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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zur großen Familie der Civilisirtcn gehören, sich leicht ganz heimisch
fühlen im Hamburger Familienleben. Und wer gar keine Lust em¬
pfindet, cinzuschlüpfen in diesen gemüthlichen Zwinger, ihm bietet sich
hundertfache Entschädigung draußen auf dem Markte des allgemeinen
Amüsements. Die Segnungen des Brandes springen immer mehr in
die Augen. Das schafft, das strebt, das speculirt und concurrirt!
Alle Kräfte sind in regeren Wettkampfe, durch alle Adern jagt das
Blut lebendiger, Alles tummelt sich rüstig und wohlgemuth in und
mit der neuen Zeit. Wir dehnen uns aus, wir wachsen in Höhe und
Breite, wir haben erst vor wenigen Tagen ganz entrüstet gegen den
irgend einem Philisterherzen entsprungenen Vorschlag geeifert, das Bür¬
gerwerden der Fremden in Hamburg zu beschränken. Es wäre in
der That die colossalste Versündigung gegen Mit- und Nachwelt,
welche begangen werden könnte. Hamburg wurde ein Riese des deut¬
schen Handels, des Welthandels überhaupt, nicht blos durch seine
vortheilhafte Flußlage, durch seinen prächtigen Hafen, durch das Weit¬
ausgreifende seiner Verbindungen -- Alles das konnte auch mancher
Punkt in unserer Nähe sich erwerben und besitzt es theilweise --
nein, Hamburg ward reich, groß und gewaltig durch die gesunde Klug¬
heit, mit der es die Säfte des kleinen, doch vom ersten Werden an
robusten Körpers mit frischem Lebensäther zu durchsättigen, sie vor
allem Stocken und Vertrocknen zu bewahren wußte. Die Rechte ei¬
nes Hamburger Kleinbürgers sind für eine erstaunlich geringe Summe,
die eines Großbürgers, dem ein Vankokonto und andere Befugnisse
zustehen, für dreihundert Thaler preußisch Courant zu erlangen. Welch
ein Sporn für die commercielle Tüchtigkeit ohne Heimath, welch ein
Anreiz für den Deutschen, der sich vielleicht hoffnungslos von seiner
Geburtsscholle losgerissen, oder engherzig von ihr verdrängt ward, seine
Hütte zu bauen auf dem gastlichen republicanischen Boden, die Saa¬
ten seiner Sttcbelust ihm anzuvertrauen und das Schifflein seines
Glückes in ein Fahrwass.r zu lenken, wo jede Flagge ein National-
recht hat, wo jeder Segler Anker werfen darf, wenn nur kein Schimpf
an ihm klebt. Daß für die Vekenner des jüdischen Glaubens in al¬
len diesen Beziehungen die Ausnahmsgesetze noch immer in Kraft sind,
wird für Ihre Leser keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Wie
viele Orte gäbe es auch wohl in Deutschland, wo der Jude die Lust
eines und desselben Rechtes mit seinen christlichen Brüdern einathmete,
auf dem Boden gleicher Privilegien mit ihnen wandeln dürfte? Bei
diesem Hinblicke vom Großherzigen zur kleinlichen Beschränktheit, vom
Ruhmeswerthen zum Verwerflichen, kommt mir das Project eines
jetzt in Hull ansässigen Hamburger Jsraeliten -- Abraham Bauer
heißt der Mann -- in's Gedächtniß, welches gegenwärtig hier ein
wüthiges Aufsehen erregt. Dieser Bauer laßt Actien zeichnen zum
Behuf einer großartigen und regelmäßigen Dampfschifffahrt zwischen


zur großen Familie der Civilisirtcn gehören, sich leicht ganz heimisch
fühlen im Hamburger Familienleben. Und wer gar keine Lust em¬
pfindet, cinzuschlüpfen in diesen gemüthlichen Zwinger, ihm bietet sich
hundertfache Entschädigung draußen auf dem Markte des allgemeinen
Amüsements. Die Segnungen des Brandes springen immer mehr in
die Augen. Das schafft, das strebt, das speculirt und concurrirt!
Alle Kräfte sind in regeren Wettkampfe, durch alle Adern jagt das
Blut lebendiger, Alles tummelt sich rüstig und wohlgemuth in und
mit der neuen Zeit. Wir dehnen uns aus, wir wachsen in Höhe und
Breite, wir haben erst vor wenigen Tagen ganz entrüstet gegen den
irgend einem Philisterherzen entsprungenen Vorschlag geeifert, das Bür¬
gerwerden der Fremden in Hamburg zu beschränken. Es wäre in
der That die colossalste Versündigung gegen Mit- und Nachwelt,
welche begangen werden könnte. Hamburg wurde ein Riese des deut¬
schen Handels, des Welthandels überhaupt, nicht blos durch seine
vortheilhafte Flußlage, durch seinen prächtigen Hafen, durch das Weit¬
ausgreifende seiner Verbindungen — Alles das konnte auch mancher
Punkt in unserer Nähe sich erwerben und besitzt es theilweise —
nein, Hamburg ward reich, groß und gewaltig durch die gesunde Klug¬
heit, mit der es die Säfte des kleinen, doch vom ersten Werden an
robusten Körpers mit frischem Lebensäther zu durchsättigen, sie vor
allem Stocken und Vertrocknen zu bewahren wußte. Die Rechte ei¬
nes Hamburger Kleinbürgers sind für eine erstaunlich geringe Summe,
die eines Großbürgers, dem ein Vankokonto und andere Befugnisse
zustehen, für dreihundert Thaler preußisch Courant zu erlangen. Welch
ein Sporn für die commercielle Tüchtigkeit ohne Heimath, welch ein
Anreiz für den Deutschen, der sich vielleicht hoffnungslos von seiner
Geburtsscholle losgerissen, oder engherzig von ihr verdrängt ward, seine
Hütte zu bauen auf dem gastlichen republicanischen Boden, die Saa¬
ten seiner Sttcbelust ihm anzuvertrauen und das Schifflein seines
Glückes in ein Fahrwass.r zu lenken, wo jede Flagge ein National-
recht hat, wo jeder Segler Anker werfen darf, wenn nur kein Schimpf
an ihm klebt. Daß für die Vekenner des jüdischen Glaubens in al¬
len diesen Beziehungen die Ausnahmsgesetze noch immer in Kraft sind,
wird für Ihre Leser keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Wie
viele Orte gäbe es auch wohl in Deutschland, wo der Jude die Lust
eines und desselben Rechtes mit seinen christlichen Brüdern einathmete,
auf dem Boden gleicher Privilegien mit ihnen wandeln dürfte? Bei
diesem Hinblicke vom Großherzigen zur kleinlichen Beschränktheit, vom
Ruhmeswerthen zum Verwerflichen, kommt mir das Project eines
jetzt in Hull ansässigen Hamburger Jsraeliten — Abraham Bauer
heißt der Mann — in's Gedächtniß, welches gegenwärtig hier ein
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Behuf einer großartigen und regelmäßigen Dampfschifffahrt zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/334>, abgerufen am 19.04.2024.