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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Muster von Kühnheit und Muth gelten, müssen uns bei dem Andern in den Ruf der Bescheidenheit bringen. Es gibt eine hoffähige Demokratie, wie in Milet eine Quelle, die süßes und salziges Wasser zugleich enthielt.

Unter der Rubrik Ausland hab' ich in meinem Moniteur noch ein stehendes Capitel über Maßregeln. Du verstehst mich. Ich meine die Protokolle des Bundestages.

Eine eigene Spalte ist die Poetenspalte, wo ich das Phantastische und Alles, was in der Politik auf der Einbildungskraft beruht, in zierlicher Darstellung berichte. Ich sorge hier fleißig für das Tragische, Schrecken- und Schauererregende, und rechne dahin alle Hessen-Kassel'sche Angelegenheiten, die schon Stoff genug darbieten zu einem Trauerspiel. Atreus und Thyestes oder das Haus der Pelopiden ist ein Gemälde von Familienhaß, Maitressenwirthschaft, Volksaufläufen und Gardeducorpssäbeln geworden.

Eine solche Wuth losgelassener Leidenschaften ist unerhört; und in der That, es fehlte noch, in diese Iffland'schen Familienscenen die Interessen des ohnehin schon genug geplagten Volkes zu verwickeln. Wenn Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, so haben wir noch weit mehr das Recht, sie auf dem Throne zu erwarten. Sollten wir wirklich

Muster von Kühnheit und Muth gelten, müssen uns bei dem Andern in den Ruf der Bescheidenheit bringen. Es gibt eine hoffähige Demokratie, wie in Milet eine Quelle, die süßes und salziges Wasser zugleich enthielt.

Unter der Rubrik Ausland hab’ ich in meinem Moniteur noch ein stehendes Capitel über Maßregeln. Du verstehst mich. Ich meine die Protokolle des Bundestages.

Eine eigene Spalte ist die Poetenspalte, wo ich das Phantastische und Alles, was in der Politik auf der Einbildungskraft beruht, in zierlicher Darstellung berichte. Ich sorge hier fleißig für das Tragische, Schrecken- und Schauererregende, und rechne dahin alle Hessen-Kassel’sche Angelegenheiten, die schon Stoff genug darbieten zu einem Trauerspiel. Atreus und Thyestes oder das Haus der Pelopiden ist ein Gemälde von Familienhaß, Maitressenwirthschaft, Volksaufläufen und Gardeducorpssäbeln geworden.

Eine solche Wuth losgelassener Leidenschaften ist unerhört; und in der That, es fehlte noch, in diese Iffland’schen Familienscenen die Interessen des ohnehin schon genug geplagten Volkes zu verwickeln. Wenn Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, so haben wir noch weit mehr das Recht, sie auf dem Throne zu erwarten. Sollten wir wirklich

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[29/0042] Muster von Kühnheit und Muth gelten, müssen uns bei dem Andern in den Ruf der Bescheidenheit bringen. Es gibt eine hoffähige Demokratie, wie in Milet eine Quelle, die süßes und salziges Wasser zugleich enthielt. Unter der Rubrik Ausland hab’ ich in meinem Moniteur noch ein stehendes Capitel über Maßregeln. Du verstehst mich. Ich meine die Protokolle des Bundestages. Eine eigene Spalte ist die Poetenspalte, wo ich das Phantastische und Alles, was in der Politik auf der Einbildungskraft beruht, in zierlicher Darstellung berichte. Ich sorge hier fleißig für das Tragische, Schrecken- und Schauererregende, und rechne dahin alle Hessen-Kassel’sche Angelegenheiten, die schon Stoff genug darbieten zu einem Trauerspiel. Atreus und Thyestes oder das Haus der Pelopiden ist ein Gemälde von Familienhaß, Maitressenwirthschaft, Volksaufläufen und Gardeducorpssäbeln geworden. Eine solche Wuth losgelassener Leidenschaften ist unerhört; und in der That, es fehlte noch, in diese Iffland’schen Familienscenen die Interessen des ohnehin schon genug geplagten Volkes zu verwickeln. Wenn Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, so haben wir noch weit mehr das Recht, sie auf dem Throne zu erwarten. Sollten wir wirklich

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/42>, abgerufen am 24.04.2024.