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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Iveltdcmokratie oder nationaler Sozialismus?

und in unbeschränkten! Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes
übernahm, hat Berlin, hat die Berliner Demokratie genörgelt und Mißtrauen
gesät, nicht aber freimütig und großzügig gehandelt. Man hat gewartet, bis
das System sich totlief und von selbst zusammenbrach, um dann prahlen zu
können: seht, wir haben es immer gesagt! Nun der Löwe tot ist, zaust man ihm
am Fell.

Berlin, das ist, politisch angesprochen, die Berliner Demokratie, führt nun
nach dem Zusammenbruch der monarchischen und bürgerlichen Regierung ihr altes
Leben fort. Selbst unfähig eine positiv arbeitende Regierung zu bilden, sieht sie
ihr Heil in der Negation. Das Volk, der große deutsche Begriff des Volkes ist
ihr fremd. Ihm gegenüber steht sie nur mit Furcht und ZagenI Mißtrauisch und
furchtsam steht Berlin der deutschen Sozialdemokratie ebenso gegenüber, wie den
in der Vaterlandspartei vereinigten Kräften, ohne ein Verständnis dafür zu be-
zeugen, daß in den organisierten Massen der deutschen Arbeiter im Augenblick ganz
allein noch das Fünkchen Hoffnung liegt, daß das deutsche Volk nicht vollständig
zugrunde geht. Darum ist auch der erste Sammlungsversuch, der vom Berliner
Bürgertum ausgeht, ein Erzeugnis der Furcht.

Die Berliner Demokratie glaubt die Regierung Ebert dadurch stützen zu
sollen, daß -sie ihr eben in diesen Übergangszeiten Opposition macht. Die Herren
argumentieren, wenn jetzt das Bürgertum hinter die sozialistische Regierung träte,
dann würde die Spartakusgruppe ein so starkes Agitationsmittel gegen die Regie¬
rungssozialisten erhalten, daß die Arbeiter und die aus dem Felde heimkehrenden
Soldaten sich ohne weiteres hinter Liebknecht und Rosa Luxemburg stellten, um
Ebert und Genossen zu stürzen. Allein diese Beweisführung sollte geeignet sein,
alle und jeden mit dem tiefsten Mißtrauen gegen einen Aufruf zu erfüllen, der.
von Theodor Wolff entworfen und von einigen Mitgliedern des linken Flügels
der letzten nationalliberalen Reichstagsfraktion an die Öffentlichkeit gebracht, zur
Bildung einer großen demokratischen Partei unter Ausschluß der alten Rechten
auffordert. Jeder denkende Arbeiter, der den Aufruf dieser Demokratie in die
Hände bekommt, wird sich ohne weiteres sagen, daß er es mit Vertretern eines
international interessierten Großkapitals zu tun hat, die für die wirtschaftlichen
Interessen des Großhandels eintreten wollen, nicht aber mit Männern, deren
Gefühle in dieser furchtbaren Stunde vor allem dem Wohlergehen des deutschen
Volkes gehören. Der Aufruf ist kühl und berechnend, und weil man es merkt,
daß ihm sehr kühle Berechnungen zugrunde liegen, stößt er ab und treibt die
durch die Möglichkeit eines Zusammenschlusses des internationalen Kapitals er¬
schreckten Massen erst recht von den Ncgicrungssozialisten fort in die Arme der
Spartakusleute. Der Aufruf der Berliner Demokraten entspringt nicht dem
Bedürfnis des Augenblickes, sondern ist ein Erzeugnis der Furcht vor dem
Sozialismus und vor den natürlichen Instinkten des um einen siegreichen K.ikg
betrogenen Volkes.

, Aus diesem Grunde ist es verständlich, wenn fast gleichzeitig alle jene
Idealisten, die schon längst dem Volksbunde für Freiheit und Fortschritt angehörten,
zur Gründung einer anderen demokratischen Partei, zu einer, wie sie meinen,
wahren Volkspartei auffordern. Alfred Weber ist wohl der geistige Führer dieser
Idealisten- und Professorenpartei. Dem augenblicklichen Bedürfnis entspricht aber
auch diese Gründung nicht, so sehr sie geeignet erscheint, die politische Erziehung
der'Nation, die wir unbedingt brauchen, zu fördern. Sie ist wohl kaum geeignet
eine Einigung des ganzen Bürgertums herbeizuführen, um so mehr aber die schon
vorhandenen Gegensätze in ihm zu vertiefen. In beiden Gründungen tritt nicht
der Wunsch zur Einigung zutage, sondern das Bestreben, die während des Krieges
aufgeklafften Gegensätze noch mehr zu betonen. Das ist wieder dieselbe Cliquen-
und Klüngelwirtschaft, die wir schon vor dem Kriege zu beklagen hatten, und
derselbe dünkelhafte Parteigeist, der unser innerpolilisches Leben eigentlich seit der
Beseitigung des Absolutismus beherrscht. Ich vermag in den beiden Ausrufer
nichts zu erkennen, was darauf hindeutet, daß "Berlin" etwas gelernt hätte!


Iveltdcmokratie oder nationaler Sozialismus?

und in unbeschränkten! Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes
übernahm, hat Berlin, hat die Berliner Demokratie genörgelt und Mißtrauen
gesät, nicht aber freimütig und großzügig gehandelt. Man hat gewartet, bis
das System sich totlief und von selbst zusammenbrach, um dann prahlen zu
können: seht, wir haben es immer gesagt! Nun der Löwe tot ist, zaust man ihm
am Fell.

Berlin, das ist, politisch angesprochen, die Berliner Demokratie, führt nun
nach dem Zusammenbruch der monarchischen und bürgerlichen Regierung ihr altes
Leben fort. Selbst unfähig eine positiv arbeitende Regierung zu bilden, sieht sie
ihr Heil in der Negation. Das Volk, der große deutsche Begriff des Volkes ist
ihr fremd. Ihm gegenüber steht sie nur mit Furcht und ZagenI Mißtrauisch und
furchtsam steht Berlin der deutschen Sozialdemokratie ebenso gegenüber, wie den
in der Vaterlandspartei vereinigten Kräften, ohne ein Verständnis dafür zu be-
zeugen, daß in den organisierten Massen der deutschen Arbeiter im Augenblick ganz
allein noch das Fünkchen Hoffnung liegt, daß das deutsche Volk nicht vollständig
zugrunde geht. Darum ist auch der erste Sammlungsversuch, der vom Berliner
Bürgertum ausgeht, ein Erzeugnis der Furcht.

Die Berliner Demokratie glaubt die Regierung Ebert dadurch stützen zu
sollen, daß -sie ihr eben in diesen Übergangszeiten Opposition macht. Die Herren
argumentieren, wenn jetzt das Bürgertum hinter die sozialistische Regierung träte,
dann würde die Spartakusgruppe ein so starkes Agitationsmittel gegen die Regie¬
rungssozialisten erhalten, daß die Arbeiter und die aus dem Felde heimkehrenden
Soldaten sich ohne weiteres hinter Liebknecht und Rosa Luxemburg stellten, um
Ebert und Genossen zu stürzen. Allein diese Beweisführung sollte geeignet sein,
alle und jeden mit dem tiefsten Mißtrauen gegen einen Aufruf zu erfüllen, der.
von Theodor Wolff entworfen und von einigen Mitgliedern des linken Flügels
der letzten nationalliberalen Reichstagsfraktion an die Öffentlichkeit gebracht, zur
Bildung einer großen demokratischen Partei unter Ausschluß der alten Rechten
auffordert. Jeder denkende Arbeiter, der den Aufruf dieser Demokratie in die
Hände bekommt, wird sich ohne weiteres sagen, daß er es mit Vertretern eines
international interessierten Großkapitals zu tun hat, die für die wirtschaftlichen
Interessen des Großhandels eintreten wollen, nicht aber mit Männern, deren
Gefühle in dieser furchtbaren Stunde vor allem dem Wohlergehen des deutschen
Volkes gehören. Der Aufruf ist kühl und berechnend, und weil man es merkt,
daß ihm sehr kühle Berechnungen zugrunde liegen, stößt er ab und treibt die
durch die Möglichkeit eines Zusammenschlusses des internationalen Kapitals er¬
schreckten Massen erst recht von den Ncgicrungssozialisten fort in die Arme der
Spartakusleute. Der Aufruf der Berliner Demokraten entspringt nicht dem
Bedürfnis des Augenblickes, sondern ist ein Erzeugnis der Furcht vor dem
Sozialismus und vor den natürlichen Instinkten des um einen siegreichen K.ikg
betrogenen Volkes.

, Aus diesem Grunde ist es verständlich, wenn fast gleichzeitig alle jene
Idealisten, die schon längst dem Volksbunde für Freiheit und Fortschritt angehörten,
zur Gründung einer anderen demokratischen Partei, zu einer, wie sie meinen,
wahren Volkspartei auffordern. Alfred Weber ist wohl der geistige Führer dieser
Idealisten- und Professorenpartei. Dem augenblicklichen Bedürfnis entspricht aber
auch diese Gründung nicht, so sehr sie geeignet erscheint, die politische Erziehung
der'Nation, die wir unbedingt brauchen, zu fördern. Sie ist wohl kaum geeignet
eine Einigung des ganzen Bürgertums herbeizuführen, um so mehr aber die schon
vorhandenen Gegensätze in ihm zu vertiefen. In beiden Gründungen tritt nicht
der Wunsch zur Einigung zutage, sondern das Bestreben, die während des Krieges
aufgeklafften Gegensätze noch mehr zu betonen. Das ist wieder dieselbe Cliquen-
und Klüngelwirtschaft, die wir schon vor dem Kriege zu beklagen hatten, und
derselbe dünkelhafte Parteigeist, der unser innerpolilisches Leben eigentlich seit der
Beseitigung des Absolutismus beherrscht. Ich vermag in den beiden Ausrufer
nichts zu erkennen, was darauf hindeutet, daß „Berlin" etwas gelernt hätte!


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[0205] Iveltdcmokratie oder nationaler Sozialismus? und in unbeschränkten! Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes übernahm, hat Berlin, hat die Berliner Demokratie genörgelt und Mißtrauen gesät, nicht aber freimütig und großzügig gehandelt. Man hat gewartet, bis das System sich totlief und von selbst zusammenbrach, um dann prahlen zu können: seht, wir haben es immer gesagt! Nun der Löwe tot ist, zaust man ihm am Fell. Berlin, das ist, politisch angesprochen, die Berliner Demokratie, führt nun nach dem Zusammenbruch der monarchischen und bürgerlichen Regierung ihr altes Leben fort. Selbst unfähig eine positiv arbeitende Regierung zu bilden, sieht sie ihr Heil in der Negation. Das Volk, der große deutsche Begriff des Volkes ist ihr fremd. Ihm gegenüber steht sie nur mit Furcht und ZagenI Mißtrauisch und furchtsam steht Berlin der deutschen Sozialdemokratie ebenso gegenüber, wie den in der Vaterlandspartei vereinigten Kräften, ohne ein Verständnis dafür zu be- zeugen, daß in den organisierten Massen der deutschen Arbeiter im Augenblick ganz allein noch das Fünkchen Hoffnung liegt, daß das deutsche Volk nicht vollständig zugrunde geht. Darum ist auch der erste Sammlungsversuch, der vom Berliner Bürgertum ausgeht, ein Erzeugnis der Furcht. Die Berliner Demokratie glaubt die Regierung Ebert dadurch stützen zu sollen, daß -sie ihr eben in diesen Übergangszeiten Opposition macht. Die Herren argumentieren, wenn jetzt das Bürgertum hinter die sozialistische Regierung träte, dann würde die Spartakusgruppe ein so starkes Agitationsmittel gegen die Regie¬ rungssozialisten erhalten, daß die Arbeiter und die aus dem Felde heimkehrenden Soldaten sich ohne weiteres hinter Liebknecht und Rosa Luxemburg stellten, um Ebert und Genossen zu stürzen. Allein diese Beweisführung sollte geeignet sein, alle und jeden mit dem tiefsten Mißtrauen gegen einen Aufruf zu erfüllen, der. von Theodor Wolff entworfen und von einigen Mitgliedern des linken Flügels der letzten nationalliberalen Reichstagsfraktion an die Öffentlichkeit gebracht, zur Bildung einer großen demokratischen Partei unter Ausschluß der alten Rechten auffordert. Jeder denkende Arbeiter, der den Aufruf dieser Demokratie in die Hände bekommt, wird sich ohne weiteres sagen, daß er es mit Vertretern eines international interessierten Großkapitals zu tun hat, die für die wirtschaftlichen Interessen des Großhandels eintreten wollen, nicht aber mit Männern, deren Gefühle in dieser furchtbaren Stunde vor allem dem Wohlergehen des deutschen Volkes gehören. Der Aufruf ist kühl und berechnend, und weil man es merkt, daß ihm sehr kühle Berechnungen zugrunde liegen, stößt er ab und treibt die durch die Möglichkeit eines Zusammenschlusses des internationalen Kapitals er¬ schreckten Massen erst recht von den Ncgicrungssozialisten fort in die Arme der Spartakusleute. Der Aufruf der Berliner Demokraten entspringt nicht dem Bedürfnis des Augenblickes, sondern ist ein Erzeugnis der Furcht vor dem Sozialismus und vor den natürlichen Instinkten des um einen siegreichen K.ikg betrogenen Volkes. , Aus diesem Grunde ist es verständlich, wenn fast gleichzeitig alle jene Idealisten, die schon längst dem Volksbunde für Freiheit und Fortschritt angehörten, zur Gründung einer anderen demokratischen Partei, zu einer, wie sie meinen, wahren Volkspartei auffordern. Alfred Weber ist wohl der geistige Führer dieser Idealisten- und Professorenpartei. Dem augenblicklichen Bedürfnis entspricht aber auch diese Gründung nicht, so sehr sie geeignet erscheint, die politische Erziehung der'Nation, die wir unbedingt brauchen, zu fördern. Sie ist wohl kaum geeignet eine Einigung des ganzen Bürgertums herbeizuführen, um so mehr aber die schon vorhandenen Gegensätze in ihm zu vertiefen. In beiden Gründungen tritt nicht der Wunsch zur Einigung zutage, sondern das Bestreben, die während des Krieges aufgeklafften Gegensätze noch mehr zu betonen. Das ist wieder dieselbe Cliquen- und Klüngelwirtschaft, die wir schon vor dem Kriege zu beklagen hatten, und derselbe dünkelhafte Parteigeist, der unser innerpolilisches Leben eigentlich seit der Beseitigung des Absolutismus beherrscht. Ich vermag in den beiden Ausrufer nichts zu erkennen, was darauf hindeutet, daß „Berlin" etwas gelernt hätte!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/205>, abgerufen am 24.04.2024.