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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Fortschrittlicher ZVahlschwindel.

ihrer Erhaltung opfert sie alles andre, dahin zielen alle ihre Schritte und Wege.
So in der Frage der Zölle und Steuern, so in der Angelegenheit der Ver¬
staatlichung der Eisenbahnen, deren Austrag beiläufig vortreffliche Resultate ge¬
liefert hat, und mit deren Lösung auch das Publicum alle Ursache hat, zufrieden
zu sein, so, um andres unerwähnt zu lassei,, in der Sache der Einbeziehung der
Hansestädte in den Zollverband des Reiches, wo die Partei ganz entschieden
particularistisch auftrat, wie sie denn überhaupt in den letzten Jahren dem Par-
ticularismus vielfach geschmeichelt und in dessen Lager Anhänger zu gewinnen
versucht hat.

Mit einem Worte: in der ganzen Reichsgeschichte hat die Fortschrittspartei
die Rolle des itävooaws ämboli gespielt, statt, wie sie sich rühmt, die nationale
Entwicklung gefördert zu haben, derselben Steine in den Weg zu legen und in
die Speichen zu greifen versucht und dabei mit allerlei Schein und Unwahrheit
hantiert. Nicht die Liebe zum Vaterlande, sondern der Haß gegen den Mann,
der es gegen ihren Willen und ihr Programm groß gemacht, war ihr bei allem,
was sie dachte und that, Leitstern. Aber wenn sie als aävooaws Ziadoli sprach
und handelte, so war "ihr Teufel nur ein Sprühteufel", und auf die Dauer
wird sie mit ihrer unwahren Art nicht lange mehr Geschäfte machen. "In
Deutschland haben die Lügen kurze Beine, und für immer lassen sich die Deutschen
den Kopf nicht mit Rabulisterei verdrehen."

Die Fortschrittspartei hat bei den Wahlen der letzten beiden Jahrzehnte er¬
hebliche Einbußen an Mandaten gehabt. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß
sie bei den nächsten einige Sitze gewinnt; denn sie ist rührig gewesen lind schon
seit geraunter Zeit mit der Wahlagitation vorgegangen, während die Mittel¬
parteien sich wohl zu sehr als dha,ti xossiäöntss fühlten, denen es nicht fehlen
könne. Die Fortschrittspartei wird in Berlin sicherlich ihre Candidaten wieder
durchbringen, wenn auch vermuthlich gegen stärkere Minoritäten; denn nicht
wenige haben sich von den letzten Reden des Kanzlers über den Klüngel,
der die Reichshauptstadt beherrscht und für seine Zwecke ausbeutet, die Angen
öffnen lassen. Die Partei der Herren Richter, Löwe und Compagnie wird
diesmal vielleicht auch in andern großen Städten Wahlsiege erfechte". Aber
die Konservativen werden voraussichtlich ebenfalls solche Siege gewinnen, und
so dürfen wir von dem zukünftigen Reichstage mindestens nichts schlimmeres
erwarten, als die Zusammensetzung des letzten bot, und ein etwa nothwendig
werdender anderer würde sicher besser werden. Denn darüber mögen sich die
Wähler und die, welche sie als Vertreter abzusenden gedenken, keiner Täuschung
hingeben: die Regierung wird es diesmal nicht ruhig mit ansehen, wenn ihre
Pläne, wenn namentlich diejenigen ihrer Pläne, die man als Staatssocialismus
bezeichnet hat, am Widerstreben der Opposition scheitern sollten. Sie wird
dann auflösen und an die Nation appelliren. Dieser Staatssocialismus ist das
"Praktische Christenthum, Mitleid, hilfreiche Hand, wo noth ist. Der, welcher


Fortschrittlicher ZVahlschwindel.

ihrer Erhaltung opfert sie alles andre, dahin zielen alle ihre Schritte und Wege.
So in der Frage der Zölle und Steuern, so in der Angelegenheit der Ver¬
staatlichung der Eisenbahnen, deren Austrag beiläufig vortreffliche Resultate ge¬
liefert hat, und mit deren Lösung auch das Publicum alle Ursache hat, zufrieden
zu sein, so, um andres unerwähnt zu lassei,, in der Sache der Einbeziehung der
Hansestädte in den Zollverband des Reiches, wo die Partei ganz entschieden
particularistisch auftrat, wie sie denn überhaupt in den letzten Jahren dem Par-
ticularismus vielfach geschmeichelt und in dessen Lager Anhänger zu gewinnen
versucht hat.

Mit einem Worte: in der ganzen Reichsgeschichte hat die Fortschrittspartei
die Rolle des itävooaws ämboli gespielt, statt, wie sie sich rühmt, die nationale
Entwicklung gefördert zu haben, derselben Steine in den Weg zu legen und in
die Speichen zu greifen versucht und dabei mit allerlei Schein und Unwahrheit
hantiert. Nicht die Liebe zum Vaterlande, sondern der Haß gegen den Mann,
der es gegen ihren Willen und ihr Programm groß gemacht, war ihr bei allem,
was sie dachte und that, Leitstern. Aber wenn sie als aävooaws Ziadoli sprach
und handelte, so war „ihr Teufel nur ein Sprühteufel", und auf die Dauer
wird sie mit ihrer unwahren Art nicht lange mehr Geschäfte machen. „In
Deutschland haben die Lügen kurze Beine, und für immer lassen sich die Deutschen
den Kopf nicht mit Rabulisterei verdrehen."

Die Fortschrittspartei hat bei den Wahlen der letzten beiden Jahrzehnte er¬
hebliche Einbußen an Mandaten gehabt. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß
sie bei den nächsten einige Sitze gewinnt; denn sie ist rührig gewesen lind schon
seit geraunter Zeit mit der Wahlagitation vorgegangen, während die Mittel¬
parteien sich wohl zu sehr als dha,ti xossiäöntss fühlten, denen es nicht fehlen
könne. Die Fortschrittspartei wird in Berlin sicherlich ihre Candidaten wieder
durchbringen, wenn auch vermuthlich gegen stärkere Minoritäten; denn nicht
wenige haben sich von den letzten Reden des Kanzlers über den Klüngel,
der die Reichshauptstadt beherrscht und für seine Zwecke ausbeutet, die Angen
öffnen lassen. Die Partei der Herren Richter, Löwe und Compagnie wird
diesmal vielleicht auch in andern großen Städten Wahlsiege erfechte». Aber
die Konservativen werden voraussichtlich ebenfalls solche Siege gewinnen, und
so dürfen wir von dem zukünftigen Reichstage mindestens nichts schlimmeres
erwarten, als die Zusammensetzung des letzten bot, und ein etwa nothwendig
werdender anderer würde sicher besser werden. Denn darüber mögen sich die
Wähler und die, welche sie als Vertreter abzusenden gedenken, keiner Täuschung
hingeben: die Regierung wird es diesmal nicht ruhig mit ansehen, wenn ihre
Pläne, wenn namentlich diejenigen ihrer Pläne, die man als Staatssocialismus
bezeichnet hat, am Widerstreben der Opposition scheitern sollten. Sie wird
dann auflösen und an die Nation appelliren. Dieser Staatssocialismus ist das
„Praktische Christenthum, Mitleid, hilfreiche Hand, wo noth ist. Der, welcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/95>, abgerufen am 18.04.2024.