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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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rien lang an der Agramer Akademie die Jmre'sche "Philosophie" lehrte, stehen
soll: ihr Haß gegen Hegel geht so weit, daß sie jeden geistig strebsamen Mann,
der nicht in ihre Kotterie gehört, aufs gröbste zu beschimpfen meinen, wenn sie
ihn einen "Hegelianer" nennen. Das alte Sprüchlein: "Sxissg. tenet eroalgL
septvlli as moiilidus umbrg" hat von seiner Wahrheit noch heute nichts ver¬
loren, und mit der Einfalt geht die Arroganz auch hier Hand in Hand. Daß
bei solchen CultnrverlMuissen an eine wissenschaftliche Literatur uicht zu denken
sei, bedarf keines Beweises, will man aber einen Beweis haben, so möge dafür
die Thatsache dienen, daß die gesammte illyrische Literatur bis zur Stunde kein
einziges wissenschaftliches Werk hervorgebracht hat.

Die serbische Regierung hat diese wissenschaftliche Barbarei Oestreichs am leb¬
haftesten gefühlt, als sie in Belgrad ein Lyceum begründen wollte und keine Lehrer
dafür finden konnte. Man muß es ihr Dank wissen, daß sie den Gedanken faßte,
talentvolle Jünglinge aus der Heimath auf Staatskosten an deutsche und französi-
sche Hochschulen zu schicken, damit sie sich zu Lehrern tüchtig heranbilden könnten.
In der That wurden viele Serben in Halle und Berlin, in Heidelberg, Brüssel und
Paris zu Juristen, Cameralisten und Philologen gebildet und mehre derselben stehen
bereits dem Belgrader Lyceum als Professoren vor. Es sind Männer von Talent
und Fleiß darunter, voll Liebe für ihr Volk und von dem besten Willen, das,
was sie erlernt, für das Wohl ihrer Brüder zu verwenden. serbische Lehr¬
bücher, wie ein "Handbuch der Finanzwissenschaft" vou Prof. Znkitsch, eine
"Theorie des römischen Civilrechts" und "Lehrbuch des Civilprocesses" von Prof.
Matitsch, sind sehr verdienstliche Leistungen, um so mehr, als für alle diese Fächer
eine ganz neue wissenschaftliche Sprache geschaffen werden mußte. Auf diesen
jugendlichen Lehrern beruht ein großer Theil unserer Hoffnungen für Humanität,
wissenschaftliche Bildung und sittlichen Fortschritt des serbischen Volkes. Wie ick)
sie kenne, wird diese Hoffnung nicht getäuscht werden.

In Kroatien steht das Studienwesen leider noch immer auf derselben Stufe
wie früher, obwohl -- oder richtiger gesagt, weil dies arme Land während der
zweijährigen Herrschaft der illyrischen Literaten bei der damaligen Landesregierung
eine "Volksanfklärungösection" besaß, in welcher viel geschwatzt, aber sür's Volk
und sür's Unterrichtswesen nichts gethan wurde. Der "Südslavischen Zeitung"
gebührt das Lob, daß sie diese "Volksaufklärer" noch zur Zeit ihrer Herrschaft
entlarvte und ihre totale Unfähigkeit muthig und siegreich nachwies. Die im
übrigen Oestreich begonnene Studienreform kann in Kroatien nicht durchdringen;
die wenigen fähigen Männer, welche als Lehrer etwas leisten könnten, werden
vom Lehramte ferngehalten, weil ihre nationale und philosophische Orthodoxie in
Zweifel gezogen wird und die gemeine Mittelmäßigkeit über ihren Dogmen,
oder wenn man will, Mythologie, mit Feuer und Schwert wacht. Von dieser
Seite her ist für Kroatien wahrhaftig kein Heil zu erwarten, und wie die Sachen


rien lang an der Agramer Akademie die Jmre'sche „Philosophie" lehrte, stehen
soll: ihr Haß gegen Hegel geht so weit, daß sie jeden geistig strebsamen Mann,
der nicht in ihre Kotterie gehört, aufs gröbste zu beschimpfen meinen, wenn sie
ihn einen „Hegelianer" nennen. Das alte Sprüchlein: „Sxissg. tenet eroalgL
septvlli as moiilidus umbrg" hat von seiner Wahrheit noch heute nichts ver¬
loren, und mit der Einfalt geht die Arroganz auch hier Hand in Hand. Daß
bei solchen CultnrverlMuissen an eine wissenschaftliche Literatur uicht zu denken
sei, bedarf keines Beweises, will man aber einen Beweis haben, so möge dafür
die Thatsache dienen, daß die gesammte illyrische Literatur bis zur Stunde kein
einziges wissenschaftliches Werk hervorgebracht hat.

Die serbische Regierung hat diese wissenschaftliche Barbarei Oestreichs am leb¬
haftesten gefühlt, als sie in Belgrad ein Lyceum begründen wollte und keine Lehrer
dafür finden konnte. Man muß es ihr Dank wissen, daß sie den Gedanken faßte,
talentvolle Jünglinge aus der Heimath auf Staatskosten an deutsche und französi-
sche Hochschulen zu schicken, damit sie sich zu Lehrern tüchtig heranbilden könnten.
In der That wurden viele Serben in Halle und Berlin, in Heidelberg, Brüssel und
Paris zu Juristen, Cameralisten und Philologen gebildet und mehre derselben stehen
bereits dem Belgrader Lyceum als Professoren vor. Es sind Männer von Talent
und Fleiß darunter, voll Liebe für ihr Volk und von dem besten Willen, das,
was sie erlernt, für das Wohl ihrer Brüder zu verwenden. serbische Lehr¬
bücher, wie ein „Handbuch der Finanzwissenschaft" vou Prof. Znkitsch, eine
„Theorie des römischen Civilrechts" und „Lehrbuch des Civilprocesses" von Prof.
Matitsch, sind sehr verdienstliche Leistungen, um so mehr, als für alle diese Fächer
eine ganz neue wissenschaftliche Sprache geschaffen werden mußte. Auf diesen
jugendlichen Lehrern beruht ein großer Theil unserer Hoffnungen für Humanität,
wissenschaftliche Bildung und sittlichen Fortschritt des serbischen Volkes. Wie ick)
sie kenne, wird diese Hoffnung nicht getäuscht werden.

In Kroatien steht das Studienwesen leider noch immer auf derselben Stufe
wie früher, obwohl — oder richtiger gesagt, weil dies arme Land während der
zweijährigen Herrschaft der illyrischen Literaten bei der damaligen Landesregierung
eine „Volksanfklärungösection" besaß, in welcher viel geschwatzt, aber sür's Volk
und sür's Unterrichtswesen nichts gethan wurde. Der „Südslavischen Zeitung"
gebührt das Lob, daß sie diese „Volksaufklärer" noch zur Zeit ihrer Herrschaft
entlarvte und ihre totale Unfähigkeit muthig und siegreich nachwies. Die im
übrigen Oestreich begonnene Studienreform kann in Kroatien nicht durchdringen;
die wenigen fähigen Männer, welche als Lehrer etwas leisten könnten, werden
vom Lehramte ferngehalten, weil ihre nationale und philosophische Orthodoxie in
Zweifel gezogen wird und die gemeine Mittelmäßigkeit über ihren Dogmen,
oder wenn man will, Mythologie, mit Feuer und Schwert wacht. Von dieser
Seite her ist für Kroatien wahrhaftig kein Heil zu erwarten, und wie die Sachen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/432>, abgerufen am 19.04.2024.