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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Hautgout der Dinge, in ihrer Culmination, die sie piquant macht. Man kann für die Antike und für die Romantik eingenommen seyn und dabei doch immer mitten inne im Modernen sich befinden.

Jm Allgemeinen will ich gern meine Schwäche eingestehen, die innere Natur des sogenannten Modernen zu ergründen. Vorzugsweise das Neue ist es nicht. Es ist, wie wir schon sagten, oft genug das Alte, wenn auch im neuen Sinne genommen. Es ist ein so flatterhafter, leichtsinniger Begriff, daß man ihn kaum bis zu einer erschöpfenden Definition zügeln kann. Modern ist meine Weste, modern aber auch eine Anschauung, die ich hier oder da geäußert habe. Jch habe mich dabei so ziemlich auf die Höhe unsrer Zeit gestellt und eine Sache so beurtheilt, wie man es von einem Bürger des neunzehnten Jahrhunderts erwarten konnte. Gut, dann möchte das Moderne doch wohl Alles zusammenfassen, was die neue Zeit erstrebt, und in dem Augenblicke, wo es das Alte in Schutz nimmt, eben eine Toleranz üben, die unserm heutigsten Heute angehören sollte? Wie dem auch sey, praktische Beispiele werden den Begriff klarer machen, als Definitionen.

Das Moderne gegen die Antike genommen, ist eine negative Verfahrungsweise. Wir brauchen nur das Alterthum zu schildern und werden von dem Unterschiede leicht auf das Moderne schließen können. Eine Tragödie zu schreiben, in welcher ein Chor die Stelle der Zuschauer übernimmt und reflektirt, eine Tragödie, die

Hautgout der Dinge, in ihrer Culmination, die sie piquant macht. Man kann für die Antike und für die Romantik eingenommen seyn und dabei doch immer mitten inne im Modernen sich befinden.

Jm Allgemeinen will ich gern meine Schwäche eingestehen, die innere Natur des sogenannten Modernen zu ergründen. Vorzugsweise das Neue ist es nicht. Es ist, wie wir schon sagten, oft genug das Alte, wenn auch im neuen Sinne genommen. Es ist ein so flatterhafter, leichtsinniger Begriff, daß man ihn kaum bis zu einer erschöpfenden Definition zügeln kann. Modern ist meine Weste, modern aber auch eine Anschauung, die ich hier oder da geäußert habe. Jch habe mich dabei so ziemlich auf die Höhe unsrer Zeit gestellt und eine Sache so beurtheilt, wie man es von einem Bürger des neunzehnten Jahrhunderts erwarten konnte. Gut, dann möchte das Moderne doch wohl Alles zusammenfassen, was die neue Zeit erstrebt, und in dem Augenblicke, wo es das Alte in Schutz nimmt, eben eine Toleranz üben, die unserm heutigsten Heute angehören sollte? Wie dem auch sey, praktische Beispiele werden den Begriff klarer machen, als Definitionen.

Das Moderne gegen die Antike genommen, ist eine negative Verfahrungsweise. Wir brauchen nur das Alterthum zu schildern und werden von dem Unterschiede leicht auf das Moderne schließen können. Eine Tragödie zu schreiben, in welcher ein Chor die Stelle der Zuschauer übernimmt und reflektirt, eine Tragödie, die

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[155/0183] Hautgout der Dinge, in ihrer Culmination, die sie piquant macht. Man kann für die Antike und für die Romantik eingenommen seyn und dabei doch immer mitten inne im Modernen sich befinden. Jm Allgemeinen will ich gern meine Schwäche eingestehen, die innere Natur des sogenannten Modernen zu ergründen. Vorzugsweise das Neue ist es nicht. Es ist, wie wir schon sagten, oft genug das Alte, wenn auch im neuen Sinne genommen. Es ist ein so flatterhafter, leichtsinniger Begriff, daß man ihn kaum bis zu einer erschöpfenden Definition zügeln kann. Modern ist meine Weste, modern aber auch eine Anschauung, die ich hier oder da geäußert habe. Jch habe mich dabei so ziemlich auf die Höhe unsrer Zeit gestellt und eine Sache so beurtheilt, wie man es von einem Bürger des neunzehnten Jahrhunderts erwarten konnte. Gut, dann möchte das Moderne doch wohl Alles zusammenfassen, was die neue Zeit erstrebt, und in dem Augenblicke, wo es das Alte in Schutz nimmt, eben eine Toleranz üben, die unserm heutigsten Heute angehören sollte? Wie dem auch sey, praktische Beispiele werden den Begriff klarer machen, als Definitionen. Das Moderne gegen die Antike genommen, ist eine negative Verfahrungsweise. Wir brauchen nur das Alterthum zu schildern und werden von dem Unterschiede leicht auf das Moderne schließen können. Eine Tragödie zu schreiben, in welcher ein Chor die Stelle der Zuschauer übernimmt und reflektirt, eine Tragödie, die

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/183>, abgerufen am 25.04.2024.