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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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gens so ignorirt gewesen seyn, da man deren im 14ten und
15ten Jahrh. noch manche in die Gesangbücher aufnahm 109),
und zum mindesten die der mittleren Meister, als: Frauenlobs,
Müglings, in den Schulen ziemlich kannte.

Die Autorität jener Schriftsteller ruht darauf, daß sie
einen auch in Ansehung der alten Meister existirenden Sprach-
gebrauch forterhielten, den sie sicherlich nicht zuerst aufgebracht
haben. Darin bin ich einverstanden, daß in unserm Streit
auf die Ansicht der zwischen Gottsched und Docen liegen-
den Schriftsteller, -- einer der früheren spricht fast in Docens
Sinn, daß von den Minnesängern einige zugleich Meistersän-
ger, aber nicht alle Meistersänger Minnesänger waren. (Joh.
Jac. Rambach vermischte Abh. aus der Gesch. u. Lit. Halle,
1771. p. 350. 351.) -- wenig oder nichts ankomme.

VI. Einrichtung der Handschriften.

Unsere maneßische Sammlung, wie vorhin berührt worden
ist, gibt sich selbst für eine Sammlung von Meisterliedern.
Auch ohne solche ausdrückliche Versicherung müßte die Sache
schon dafür sprechen. Sie enthält mehrentheils Minnelieder,
weil sie diese älteste Periode des Meistergesangs befaßt, aber
mitten unter denselben gibt sie uns solche Gesänge, welche die
mir entgegenstehende Meinung nur allein für meistersängerische
erkennen will. Wäre die letztere Ansicht gegründet, und der
Meistergesang so etwas fixirtes, so würde nicht so leicht ein
Compilator ihn mit den freieren Minneliedern ohne ausdrück-

109) Ich erinnere an die andern Liederhandschriften außer der ma-
neßischen. Daß die Goldastische Copie der letzteren auf dem
Titel: "Hoflieder der deutschen Meistersänger" rubricirt ist,
(Benecke Vorr. p IV.) zeugt von einer vollkornmen richtigen
Ansicht des Gegenstandes, und Bodmer hätte das ohne Be-
denken für seine Ausgabe behalten können.

gens ſo ignorirt geweſen ſeyn, da man deren im 14ten und
15ten Jahrh. noch manche in die Geſangbuͤcher aufnahm 109),
und zum mindeſten die der mittleren Meiſter, als: Frauenlobs,
Muͤglings, in den Schulen ziemlich kannte.

Die Autoritaͤt jener Schriftſteller ruht darauf, daß ſie
einen auch in Anſehung der alten Meiſter exiſtirenden Sprach-
gebrauch forterhielten, den ſie ſicherlich nicht zuerſt aufgebracht
haben. Darin bin ich einverſtanden, daß in unſerm Streit
auf die Anſicht der zwiſchen Gottſched und Docen liegen-
den Schriftſteller, — einer der fruͤheren ſpricht faſt in Docens
Sinn, daß von den Minneſaͤngern einige zugleich Meiſterſaͤn-
ger, aber nicht alle Meiſterſaͤnger Minneſaͤnger waren. (Joh.
Jac. Rambach vermiſchte Abh. aus der Geſch. u. Lit. Halle,
1771. p. 350. 351.) — wenig oder nichts ankomme.

VI. Einrichtung der Handſchriften.

Unſere maneßiſche Sammlung, wie vorhin beruͤhrt worden
iſt, gibt ſich ſelbſt fuͤr eine Sammlung von Meiſterliedern.
Auch ohne ſolche ausdruͤckliche Verſicherung muͤßte die Sache
ſchon dafuͤr ſprechen. Sie enthaͤlt mehrentheils Minnelieder,
weil ſie dieſe aͤlteſte Periode des Meiſtergeſangs befaßt, aber
mitten unter denſelben gibt ſie uns ſolche Geſaͤnge, welche die
mir entgegenſtehende Meinung nur allein fuͤr meiſterſaͤngeriſche
erkennen will. Waͤre die letztere Anſicht gegruͤndet, und der
Meiſtergeſang ſo etwas fixirtes, ſo wuͤrde nicht ſo leicht ein
Compilator ihn mit den freieren Minneliedern ohne ausdruͤck-

109) Ich erinnere an die andern Liederhandſchriften außer der ma-
neßiſchen. Daß die Goldaſtiſche Copie der letzteren auf dem
Titel: „Hoflieder der deutſchen Meiſterſaͤnger“ rubricirt iſt,
(Benecke Vorr. p IV.) zeugt von einer vollkornmen richtigen
Anſicht des Gegenſtandes, und Bodmer haͤtte das ohne Be-
denken fuͤr ſeine Ausgabe behalten koͤnnen.
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[123/0133] gens ſo ignorirt geweſen ſeyn, da man deren im 14ten und 15ten Jahrh. noch manche in die Geſangbuͤcher aufnahm 109), und zum mindeſten die der mittleren Meiſter, als: Frauenlobs, Muͤglings, in den Schulen ziemlich kannte. Die Autoritaͤt jener Schriftſteller ruht darauf, daß ſie einen auch in Anſehung der alten Meiſter exiſtirenden Sprach- gebrauch forterhielten, den ſie ſicherlich nicht zuerſt aufgebracht haben. Darin bin ich einverſtanden, daß in unſerm Streit auf die Anſicht der zwiſchen Gottſched und Docen liegen- den Schriftſteller, — einer der fruͤheren ſpricht faſt in Docens Sinn, daß von den Minneſaͤngern einige zugleich Meiſterſaͤn- ger, aber nicht alle Meiſterſaͤnger Minneſaͤnger waren. (Joh. Jac. Rambach vermiſchte Abh. aus der Geſch. u. Lit. Halle, 1771. p. 350. 351.) — wenig oder nichts ankomme. VI. Einrichtung der Handſchriften. Unſere maneßiſche Sammlung, wie vorhin beruͤhrt worden iſt, gibt ſich ſelbſt fuͤr eine Sammlung von Meiſterliedern. Auch ohne ſolche ausdruͤckliche Verſicherung muͤßte die Sache ſchon dafuͤr ſprechen. Sie enthaͤlt mehrentheils Minnelieder, weil ſie dieſe aͤlteſte Periode des Meiſtergeſangs befaßt, aber mitten unter denſelben gibt ſie uns ſolche Geſaͤnge, welche die mir entgegenſtehende Meinung nur allein fuͤr meiſterſaͤngeriſche erkennen will. Waͤre die letztere Anſicht gegruͤndet, und der Meiſtergeſang ſo etwas fixirtes, ſo wuͤrde nicht ſo leicht ein Compilator ihn mit den freieren Minneliedern ohne ausdruͤck- 109) Ich erinnere an die andern Liederhandſchriften außer der ma- neßiſchen. Daß die Goldaſtiſche Copie der letzteren auf dem Titel: „Hoflieder der deutſchen Meiſterſaͤnger“ rubricirt iſt, (Benecke Vorr. p IV.) zeugt von einer vollkornmen richtigen Anſicht des Gegenſtandes, und Bodmer haͤtte das ohne Be- denken fuͤr ſeine Ausgabe behalten koͤnnen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/133>, abgerufen am 29.03.2024.