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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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ähnliche, herzoggleiche Stellung einzunehmen, wie sie in kleinerem
Umfange etwa der Bischof von Würzburg im Laufe der Zeit wirk-
lich erlangt hat. Wie sehr aber lief ein solches Streben den Interessen
des sächsischen Laienadels, insbesondere der billungischen Herzogs-
familie entgegen! Und bei der einflußreichen Vertrauenstellung,
die Adalbert beim Kaiser einnahm, richtete sich die Unzufriedenheit
nun auch gegen Heinrich. Schon als dieser 1047 den Erzbischof
auf seinem Gute Lesum bei Bremen besuchte, wäre er fast das
Opfer eines Attentats geworden, -- und der Verbrecher war ein
Bruder des sächsischen Herzogs! Das war ein Merkzeichen der
Mißstimmung, die seitdem im Stillen weiterfraß, aber zu einem
offnen Ausbruch hier vorerst noch nicht führte.

Dagegen hatte der Kaiser nahezu während seiner ganzen
Regierung fast ununterbrochen mit dem Herzog Gottfried von Ober-
lothringen zu kämpfen, dem er das vom Vater besessene Nieder-
lothringen verweigert hatte (1044). Die Grenzlage des Herzogtums,
für den Kaiser um so unbequemer, als ihn die seit 1046 wieder
ausgebrochenen ungarischen Kämpfe in die entgegengesetzte Richtung
wiesen, die offene Hülfe des nie bezwungenen Flandern, die heim-
liche Gunst des französischen Königs, der nur vorübergehend um-
gestimmt wurde, der Mangel einer Reichsflotte, den man einmal
(1049) gar durch die Hülfe des Auslandes, dänische und englische
Schiffe, zu ersetzen versuchte, alles das machte diese fortgesetzten
Erhebungen für Heinrich höchst unangenehm. Statt den unver-
söhnlichen Gegner zu vernichten, nahm er mehrfach seine Unter-
werfung an, um ihn nach kurzer Zeit zu begnadigen und -- neue
Enttäuschungen zu erleben.

Geradezu bedrohlich für das Reich ward dann die Vermählung
Gottfrieds mit der Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien
(1054), die durch die weitverbreiteten Eigengüter und Lehen ihres
Hauses Canossa und das auf sie übergegangene tuszische Reichs-
amt ihres ersten Gemahls eine bedeutende Machtstellung in Mittel-
und Norditalien einnahm. Diese von der Kurie vielleicht insgeheim
geförderte Verbindung zwang den Kaiser zu seinem zweiten Rom-
zuge (1055). Sein entschlossenes Vorgehen blieb nicht ohne Erfolg.
Durch Begünstigung der Städte gewann er kräftigen Rückhalt, Beatrix
und ihre Tochter Mathilde gerieten in seine Haft. Aber Gottfried
selbst hatte sich schon vorher nach Deutschland geworfen, und der
dort aufs neue entfachte Aufstand erwuchs noch einmal zu einer
ernsten Gefahr durch die Verbindung mit der süddeutschen Op-
position.

Die von Heinrich selbst eingesetzten Herzöge Konrad von
Bayern und Welf III. von Kärnthen hatten sich als durchaus un-

I. Die Zeit der Salier.
ähnliche, herzoggleiche Stellung einzunehmen, wie sie in kleinerem
Umfange etwa der Bischof von Würzburg im Laufe der Zeit wirk-
lich erlangt hat. Wie sehr aber lief ein solches Streben den Interessen
des sächsischen Laienadels, insbesondere der billungischen Herzogs-
familie entgegen! Und bei der einflußreichen Vertrauenstellung,
die Adalbert beim Kaiser einnahm, richtete sich die Unzufriedenheit
nun auch gegen Heinrich. Schon als dieser 1047 den Erzbischof
auf seinem Gute Lesum bei Bremen besuchte, wäre er fast das
Opfer eines Attentats geworden, — und der Verbrecher war ein
Bruder des sächsischen Herzogs! Das war ein Merkzeichen der
Mißstimmung, die seitdem im Stillen weiterfraß, aber zu einem
offnen Ausbruch hier vorerst noch nicht führte.

Dagegen hatte der Kaiser nahezu während seiner ganzen
Regierung fast ununterbrochen mit dem Herzog Gottfried von Ober-
lothringen zu kämpfen, dem er das vom Vater besessene Nieder-
lothringen verweigert hatte (1044). Die Grenzlage des Herzogtums,
für den Kaiser um so unbequemer, als ihn die seit 1046 wieder
ausgebrochenen ungarischen Kämpfe in die entgegengesetzte Richtung
wiesen, die offene Hülfe des nie bezwungenen Flandern, die heim-
liche Gunst des französischen Königs, der nur vorübergehend um-
gestimmt wurde, der Mangel einer Reichsflotte, den man einmal
(1049) gar durch die Hülfe des Auslandes, dänische und englische
Schiffe, zu ersetzen versuchte, alles das machte diese fortgesetzten
Erhebungen für Heinrich höchst unangenehm. Statt den unver-
söhnlichen Gegner zu vernichten, nahm er mehrfach seine Unter-
werfung an, um ihn nach kurzer Zeit zu begnadigen und — neue
Enttäuschungen zu erleben.

Geradezu bedrohlich für das Reich ward dann die Vermählung
Gottfrieds mit der Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien
(1054), die durch die weitverbreiteten Eigengüter und Lehen ihres
Hauses Canossa und das auf sie übergegangene tuszische Reichs-
amt ihres ersten Gemahls eine bedeutende Machtstellung in Mittel-
und Norditalien einnahm. Diese von der Kurie vielleicht insgeheim
geförderte Verbindung zwang den Kaiser zu seinem zweiten Rom-
zuge (1055). Sein entschlossenes Vorgehen blieb nicht ohne Erfolg.
Durch Begünstigung der Städte gewann er kräftigen Rückhalt, Beatrix
und ihre Tochter Mathilde gerieten in seine Haft. Aber Gottfried
selbst hatte sich schon vorher nach Deutschland geworfen, und der
dort aufs neue entfachte Aufstand erwuchs noch einmal zu einer
ernsten Gefahr durch die Verbindung mit der süddeutschen Op-
position.

Die von Heinrich selbst eingesetzten Herzöge Konrad von
Bayern und Welf III. von Kärnthen hatten sich als durchaus un-

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[28/0036] I. Die Zeit der Salier. ähnliche, herzoggleiche Stellung einzunehmen, wie sie in kleinerem Umfange etwa der Bischof von Würzburg im Laufe der Zeit wirk- lich erlangt hat. Wie sehr aber lief ein solches Streben den Interessen des sächsischen Laienadels, insbesondere der billungischen Herzogs- familie entgegen! Und bei der einflußreichen Vertrauenstellung, die Adalbert beim Kaiser einnahm, richtete sich die Unzufriedenheit nun auch gegen Heinrich. Schon als dieser 1047 den Erzbischof auf seinem Gute Lesum bei Bremen besuchte, wäre er fast das Opfer eines Attentats geworden, — und der Verbrecher war ein Bruder des sächsischen Herzogs! Das war ein Merkzeichen der Mißstimmung, die seitdem im Stillen weiterfraß, aber zu einem offnen Ausbruch hier vorerst noch nicht führte. Dagegen hatte der Kaiser nahezu während seiner ganzen Regierung fast ununterbrochen mit dem Herzog Gottfried von Ober- lothringen zu kämpfen, dem er das vom Vater besessene Nieder- lothringen verweigert hatte (1044). Die Grenzlage des Herzogtums, für den Kaiser um so unbequemer, als ihn die seit 1046 wieder ausgebrochenen ungarischen Kämpfe in die entgegengesetzte Richtung wiesen, die offene Hülfe des nie bezwungenen Flandern, die heim- liche Gunst des französischen Königs, der nur vorübergehend um- gestimmt wurde, der Mangel einer Reichsflotte, den man einmal (1049) gar durch die Hülfe des Auslandes, dänische und englische Schiffe, zu ersetzen versuchte, alles das machte diese fortgesetzten Erhebungen für Heinrich höchst unangenehm. Statt den unver- söhnlichen Gegner zu vernichten, nahm er mehrfach seine Unter- werfung an, um ihn nach kurzer Zeit zu begnadigen und — neue Enttäuschungen zu erleben. Geradezu bedrohlich für das Reich ward dann die Vermählung Gottfrieds mit der Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien (1054), die durch die weitverbreiteten Eigengüter und Lehen ihres Hauses Canossa und das auf sie übergegangene tuszische Reichs- amt ihres ersten Gemahls eine bedeutende Machtstellung in Mittel- und Norditalien einnahm. Diese von der Kurie vielleicht insgeheim geförderte Verbindung zwang den Kaiser zu seinem zweiten Rom- zuge (1055). Sein entschlossenes Vorgehen blieb nicht ohne Erfolg. Durch Begünstigung der Städte gewann er kräftigen Rückhalt, Beatrix und ihre Tochter Mathilde gerieten in seine Haft. Aber Gottfried selbst hatte sich schon vorher nach Deutschland geworfen, und der dort aufs neue entfachte Aufstand erwuchs noch einmal zu einer ernsten Gefahr durch die Verbindung mit der süddeutschen Op- position. Die von Heinrich selbst eingesetzten Herzöge Konrad von Bayern und Welf III. von Kärnthen hatten sich als durchaus un-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/36>, abgerufen am 16.04.2024.