Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
Verhältniß des Meistersangs
zu
der übrigen altdeutschen Poesie
.


I. Zur Volkspoesie.

Dieses stellt sich klar und einfach dar.

1. In wandernden Sängern erscheint die Poesie zuerst allen
Ländern der Welt. Das Volk heiligt die Sänger, der König
lohnt, die Helden treiben die Kunst selber zu eigener Lust 119)
und lernen das Fideln und Harfenspiel. Denn Begleitung der
Instrumente scheint immer dabei gewesen zu seyn, obwohl sich
einige bloß auf solche und andere bloß auf Gesang gelegt ha-
ben mögen. Alle halten sich zusammen 120), nach und nach

119) Der deutschen Sage und Historie mangelt es nicht an Beispie-
len, Folker fidelt und hofirt, (Rosengarten Str. 228. und Ni-
belung an vielen Orten; vergl. Chlage 1519. 2581.), besonders
ist die nordische voll davon. Ueber König Hother z. B. s. Suhm
1. 190. (deutsche Uebers.) In einem altdän. Lied K. v. p. 42.
v. 22. heißts vom sechszehnten Schild:

den förer Rigen Raadengaard
som vel kunde digte og rime.
120) Urkunden von solchen Zünften fahrender Spielleute lassen sich
in Deutschland zwar nicht über das 14te Jahrhundert hinauf-
führen, allein die Sache selbst ist ohne weiteres viel älter. Ge-
gen das Ende des 14ten Jahrhunderts belehnte der Kaiser an-
dere Stände mit dem Oberspielgrafenamt, die dann wieder zu
ihrer Stellvertretung einen Pfeiferkönig erwählten. Das Docu-
ment von der Ernennung eines solchen in der Herrschaft Rap-
poltstein hat Scheid de iure in musicos, (auch bei For-
kel
abg. 751. Vergl. Joh. Müller 3. 161. 162. 4. 226.
Nr. 57.) Die ganze Brüderschaft dieses Reichs theilte sich in
die obere, mittlere und untere und jede versammelte sich an
gewissen Tagen des Jahrs zu Rappoltsweiler, Altentann und
J 2
Verhaͤltniß des Meiſterſangs
zu
der uͤbrigen altdeutſchen Poeſie
.


I. Zur Volkspoeſie.

Dieſes ſtellt ſich klar und einfach dar.

1. In wandernden Saͤngern erſcheint die Poeſie zuerſt allen
Laͤndern der Welt. Das Volk heiligt die Saͤnger, der Koͤnig
lohnt, die Helden treiben die Kunſt ſelber zu eigener Luſt 119)
und lernen das Fideln und Harfenſpiel. Denn Begleitung der
Inſtrumente ſcheint immer dabei geweſen zu ſeyn, obwohl ſich
einige bloß auf ſolche und andere bloß auf Geſang gelegt ha-
ben moͤgen. Alle halten ſich zuſammen 120), nach und nach

119) Der deutſchen Sage und Hiſtorie mangelt es nicht an Beiſpie-
len, Folker fidelt und hofirt, (Roſengarten Str. 228. und Ni-
belung an vielen Orten; vergl. Chlage 1519. 2581.), beſonders
iſt die nordiſche voll davon. Ueber Koͤnig Hother z. B. ſ. Suhm
1. 190. (deutſche Ueberſ.) In einem altdaͤn. Lied K. v. p. 42.
v. 22. heißts vom ſechszehnten Schild:

den foͤrer Rigen Raadengaard
ſom vel kunde digte og rime.
120) Urkunden von ſolchen Zuͤnften fahrender Spielleute laſſen ſich
in Deutſchland zwar nicht uͤber das 14te Jahrhundert hinauf-
fuͤhren, allein die Sache ſelbſt iſt ohne weiteres viel aͤlter. Ge-
gen das Ende des 14ten Jahrhunderts belehnte der Kaiſer an-
dere Staͤnde mit dem Oberſpielgrafenamt, die dann wieder zu
ihrer Stellvertretung einen Pfeiferkoͤnig erwaͤhlten. Das Docu-
ment von der Ernennung eines ſolchen in der Herrſchaft Rap-
poltſtein hat Scheid de iure in musicos, (auch bei For-
kel
abg. 751. Vergl. Joh. Muͤller 3. 161. 162. 4. 226.
Nr. 57.) Die ganze Bruͤderſchaft dieſes Reichs theilte ſich in
die obere, mittlere und untere und jede verſammelte ſich an
gewiſſen Tagen des Jahrs zu Rappoltsweiler, Altentann und
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0141" n="131"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltniß des Mei&#x017F;ter&#x017F;angs<lb/>
zu<lb/>
der u&#x0364;brigen altdeut&#x017F;chen Poe&#x017F;ie</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Zur Volkspoe&#x017F;ie</hi></hi>.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;es &#x017F;tellt &#x017F;ich klar und einfach dar.</p><lb/>
            <p>1. In wandernden Sa&#x0364;ngern er&#x017F;cheint die Poe&#x017F;ie zuer&#x017F;t allen<lb/>
La&#x0364;ndern der Welt. Das Volk heiligt die Sa&#x0364;nger, der Ko&#x0364;nig<lb/>
lohnt, die Helden treiben die Kun&#x017F;t &#x017F;elber zu eigener Lu&#x017F;t <note place="foot" n="119)">Der deut&#x017F;chen Sage und Hi&#x017F;torie mangelt es nicht an Bei&#x017F;pie-<lb/>
len, Folker fidelt und hofirt, (Ro&#x017F;engarten Str. 228. und Ni-<lb/>
belung an vielen Orten; vergl. Chlage 1519. 2581.), be&#x017F;onders<lb/>
i&#x017F;t die nordi&#x017F;che voll davon. Ueber Ko&#x0364;nig Hother z. B. &#x017F;. Suhm<lb/>
1. 190. (deut&#x017F;che Ueber&#x017F;.) In einem altda&#x0364;n. Lied <cit><bibl><hi rendition="#aq">K. v. p.</hi> 42.<lb/><hi rendition="#aq">v.</hi> 22. heißts vom &#x017F;echszehnten Schild:</bibl><lb/><quote><hi rendition="#et">den fo&#x0364;rer Rigen Raadengaard<lb/>
&#x017F;om vel kunde digte og rime.</hi></quote></cit></note><lb/>
und lernen das Fideln und Harfen&#x017F;piel. Denn Begleitung der<lb/>
In&#x017F;trumente &#x017F;cheint immer dabei gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, obwohl &#x017F;ich<lb/>
einige bloß auf &#x017F;olche und andere bloß auf Ge&#x017F;ang gelegt ha-<lb/>
ben mo&#x0364;gen. Alle halten &#x017F;ich zu&#x017F;ammen <note xml:id="seg2pn_11_1" next="#seg2pn_11_2" place="foot" n="120)">Urkunden von &#x017F;olchen Zu&#x0364;nften fahrender Spielleute la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
in Deut&#x017F;chland zwar nicht u&#x0364;ber das 14te Jahrhundert hinauf-<lb/>
fu&#x0364;hren, allein die Sache &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t ohne weiteres viel a&#x0364;lter. Ge-<lb/>
gen das Ende des 14ten Jahrhunderts belehnte der Kai&#x017F;er an-<lb/>
dere Sta&#x0364;nde mit dem Ober&#x017F;pielgrafenamt, die dann wieder zu<lb/>
ihrer Stellvertretung einen Pfeiferko&#x0364;nig erwa&#x0364;hlten. Das Docu-<lb/>
ment von der Ernennung eines &#x017F;olchen in der Herr&#x017F;chaft Rap-<lb/>
polt&#x017F;tein hat <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Scheid de iure in musicos,</hi></hi> (auch bei <hi rendition="#g">For-<lb/>
kel</hi> abg. 751. Vergl. <hi rendition="#g">Joh. Mu&#x0364;ller</hi> 3. 161. 162. 4. 226.<lb/>
Nr. 57.) Die ganze Bru&#x0364;der&#x017F;chaft die&#x017F;es Reichs theilte &#x017F;ich in<lb/>
die obere, mittlere und untere und jede ver&#x017F;ammelte &#x017F;ich an<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Tagen des Jahrs zu Rappoltsweiler, Altentann und</note>, nach und nach<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] Verhaͤltniß des Meiſterſangs zu der uͤbrigen altdeutſchen Poeſie. I. Zur Volkspoeſie. Dieſes ſtellt ſich klar und einfach dar. 1. In wandernden Saͤngern erſcheint die Poeſie zuerſt allen Laͤndern der Welt. Das Volk heiligt die Saͤnger, der Koͤnig lohnt, die Helden treiben die Kunſt ſelber zu eigener Luſt 119) und lernen das Fideln und Harfenſpiel. Denn Begleitung der Inſtrumente ſcheint immer dabei geweſen zu ſeyn, obwohl ſich einige bloß auf ſolche und andere bloß auf Geſang gelegt ha- ben moͤgen. Alle halten ſich zuſammen 120), nach und nach 119) Der deutſchen Sage und Hiſtorie mangelt es nicht an Beiſpie- len, Folker fidelt und hofirt, (Roſengarten Str. 228. und Ni- belung an vielen Orten; vergl. Chlage 1519. 2581.), beſonders iſt die nordiſche voll davon. Ueber Koͤnig Hother z. B. ſ. Suhm 1. 190. (deutſche Ueberſ.) In einem altdaͤn. Lied K. v. p. 42. v. 22. heißts vom ſechszehnten Schild: den foͤrer Rigen Raadengaard ſom vel kunde digte og rime. 120) Urkunden von ſolchen Zuͤnften fahrender Spielleute laſſen ſich in Deutſchland zwar nicht uͤber das 14te Jahrhundert hinauf- fuͤhren, allein die Sache ſelbſt iſt ohne weiteres viel aͤlter. Ge- gen das Ende des 14ten Jahrhunderts belehnte der Kaiſer an- dere Staͤnde mit dem Oberſpielgrafenamt, die dann wieder zu ihrer Stellvertretung einen Pfeiferkoͤnig erwaͤhlten. Das Docu- ment von der Ernennung eines ſolchen in der Herrſchaft Rap- poltſtein hat Scheid de iure in musicos, (auch bei For- kel abg. 751. Vergl. Joh. Muͤller 3. 161. 162. 4. 226. Nr. 57.) Die ganze Bruͤderſchaft dieſes Reichs theilte ſich in die obere, mittlere und untere und jede verſammelte ſich an gewiſſen Tagen des Jahrs zu Rappoltsweiler, Altentann und J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/141
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/141>, abgerufen am 19.04.2024.