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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Viertes Kapitel.

Wie seltsam mußte, nach solchen Ereig¬
nissen, nach diesem aufgedrungenen Gefühl
von Vergänglichkeit und Hinschwinden, Ottilie
durch die Nachricht getroffen werden, die ihr
nicht länger verborgen bleiben konnte, daß
Eduard sich dem wechselnden Kriegsglück über¬
liefert habe. Es entging ihr leider keine von
den Betrachtungen, die sie dabey zu machen
Ursache hatte. Glücklicherweise kann der
Mensch nur einen gewissen Grad des Un¬
glücks fassen; was darüber hinausgeht ver¬
nichtet ihn oder läßt ihn gleichgültig. Es
giebt Lagen, in denen Furcht und Hoffnung
Eins werden, sich einander wechselseitig auf¬
heben und in eine dunkle Fühllosigkeit verlie¬
ren. Wie könnten wir sonst die entfernten

Viertes Kapitel.

Wie ſeltſam mußte, nach ſolchen Ereig¬
niſſen, nach dieſem aufgedrungenen Gefuͤhl
von Vergaͤnglichkeit und Hinſchwinden, Ottilie
durch die Nachricht getroffen werden, die ihr
nicht laͤnger verborgen bleiben konnte, daß
Eduard ſich dem wechſelnden Kriegsgluͤck uͤber¬
liefert habe. Es entging ihr leider keine von
den Betrachtungen, die ſie dabey zu machen
Urſache hatte. Gluͤcklicherweiſe kann der
Menſch nur einen gewiſſen Grad des Un¬
gluͤcks faſſen; was daruͤber hinausgeht ver¬
nichtet ihn oder laͤßt ihn gleichguͤltig. Es
giebt Lagen, in denen Furcht und Hoffnung
Eins werden, ſich einander wechſelſeitig auf¬
heben und in eine dunkle Fuͤhlloſigkeit verlie¬
ren. Wie koͤnnten wir ſonſt die entfernten

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[[46]/0049] Viertes Kapitel. Wie ſeltſam mußte, nach ſolchen Ereig¬ niſſen, nach dieſem aufgedrungenen Gefuͤhl von Vergaͤnglichkeit und Hinſchwinden, Ottilie durch die Nachricht getroffen werden, die ihr nicht laͤnger verborgen bleiben konnte, daß Eduard ſich dem wechſelnden Kriegsgluͤck uͤber¬ liefert habe. Es entging ihr leider keine von den Betrachtungen, die ſie dabey zu machen Urſache hatte. Gluͤcklicherweiſe kann der Menſch nur einen gewiſſen Grad des Un¬ gluͤcks faſſen; was daruͤber hinausgeht ver¬ nichtet ihn oder laͤßt ihn gleichguͤltig. Es giebt Lagen, in denen Furcht und Hoffnung Eins werden, ſich einander wechſelſeitig auf¬ heben und in eine dunkle Fuͤhlloſigkeit verlie¬ ren. Wie koͤnnten wir ſonſt die entfernten

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. [46]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/49>, abgerufen am 18.04.2024.