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Hauptmann, Gerhart: Fuhrmann Henschel. Berlin, 1899.

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Erster Akt.
Ein Bauernzimmer, Kellerwohnung. Durch zwei links hoch-
gelegene Fenster fällt das Dämmerlicht eines Winterspätnach-
mittags. Unter den Fenstern steht ein Bett aus weichem, gelb-
poliertem Holz, darin Frau Henschel krank liegt. Sie ist eine
Frau von etwa 36 Jahren. Nahe dem Bett die Wiege mit
ihrem halbjährigen Töchterchen. Ein zweites Bett an der Hin-
terwand, die, gleich den übrigen blau getüncht und gegen die
Decke mit einem dunklen Streifen abgesetzt ist. Rechts vorn, ein
großer, brauner Kachelofen mit Ofenbank. In der geräumigen
"Helle" ist viel kleingehacktes Brennholz aufgestapelt. Die Wand
rechts enthält eine kleine Thür zur Kammer. Hanne Schäl,
junge stramme Magd, ist in voller Beschäftigung; sie hat die
Holzlatschen bei Seite gestellt und läuft in den dicken, blauen
Strümpfen herum. Sie schiebt einen eisernen Topf, in dem
etwas kocht, aus dem Röhr und wieder hinein. Kochlöffel, Quirl,
Durchschlagsiebe liegen auf der Bank, ein großer, irdener, bau-
chiger Krug, der in einen Flaschenhals ausläuft und verstöpselt
ist; der Bornkrug steht auch darunter. Hanne's Röcke sind in
einen Wulst gerafft, ihr Mieder ist schwärzlich grau, die nervigen
Arme trägt sie bloß. Um den Ofen herum läuft oben eine
vierkantige Stange; lange sogenannte Jagdstrümpfe sind über
sie zum Trocknen aufgehängt, außerdem Windeln, Lederhosen mit
Bändchen und ein Paar Wasserstiefel. Rechts davon eine Lade
und ein Schrank; alte, bunte, schlesische Stücke. Durch die
offene Thür der Hinterwand sieht man in einen dunklen, breiten
Fuhrmann Henschel. 1
Erſter Akt.
Ein Bauernzimmer, Kellerwohnung. Durch zwei links hoch-
gelegene Fenſter fällt das Dämmerlicht eines Winterſpätnach-
mittags. Unter den Fenſtern ſteht ein Bett aus weichem, gelb-
poliertem Holz, darin Frau Henſchel krank liegt. Sie iſt eine
Frau von etwa 36 Jahren. Nahe dem Bett die Wiege mit
ihrem halbjährigen Töchterchen. Ein zweites Bett an der Hin-
terwand, die, gleich den übrigen blau getüncht und gegen die
Decke mit einem dunklen Streifen abgeſetzt iſt. Rechts vorn, ein
großer, brauner Kachelofen mit Ofenbank. In der geräumigen
„Helle“ iſt viel kleingehacktes Brennholz aufgeſtapelt. Die Wand
rechts enthält eine kleine Thür zur Kammer. Hanne Schäl,
junge ſtramme Magd, iſt in voller Beſchäftigung; ſie hat die
Holzlatſchen bei Seite geſtellt und läuft in den dicken, blauen
Strümpfen herum. Sie ſchiebt einen eiſernen Topf, in dem
etwas kocht, aus dem Röhr und wieder hinein. Kochlöffel, Quirl,
Durchſchlagſiebe liegen auf der Bank, ein großer, irdener, bau-
chiger Krug, der in einen Flaſchenhals ausläuft und verſtöpſelt
iſt; der Bornkrug ſteht auch darunter. Hanne’s Röcke ſind in
einen Wulſt gerafft, ihr Mieder iſt ſchwärzlich grau, die nervigen
Arme trägt ſie bloß. Um den Ofen herum läuft oben eine
vierkantige Stange; lange ſogenannte Jagdſtrümpfe ſind über
ſie zum Trocknen aufgehängt, außerdem Windeln, Lederhoſen mit
Bändchen und ein Paar Waſſerſtiefel. Rechts davon eine Lade
und ein Schrank; alte, bunte, ſchleſiſche Stücke. Durch die
offene Thür der Hinterwand ſieht man in einen dunklen, breiten
Fuhrmann Henſchel. 1
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[[1]/0011] Erſter Akt. Ein Bauernzimmer, Kellerwohnung. Durch zwei links hoch- gelegene Fenſter fällt das Dämmerlicht eines Winterſpätnach- mittags. Unter den Fenſtern ſteht ein Bett aus weichem, gelb- poliertem Holz, darin Frau Henſchel krank liegt. Sie iſt eine Frau von etwa 36 Jahren. Nahe dem Bett die Wiege mit ihrem halbjährigen Töchterchen. Ein zweites Bett an der Hin- terwand, die, gleich den übrigen blau getüncht und gegen die Decke mit einem dunklen Streifen abgeſetzt iſt. Rechts vorn, ein großer, brauner Kachelofen mit Ofenbank. In der geräumigen „Helle“ iſt viel kleingehacktes Brennholz aufgeſtapelt. Die Wand rechts enthält eine kleine Thür zur Kammer. Hanne Schäl, junge ſtramme Magd, iſt in voller Beſchäftigung; ſie hat die Holzlatſchen bei Seite geſtellt und läuft in den dicken, blauen Strümpfen herum. Sie ſchiebt einen eiſernen Topf, in dem etwas kocht, aus dem Röhr und wieder hinein. Kochlöffel, Quirl, Durchſchlagſiebe liegen auf der Bank, ein großer, irdener, bau- chiger Krug, der in einen Flaſchenhals ausläuft und verſtöpſelt iſt; der Bornkrug ſteht auch darunter. Hanne’s Röcke ſind in einen Wulſt gerafft, ihr Mieder iſt ſchwärzlich grau, die nervigen Arme trägt ſie bloß. Um den Ofen herum läuft oben eine vierkantige Stange; lange ſogenannte Jagdſtrümpfe ſind über ſie zum Trocknen aufgehängt, außerdem Windeln, Lederhoſen mit Bändchen und ein Paar Waſſerſtiefel. Rechts davon eine Lade und ein Schrank; alte, bunte, ſchleſiſche Stücke. Durch die offene Thür der Hinterwand ſieht man in einen dunklen, breiten Fuhrmann Henſchel. 1

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Fuhrmann Henschel. Berlin, 1899, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_henschel_1899/11>, abgerufen am 28.03.2024.