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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
kreis des Kaisers mochte ja eine unmittelbare Beherrschung dieser
Herzogtümer, namentlich der von den Ungarn bedrohten: Bayern
und Kärnthen, in der Tat schwer durchführbar sein, aber die stamm-
fremden Männer, die Heinrich auswählte, um durch sie den un-
ruhigen einheimischen Adel im Zaum zu halten, erwiesen sich nicht
durchgängig als zuverlässig. So ward Heinrichs Geschick dadurch
fast zu einem tragischen, daß er bei allem Friedenstreben in immer
neue innere Kämpfe verwickelt ward.

Ihre Hauptstätten fand die wachsende Unzufriedenheit in den
beiden Herzogtümern, die dem Kaiser noch am selbständigsten
gegenüberstanden, in Sachsen und Lothringen. Dort ward sie
bedeutsam erst für die Zukunft, hier bereits gefährlich in der
Gegenwart.

Zu Sachsen hatte Heinrich besonders nahe Beziehungen. Hat
er auch nicht, wie Nitzsch meinte, den ernstlichen Plan verfolgt,
Goslar zu seiner festen Residenz zu machen, so hat er doch den
Bau der neuen Pfalz begonnen und mit Vorliebe dort geweilt.
Schon dieses Streben, auf Grund der alten ottonischen Besitzungen
die Stellung des salischen Hauses in jenen durch die beginnende
Ausbeutung der Harzer Silberschätze an Wert steigenden mittel-
deutschen Landschaften zu befestigen, mußte den sächsischen Adel
mit Mißtrauen erfüllen. Ein weiteres Moment des Zwiespalts er-
gaben die nahen Beziehungen des Kaisers zu Erzbischof Adalbert
von Bremen.

Kaum eine andre Persönlichkeit jener Zeit steht so lebendig
vor uns, wie der thüringische Grafensohn, der 1045 (1043?) von
Heinrich auf den Bremer Erzstuhl gehoben ward, denn die feine
Feder Meister Adams1) hat ihn uns am Leben erhalten, diesen
schönen, reichbegabten, zum Fürsten geborenen Mann mit seinem
kühnen, hochfliegenden Geist, voll Hingabe an die große Sache,
die er erwählt, und doch von ungemessenem Ehrgeiz und reizbarem
Stolze, phantastisch zugleich und weltfreudig, großzügig und eitel.
Wie er der Bremer Kirche sein ganzes reiches Erbgut von zwei-
tausend Bauernhöfen schenkte, wie er die päpstliche Würde, die ihm
der Kaiser anbot (1046), ausschlug, weil er von seinem Erzbistum
eine bessere Meinung hegte, so hat er sein Leben lang mit allen
Kräften an der Erhöhung der hamburgisch-bremischen Kirche ge-
arbeitet, an der Erweiterung ihres geistlichen Einflusses und an dem
Ausbau ihrer weltlichen Macht, energisch und unermüdlich, aber

1) Vgl. S. 30. Von Neueren vgl. über Adalbert: Dehio, Gesch. des
Erzb. Hamburg-Bremen I (1877), jetzt im einzelnen zu übertreffen; R. Müller,
Stader Progr. 1885, Haucks Darstellung u. v. Schubert, Kirchengesch. Schles-
wig-Holsteins I (1907), 81 ff.

I. Die Zeit der Salier.
kreis des Kaisers mochte ja eine unmittelbare Beherrschung dieser
Herzogtümer, namentlich der von den Ungarn bedrohten: Bayern
und Kärnthen, in der Tat schwer durchführbar sein, aber die stamm-
fremden Männer, die Heinrich auswählte, um durch sie den un-
ruhigen einheimischen Adel im Zaum zu halten, erwiesen sich nicht
durchgängig als zuverlässig. So ward Heinrichs Geschick dadurch
fast zu einem tragischen, daß er bei allem Friedenstreben in immer
neue innere Kämpfe verwickelt ward.

Ihre Hauptstätten fand die wachsende Unzufriedenheit in den
beiden Herzogtümern, die dem Kaiser noch am selbständigsten
gegenüberstanden, in Sachsen und Lothringen. Dort ward sie
bedeutsam erst für die Zukunft, hier bereits gefährlich in der
Gegenwart.

Zu Sachsen hatte Heinrich besonders nahe Beziehungen. Hat
er auch nicht, wie Nitzsch meinte, den ernstlichen Plan verfolgt,
Goslar zu seiner festen Residenz zu machen, so hat er doch den
Bau der neuen Pfalz begonnen und mit Vorliebe dort geweilt.
Schon dieses Streben, auf Grund der alten ottonischen Besitzungen
die Stellung des salischen Hauses in jenen durch die beginnende
Ausbeutung der Harzer Silberschätze an Wert steigenden mittel-
deutschen Landschaften zu befestigen, mußte den sächsischen Adel
mit Mißtrauen erfüllen. Ein weiteres Moment des Zwiespalts er-
gaben die nahen Beziehungen des Kaisers zu Erzbischof Adalbert
von Bremen.

Kaum eine andre Persönlichkeit jener Zeit steht so lebendig
vor uns, wie der thüringische Grafensohn, der 1045 (1043?) von
Heinrich auf den Bremer Erzstuhl gehoben ward, denn die feine
Feder Meister Adams1) hat ihn uns am Leben erhalten, diesen
schönen, reichbegabten, zum Fürsten geborenen Mann mit seinem
kühnen, hochfliegenden Geist, voll Hingabe an die große Sache,
die er erwählt, und doch von ungemessenem Ehrgeiz und reizbarem
Stolze, phantastisch zugleich und weltfreudig, großzügig und eitel.
Wie er der Bremer Kirche sein ganzes reiches Erbgut von zwei-
tausend Bauernhöfen schenkte, wie er die päpstliche Würde, die ihm
der Kaiser anbot (1046), ausschlug, weil er von seinem Erzbistum
eine bessere Meinung hegte, so hat er sein Leben lang mit allen
Kräften an der Erhöhung der hamburgisch-bremischen Kirche ge-
arbeitet, an der Erweiterung ihres geistlichen Einflusses und an dem
Ausbau ihrer weltlichen Macht, energisch und unermüdlich, aber

1) Vgl. S. 30. Von Neueren vgl. über Adalbert: Dehio, Gesch. des
Erzb. Hamburg-Bremen I (1877), jetzt im einzelnen zu übertreffen; R. Müller,
Stader Progr. 1885, Haucks Darstellung u. v. Schubert, Kirchengesch. Schles-
wig-Holsteins I (1907), 81 ff.
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[26/0034] I. Die Zeit der Salier. kreis des Kaisers mochte ja eine unmittelbare Beherrschung dieser Herzogtümer, namentlich der von den Ungarn bedrohten: Bayern und Kärnthen, in der Tat schwer durchführbar sein, aber die stamm- fremden Männer, die Heinrich auswählte, um durch sie den un- ruhigen einheimischen Adel im Zaum zu halten, erwiesen sich nicht durchgängig als zuverlässig. So ward Heinrichs Geschick dadurch fast zu einem tragischen, daß er bei allem Friedenstreben in immer neue innere Kämpfe verwickelt ward. Ihre Hauptstätten fand die wachsende Unzufriedenheit in den beiden Herzogtümern, die dem Kaiser noch am selbständigsten gegenüberstanden, in Sachsen und Lothringen. Dort ward sie bedeutsam erst für die Zukunft, hier bereits gefährlich in der Gegenwart. Zu Sachsen hatte Heinrich besonders nahe Beziehungen. Hat er auch nicht, wie Nitzsch meinte, den ernstlichen Plan verfolgt, Goslar zu seiner festen Residenz zu machen, so hat er doch den Bau der neuen Pfalz begonnen und mit Vorliebe dort geweilt. Schon dieses Streben, auf Grund der alten ottonischen Besitzungen die Stellung des salischen Hauses in jenen durch die beginnende Ausbeutung der Harzer Silberschätze an Wert steigenden mittel- deutschen Landschaften zu befestigen, mußte den sächsischen Adel mit Mißtrauen erfüllen. Ein weiteres Moment des Zwiespalts er- gaben die nahen Beziehungen des Kaisers zu Erzbischof Adalbert von Bremen. Kaum eine andre Persönlichkeit jener Zeit steht so lebendig vor uns, wie der thüringische Grafensohn, der 1045 (1043?) von Heinrich auf den Bremer Erzstuhl gehoben ward, denn die feine Feder Meister Adams 1) hat ihn uns am Leben erhalten, diesen schönen, reichbegabten, zum Fürsten geborenen Mann mit seinem kühnen, hochfliegenden Geist, voll Hingabe an die große Sache, die er erwählt, und doch von ungemessenem Ehrgeiz und reizbarem Stolze, phantastisch zugleich und weltfreudig, großzügig und eitel. Wie er der Bremer Kirche sein ganzes reiches Erbgut von zwei- tausend Bauernhöfen schenkte, wie er die päpstliche Würde, die ihm der Kaiser anbot (1046), ausschlug, weil er von seinem Erzbistum eine bessere Meinung hegte, so hat er sein Leben lang mit allen Kräften an der Erhöhung der hamburgisch-bremischen Kirche ge- arbeitet, an der Erweiterung ihres geistlichen Einflusses und an dem Ausbau ihrer weltlichen Macht, energisch und unermüdlich, aber 1) Vgl. S. 30. Von Neueren vgl. über Adalbert: Dehio, Gesch. des Erzb. Hamburg-Bremen I (1877), jetzt im einzelnen zu übertreffen; R. Müller, Stader Progr. 1885, Haucks Darstellung u. v. Schubert, Kirchengesch. Schles- wig-Holsteins I (1907), 81 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/34>, abgerufen am 19.04.2024.