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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

alten Hamburgers, der nach dem Andante in der Q-moll aufstand und wegwerfend
mit den Fingern schnippend sagte: nicht für ne Lnggedohr möchte er das langsame
Sßtück noch einmal hören! Der Mann hatte schließlich ganz recht; es ist nicht alles
für jeden. Das "Bringt dat Solen tom Swienmarkt hen, hau, hau, hau" hatte
er vielleicht als Junge mit Wonne initgesungen. Es war nur ein Irrtum, daß er
annahm, die bürgerliche Stellung, die er sich durch den erworbnen Reichtum er¬
rungen hatte, verpflichte ihn, seinen Platz in den Philharmonischen Konzerten ein¬
zunehmen. Es ist gewiß auch für manchen unsrer Konzertbesucher eine Arbeit,
das Programm abzusitzen. Aber nodlssss oblige. Man ist übrigens jetzt auch mehr
für allerhand Geschmack und Geschmacklosigkeit zu sorgen bemüht; für Abwechslung
ist jedenfalls gesorgt. Ich gestehe Ihnen, ich bewundre Ihren Magen!

Ich finde, lieber Freund, sagte ich, man muß sich doch eine gewisse Frische
der Rezeptionsfähigkeit bewahren. Man muß sich aus dem Banne der Gewohnheit
und ererbter Anschauungen befreien können; man muß dem Neuen, das uns ent¬
gegentritt, den guten Willen, es zu begreifen und es gerecht zu würdigen, entgegen¬
bringen.

Hin! sagte er.

Weiter thue ich nichts, und weiter verlange ich nichts, fuhr ich fort. Ich habe
ja schon bemerkt, vorhin, als Sie mir nicht zuhörten, daß ich auch bei diesem guten
Willen der neuen Musik uicht durchaus zu folgen vermöchte, aber ich sage mir
dann, daß das vielleicht nicht an der modernen Musik, sondern an mir liegen könnte.
Ich sehe doch, wie sie titanenhaft das Haupt erhebt und siegreich durch die Welt --

Der Narren schreitet! unterbrach er mich so brüsk, daß ich zusammenfuhr.
Mein Lieber, das nenne ich Subalternenstandpunkt. Ich will Ihnen sagen, was
man "muß." Mau muß sich klar darüber sein, was Musik ist. Man muß Em¬
pfindung für die Tiefen und die Höhen wahrer Kunst haben, man muß sich der
Grenzen der Kunst bewußt sein und darf es nicht ertragen können, wenn sie verletzt
werden. Mau muß klare Einsicht in das Wesen der Kunst haben und Gefühl
für das Maß des Materiellen, dessen sie für den Ausdruck dieses Wesens bedarf.
Man muß deu Gedankenwelt und die Form auseinanderhalten und abschätzen
können. Das ist bei allen Künsten so. Wer das hat und kann, der steht keine:"
Neuen ratlos gegenüber wie -- na! Geben denn die Formen der Neuen dem
Nüsse zu knacken, der die Formen der Alten zu verstehn gelernt hat? Nein, mein
Lieber; Häufung von Äußerlichkeiten, Raffinement in Kontrasten und Wühlen in
Phrasen und Figuren, betäubender Lärm helfen nicht über die Ärmlichkeit des
Inhalts weg und täuschen kein empfindliches Ohr. Und dann, wer ein eignes Urteil,
Verständnis für das wahrhaft Schöne und Natürliche, also Kunstsinn und Geschmack
hat, den rühren auch das Gelärm der Clique und Claque, die Reklame und der
bewußte oder unbewußte Handwerksschwindel nicht. Die handwerksmäßige Aus¬
übung stumpft bei der Musik vielleicht noch mehr ab, als bei irgend einer andern
Kunst. Ein großer Teil der Musiker ist für alles Neue zu haben, nur weil es
einmal etwas andres ist. Ich kann mir das sehr wohl denken, denn ich sehe es
auch auf andern Gebieten, daß sogar die gelehrtesten Ästhetiker anf die dümmsten
Moden hineinfallen, obgleich "Moden" von geistlosen und ungebildeten Stümpern
und Narren gemacht zu werden pflegen, für die entsprechende Menge. Und nun
vollends in der Musik, wo das Ungebildetsein gewissermaßen zum Handwerk zu
gehören scheint. Sie brauchen mich nicht zu unterbrechen; ich weiß es sehr wohl,
daß es auch feingebildete und sogar gelehrte Musiker giebt, oder Gelehrte unter
den Musikern, und daß ein wahrer Künstler immer ein gebildeter Mann sein muß.
Aber ich rede ebeu von den Leuten, die die Sache zu einem Handwerk macheu,
von dem Gros, und auch da meine ich nicht alle, die wie Handwerker aussehen.
Es sitzt mancher feine Musiker und Mensch in den Orchestern an einer bescheidnen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

alten Hamburgers, der nach dem Andante in der Q-moll aufstand und wegwerfend
mit den Fingern schnippend sagte: nicht für ne Lnggedohr möchte er das langsame
Sßtück noch einmal hören! Der Mann hatte schließlich ganz recht; es ist nicht alles
für jeden. Das „Bringt dat Solen tom Swienmarkt hen, hau, hau, hau" hatte
er vielleicht als Junge mit Wonne initgesungen. Es war nur ein Irrtum, daß er
annahm, die bürgerliche Stellung, die er sich durch den erworbnen Reichtum er¬
rungen hatte, verpflichte ihn, seinen Platz in den Philharmonischen Konzerten ein¬
zunehmen. Es ist gewiß auch für manchen unsrer Konzertbesucher eine Arbeit,
das Programm abzusitzen. Aber nodlssss oblige. Man ist übrigens jetzt auch mehr
für allerhand Geschmack und Geschmacklosigkeit zu sorgen bemüht; für Abwechslung
ist jedenfalls gesorgt. Ich gestehe Ihnen, ich bewundre Ihren Magen!

Ich finde, lieber Freund, sagte ich, man muß sich doch eine gewisse Frische
der Rezeptionsfähigkeit bewahren. Man muß sich aus dem Banne der Gewohnheit
und ererbter Anschauungen befreien können; man muß dem Neuen, das uns ent¬
gegentritt, den guten Willen, es zu begreifen und es gerecht zu würdigen, entgegen¬
bringen.

Hin! sagte er.

Weiter thue ich nichts, und weiter verlange ich nichts, fuhr ich fort. Ich habe
ja schon bemerkt, vorhin, als Sie mir nicht zuhörten, daß ich auch bei diesem guten
Willen der neuen Musik uicht durchaus zu folgen vermöchte, aber ich sage mir
dann, daß das vielleicht nicht an der modernen Musik, sondern an mir liegen könnte.
Ich sehe doch, wie sie titanenhaft das Haupt erhebt und siegreich durch die Welt —

Der Narren schreitet! unterbrach er mich so brüsk, daß ich zusammenfuhr.
Mein Lieber, das nenne ich Subalternenstandpunkt. Ich will Ihnen sagen, was
man „muß." Mau muß sich klar darüber sein, was Musik ist. Man muß Em¬
pfindung für die Tiefen und die Höhen wahrer Kunst haben, man muß sich der
Grenzen der Kunst bewußt sein und darf es nicht ertragen können, wenn sie verletzt
werden. Mau muß klare Einsicht in das Wesen der Kunst haben und Gefühl
für das Maß des Materiellen, dessen sie für den Ausdruck dieses Wesens bedarf.
Man muß deu Gedankenwelt und die Form auseinanderhalten und abschätzen
können. Das ist bei allen Künsten so. Wer das hat und kann, der steht keine:»
Neuen ratlos gegenüber wie — na! Geben denn die Formen der Neuen dem
Nüsse zu knacken, der die Formen der Alten zu verstehn gelernt hat? Nein, mein
Lieber; Häufung von Äußerlichkeiten, Raffinement in Kontrasten und Wühlen in
Phrasen und Figuren, betäubender Lärm helfen nicht über die Ärmlichkeit des
Inhalts weg und täuschen kein empfindliches Ohr. Und dann, wer ein eignes Urteil,
Verständnis für das wahrhaft Schöne und Natürliche, also Kunstsinn und Geschmack
hat, den rühren auch das Gelärm der Clique und Claque, die Reklame und der
bewußte oder unbewußte Handwerksschwindel nicht. Die handwerksmäßige Aus¬
übung stumpft bei der Musik vielleicht noch mehr ab, als bei irgend einer andern
Kunst. Ein großer Teil der Musiker ist für alles Neue zu haben, nur weil es
einmal etwas andres ist. Ich kann mir das sehr wohl denken, denn ich sehe es
auch auf andern Gebieten, daß sogar die gelehrtesten Ästhetiker anf die dümmsten
Moden hineinfallen, obgleich „Moden" von geistlosen und ungebildeten Stümpern
und Narren gemacht zu werden pflegen, für die entsprechende Menge. Und nun
vollends in der Musik, wo das Ungebildetsein gewissermaßen zum Handwerk zu
gehören scheint. Sie brauchen mich nicht zu unterbrechen; ich weiß es sehr wohl,
daß es auch feingebildete und sogar gelehrte Musiker giebt, oder Gelehrte unter
den Musikern, und daß ein wahrer Künstler immer ein gebildeter Mann sein muß.
Aber ich rede ebeu von den Leuten, die die Sache zu einem Handwerk macheu,
von dem Gros, und auch da meine ich nicht alle, die wie Handwerker aussehen.
Es sitzt mancher feine Musiker und Mensch in den Orchestern an einer bescheidnen


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[0420] Maßgebliches und Unmaßgebliches alten Hamburgers, der nach dem Andante in der Q-moll aufstand und wegwerfend mit den Fingern schnippend sagte: nicht für ne Lnggedohr möchte er das langsame Sßtück noch einmal hören! Der Mann hatte schließlich ganz recht; es ist nicht alles für jeden. Das „Bringt dat Solen tom Swienmarkt hen, hau, hau, hau" hatte er vielleicht als Junge mit Wonne initgesungen. Es war nur ein Irrtum, daß er annahm, die bürgerliche Stellung, die er sich durch den erworbnen Reichtum er¬ rungen hatte, verpflichte ihn, seinen Platz in den Philharmonischen Konzerten ein¬ zunehmen. Es ist gewiß auch für manchen unsrer Konzertbesucher eine Arbeit, das Programm abzusitzen. Aber nodlssss oblige. Man ist übrigens jetzt auch mehr für allerhand Geschmack und Geschmacklosigkeit zu sorgen bemüht; für Abwechslung ist jedenfalls gesorgt. Ich gestehe Ihnen, ich bewundre Ihren Magen! Ich finde, lieber Freund, sagte ich, man muß sich doch eine gewisse Frische der Rezeptionsfähigkeit bewahren. Man muß sich aus dem Banne der Gewohnheit und ererbter Anschauungen befreien können; man muß dem Neuen, das uns ent¬ gegentritt, den guten Willen, es zu begreifen und es gerecht zu würdigen, entgegen¬ bringen. Hin! sagte er. Weiter thue ich nichts, und weiter verlange ich nichts, fuhr ich fort. Ich habe ja schon bemerkt, vorhin, als Sie mir nicht zuhörten, daß ich auch bei diesem guten Willen der neuen Musik uicht durchaus zu folgen vermöchte, aber ich sage mir dann, daß das vielleicht nicht an der modernen Musik, sondern an mir liegen könnte. Ich sehe doch, wie sie titanenhaft das Haupt erhebt und siegreich durch die Welt — Der Narren schreitet! unterbrach er mich so brüsk, daß ich zusammenfuhr. Mein Lieber, das nenne ich Subalternenstandpunkt. Ich will Ihnen sagen, was man „muß." Mau muß sich klar darüber sein, was Musik ist. Man muß Em¬ pfindung für die Tiefen und die Höhen wahrer Kunst haben, man muß sich der Grenzen der Kunst bewußt sein und darf es nicht ertragen können, wenn sie verletzt werden. Mau muß klare Einsicht in das Wesen der Kunst haben und Gefühl für das Maß des Materiellen, dessen sie für den Ausdruck dieses Wesens bedarf. Man muß deu Gedankenwelt und die Form auseinanderhalten und abschätzen können. Das ist bei allen Künsten so. Wer das hat und kann, der steht keine:» Neuen ratlos gegenüber wie — na! Geben denn die Formen der Neuen dem Nüsse zu knacken, der die Formen der Alten zu verstehn gelernt hat? Nein, mein Lieber; Häufung von Äußerlichkeiten, Raffinement in Kontrasten und Wühlen in Phrasen und Figuren, betäubender Lärm helfen nicht über die Ärmlichkeit des Inhalts weg und täuschen kein empfindliches Ohr. Und dann, wer ein eignes Urteil, Verständnis für das wahrhaft Schöne und Natürliche, also Kunstsinn und Geschmack hat, den rühren auch das Gelärm der Clique und Claque, die Reklame und der bewußte oder unbewußte Handwerksschwindel nicht. Die handwerksmäßige Aus¬ übung stumpft bei der Musik vielleicht noch mehr ab, als bei irgend einer andern Kunst. Ein großer Teil der Musiker ist für alles Neue zu haben, nur weil es einmal etwas andres ist. Ich kann mir das sehr wohl denken, denn ich sehe es auch auf andern Gebieten, daß sogar die gelehrtesten Ästhetiker anf die dümmsten Moden hineinfallen, obgleich „Moden" von geistlosen und ungebildeten Stümpern und Narren gemacht zu werden pflegen, für die entsprechende Menge. Und nun vollends in der Musik, wo das Ungebildetsein gewissermaßen zum Handwerk zu gehören scheint. Sie brauchen mich nicht zu unterbrechen; ich weiß es sehr wohl, daß es auch feingebildete und sogar gelehrte Musiker giebt, oder Gelehrte unter den Musikern, und daß ein wahrer Künstler immer ein gebildeter Mann sein muß. Aber ich rede ebeu von den Leuten, die die Sache zu einem Handwerk macheu, von dem Gros, und auch da meine ich nicht alle, die wie Handwerker aussehen. Es sitzt mancher feine Musiker und Mensch in den Orchestern an einer bescheidnen

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/420>, abgerufen am 25.04.2024.