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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Aristoteles.

Anzunehmen, daß die blauen Augen feuerhaft
sind, wie Empedocles sagt, die schwarzen aber mehr
Wasser als Feuer haben und dieserwegen am Tage nicht
scharf sehen aus Mangel des Wassers, die andern aber
des Nachts aus Mangel des Feuers, ist irrig; sin-
temal nicht des Feuers das Auge ist, sondern des
Wassers. Außerdem läßt sich die Ursache der Farben
noch auf eine andre Weise angeben.


Wäre das Auge Feuer, wie Empedocles behauptet,
und im Timäus geschrieben steht, und geschähe das
Sehen, indem das Licht, wie aus einer Laterne, (aus
den Augen) herausgehe; warum in der Finsterniß sieht
nicht das Auge? Daß es ausgelöscht werde im Fin-
stern, wenn es herauskomme, wie der Timäus sagt,
ist durchaus nichtig. Denn was heißt Auslöschung des
Lichtes? Gelöscht wird im Nassen oder im Kalten das
Warme (Heiße) und Trockne; dergleichen in dem Koh-
lichten das Feuer zu seyn scheint und die Flamme. Keins
von beyden aber scheint dem Augenlicht zu Grunde zu
liegen. Lägen sie aber auch, und nur, wegen der We-
nigkeit, auf eine uns verborgne Weise; so müßte täg-
lich auch vom Wasser das Augenlicht ausgelöscht
werden, und im Frost zumeist müßte Finsterniß entstehen,
wie wenigstens mit der Flamme und brennenden Kör-
pern geschieht. Nun aber geschieht nichts dergleichen.

Ariſtoteles.

Anzunehmen, daß die blauen Augen feuerhaft
ſind, wie Empedocles ſagt, die ſchwarzen aber mehr
Waſſer als Feuer haben und dieſerwegen am Tage nicht
ſcharf ſehen aus Mangel des Waſſers, die andern aber
des Nachts aus Mangel des Feuers, iſt irrig; ſin-
temal nicht des Feuers das Auge iſt, ſondern des
Waſſers. Außerdem laͤßt ſich die Urſache der Farben
noch auf eine andre Weiſe angeben.


Waͤre das Auge Feuer, wie Empedocles behauptet,
und im Timaͤus geſchrieben ſteht, und geſchaͤhe das
Sehen, indem das Licht, wie aus einer Laterne, (aus
den Augen) herausgehe; warum in der Finſterniß ſieht
nicht das Auge? Daß es ausgeloͤſcht werde im Fin-
ſtern, wenn es herauskomme, wie der Timaͤus ſagt,
iſt durchaus nichtig. Denn was heißt Ausloͤſchung des
Lichtes? Geloͤſcht wird im Naſſen oder im Kalten das
Warme (Heiße) und Trockne; dergleichen in dem Koh-
lichten das Feuer zu ſeyn ſcheint und die Flamme. Keins
von beyden aber ſcheint dem Augenlicht zu Grunde zu
liegen. Laͤgen ſie aber auch, und nur, wegen der We-
nigkeit, auf eine uns verborgne Weiſe; ſo muͤßte taͤg-
lich auch vom Waſſer das Augenlicht ausgeloͤſcht
werden, und im Froſt zumeiſt muͤßte Finſterniß entſtehen,
wie wenigſtens mit der Flamme und brennenden Koͤr-
pern geſchieht. Nun aber geſchieht nichts dergleichen.

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[11/0045] Ariſtoteles. Anzunehmen, daß die blauen Augen feuerhaft ſind, wie Empedocles ſagt, die ſchwarzen aber mehr Waſſer als Feuer haben und dieſerwegen am Tage nicht ſcharf ſehen aus Mangel des Waſſers, die andern aber des Nachts aus Mangel des Feuers, iſt irrig; ſin- temal nicht des Feuers das Auge iſt, ſondern des Waſſers. Außerdem laͤßt ſich die Urſache der Farben noch auf eine andre Weiſe angeben. Waͤre das Auge Feuer, wie Empedocles behauptet, und im Timaͤus geſchrieben ſteht, und geſchaͤhe das Sehen, indem das Licht, wie aus einer Laterne, (aus den Augen) herausgehe; warum in der Finſterniß ſieht nicht das Auge? Daß es ausgeloͤſcht werde im Fin- ſtern, wenn es herauskomme, wie der Timaͤus ſagt, iſt durchaus nichtig. Denn was heißt Ausloͤſchung des Lichtes? Geloͤſcht wird im Naſſen oder im Kalten das Warme (Heiße) und Trockne; dergleichen in dem Koh- lichten das Feuer zu ſeyn ſcheint und die Flamme. Keins von beyden aber ſcheint dem Augenlicht zu Grunde zu liegen. Laͤgen ſie aber auch, und nur, wegen der We- nigkeit, auf eine uns verborgne Weiſe; ſo muͤßte taͤg- lich auch vom Waſſer das Augenlicht ausgeloͤſcht werden, und im Froſt zumeiſt muͤßte Finſterniß entſtehen, wie wenigſtens mit der Flamme und brennenden Koͤr- pern geſchieht. Nun aber geſchieht nichts dergleichen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/45>, abgerufen am 19.04.2024.