Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechzehntes Kapitel.

Als Mittler gekommen war, sich mit
Eduarden über die Sache zu unterhalten,
fand er ihn allein, den Kopf in die rechte
Hand gelehnt, den Arm auf den Tisch ge¬
stemmt. Er schien sehr zu leiden. Plagt
Ihr Kopfweh Sie wieder? fragte Mittler.
Es plagt mich, versetzte jener; und doch kann
ich es nicht hassen: denn es erinnert mich an
Ottilien. Vielleicht leidet auch sie jetzt, denk'
ich, auf ihren linken Arm gestützt, und leidet
wohl mehr als ich. Und warum soll ich es
nicht tragen, wie sie? Diese Schmerzen
sind mir heilsam, sind mir, ich kann beynah
sagen, wünschenswerth: denn nur mächtiger,
deutlicher, lebhafter schwebt mir das Bild

II. 19
Sechzehntes Kapitel.

Als Mittler gekommen war, ſich mit
Eduarden uͤber die Sache zu unterhalten,
fand er ihn allein, den Kopf in die rechte
Hand gelehnt, den Arm auf den Tiſch ge¬
ſtemmt. Er ſchien ſehr zu leiden. Plagt
Ihr Kopfweh Sie wieder? fragte Mittler.
Es plagt mich, verſetzte jener; und doch kann
ich es nicht haſſen: denn es erinnert mich an
Ottilien. Vielleicht leidet auch ſie jetzt, denk'
ich, auf ihren linken Arm geſtuͤtzt, und leidet
wohl mehr als ich. Und warum ſoll ich es
nicht tragen, wie ſie? Dieſe Schmerzen
ſind mir heilſam, ſind mir, ich kann beynah
ſagen, wuͤnſchenswerth: denn nur maͤchtiger,
deutlicher, lebhafter ſchwebt mir das Bild

II. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0292" n="[289]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Sechzehntes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Als Mittler gekommen war, &#x017F;ich mit<lb/>
Eduarden u&#x0364;ber die Sache zu unterhalten,<lb/>
fand er ihn allein, den Kopf in die rechte<lb/>
Hand gelehnt, den Arm auf den Ti&#x017F;ch ge¬<lb/>
&#x017F;temmt. Er &#x017F;chien &#x017F;ehr zu leiden. Plagt<lb/>
Ihr Kopfweh Sie wieder? fragte Mittler.<lb/>
Es plagt mich, ver&#x017F;etzte jener; und doch kann<lb/>
ich es nicht ha&#x017F;&#x017F;en: denn es erinnert mich an<lb/>
Ottilien. Vielleicht leidet auch &#x017F;ie jetzt, denk'<lb/>
ich, auf ihren linken Arm ge&#x017F;tu&#x0364;tzt, und leidet<lb/>
wohl mehr als ich. Und warum &#x017F;oll ich es<lb/>
nicht tragen, wie &#x017F;ie? Die&#x017F;e Schmerzen<lb/>
&#x017F;ind mir heil&#x017F;am, &#x017F;ind mir, ich kann beynah<lb/>
&#x017F;agen, wu&#x0364;n&#x017F;chenswerth: denn nur ma&#x0364;chtiger,<lb/>
deutlicher, lebhafter &#x017F;chwebt mir das Bild<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 19<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[289]/0292] Sechzehntes Kapitel. Als Mittler gekommen war, ſich mit Eduarden uͤber die Sache zu unterhalten, fand er ihn allein, den Kopf in die rechte Hand gelehnt, den Arm auf den Tiſch ge¬ ſtemmt. Er ſchien ſehr zu leiden. Plagt Ihr Kopfweh Sie wieder? fragte Mittler. Es plagt mich, verſetzte jener; und doch kann ich es nicht haſſen: denn es erinnert mich an Ottilien. Vielleicht leidet auch ſie jetzt, denk' ich, auf ihren linken Arm geſtuͤtzt, und leidet wohl mehr als ich. Und warum ſoll ich es nicht tragen, wie ſie? Dieſe Schmerzen ſind mir heilſam, ſind mir, ich kann beynah ſagen, wuͤnſchenswerth: denn nur maͤchtiger, deutlicher, lebhafter ſchwebt mir das Bild II. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/292
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. [289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/292>, abgerufen am 18.04.2024.