmliche Koͤrper im ſchattigen Hain anders
als im Freyen; der Hals der Taube, je nachdem ſie
ihn wendet.


Plato.

Uebrigens giebt es noch eine vierte Art Empfindbares,
die wir abzuhandeln haben, welche aus vielen Man-
nigfaltigkeiten beſteht. Dieſe werden von uns ſaͤmmt-
lich Farben genannt, eine Flamme, die von jedem
Koͤrper ausfließt und ſolche Theile hat, die ſich zum
Sinn des Geſichts dergeſtalt verhalten, daß ſie von
ihm empfunden werden koͤnnen.

Was das Geſicht betrifft, von deſſen Urſprung
haben wir oben geredet, und nun ziemt es ſich auch die
Farben kuͤrzlich abzuhandeln.

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[8/0042] Pyrrhonier nach Diogenes Laertius. Nichts erſcheint rein und an ſich, ſondern mit Luft und Licht, mit Fluͤſſigem und Feſtem, mit Waͤrme und Kaͤlte, Bewegung, Verdunſtung und andern Ei- genſchaften. Der Purpur z. B. zeigt eine andre Farbe in der Sonne, eine andre bey Mond- und Lampenlicht. Unſre eigene Farbe iſt anders um Mittag, und ſo auch der Sonne. Durch Lage, Ort und Entfernung erſcheint Großes klein, Eckiges rund, Ebenes uneben; Gerades erſcheint gebrochen, das Bleiche anders gefaͤrbt. Berge erſcheinen von fern luftartig und glatt, in der Naͤhe rauh; der nehmliche Koͤrper im ſchattigen Hain anders als im Freyen; der Hals der Taube, je nachdem ſie ihn wendet. Plato. Uebrigens giebt es noch eine vierte Art Empfindbares, die wir abzuhandeln haben, welche aus vielen Man- nigfaltigkeiten beſteht. Dieſe werden von uns ſaͤmmt- lich Farben genannt, eine Flamme, die von jedem Koͤrper ausfließt und ſolche Theile hat, die ſich zum Sinn des Geſichts dergeſtalt verhalten, daß ſie von ihm empfunden werden koͤnnen. Was das Geſicht betrifft, von deſſen Urſprung haben wir oben geredet, und nun ziemt es ſich auch die Farben kuͤrzlich abzuhandeln.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/42>, abgerufen am 29.03.2024.