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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Kittelhaus (macht den Damen pantomimisch begreiflich, daß
es besser sei, sich zurückzuziehen. Er, seine Frau und Frau Dreissiger ver-
schwinden in den Salon).
Dreißiger (im höchsten Grade aufgebracht, zu dem inzwischen einge-
tretenen Polizeiverwalter)
Herr Verwalter, ich habe nun endlich
einen der Hauptsänger von meinen Färbereiarbeitern fest-
nehmen lassen. Jch konnte das nicht mehr weiter mit
ansehen. Die Frechheit geht einfach in's Grenzenlose.
Es ist empörend. Jch habe Gäste und diese Schufte er-
dreisten sich ... sie insultiren meine Frau, wenn sie sich zeigt,
meine Knaben sind ihres Lebens nicht sicher. Jch
riskire, daß sie meine Gäste mit Püffen traktiren. Jch
gebe Jhnen die Versicherung, wenn es in einem ge-
ordneten Gemeinwesen ungestraft möglich sein sollte,
unbescholtene Leute, wie ich und meine Familie, fort-
gesetzt öffentlich zu beschimpfen ... ja dann ... dann
müßte ich bedauern, andere Begriffe von Recht und
Gesittung zu haben.
Polizeiverwalter (etwa fünfzigjähriger Mann, mittelgroß,
corpulent, vollblütig. Er trägt Cavalleriuniform mit Schleppsäbel und Sporen).

Gewiß nicht ... Nein ... gewiß nicht, Herr Dreißiger! --
Verfügen Sie über mich. Beruhigen Sie sich nur,
ich stehe ganz zu Jhrer Verfügung. Es ist ganz in
der Ordnung ... Es ist mir sogar sehr lieb, daß Sie
einen der Hauptschreier haben festnehmen lassen. Es
ist mir sehr recht, daß die Sache nun endlich mal
zum klappen kommt. Es sind so'n paar Friedens-
störer hier, die ich schon lange auf der Pike habe.
Dreißiger. So'n paar grüne Burschen, ganz
recht, arbeitsscheues Gesindel, faule Lümmels, die
ein Luderleben führen, Tag für Tag in den
Schenken rumhocken, bis der letzte Pfennig durch
die Gurgel gejagt ist. Aber nun bin ich ent-
schlossen, ich werde diesen berufsmäßigen Schand-
mäulern das Handwerk legen, gründlich. Es ist
im allgemeinen Jnteresse, nicht nur im eigenen
Jnteresse.
Kittelhaus (macht den Damen pantomimiſch begreiflich, daß
es beſſer ſei, ſich zurückzuziehen. Er, ſeine Frau und Frau Dreiſſiger ver-
ſchwinden in den Salon).
Dreißiger (im höchſten Grade aufgebracht, zu dem inzwiſchen einge-
tretenen Polizeiverwalter)
Herr Verwalter, ich habe nun endlich
einen der Hauptſänger von meinen Färbereiarbeitern feſt-
nehmen laſſen. Jch konnte das nicht mehr weiter mit
anſehen. Die Frechheit geht einfach in’s Grenzenloſe.
Es iſt empörend. Jch habe Gäſte und dieſe Schufte er-
dreiſten ſich … ſie inſultiren meine Frau, wenn ſie ſich zeigt,
meine Knaben ſind ihres Lebens nicht ſicher. Jch
riskire, daß ſie meine Gäſte mit Püffen traktiren. Jch
gebe Jhnen die Verſicherung, wenn es in einem ge-
ordneten Gemeinweſen ungeſtraft möglich ſein ſollte,
unbeſcholtene Leute, wie ich und meine Familie, fort-
geſetzt öffentlich zu beſchimpfen … ja dann … dann
müßte ich bedauern, andere Begriffe von Recht und
Geſittung zu haben.
Polizeiverwalter (etwa fünfzigjähriger Mann, mittelgroß,
corpulent, vollblütig. Er trägt Cavalleriuniform mit Schleppſäbel und Sporen).

Gewiß nicht … Nein … gewiß nicht, Herr Dreißiger! —
Verfügen Sie über mich. Beruhigen Sie ſich nur,
ich ſtehe ganz zu Jhrer Verfügung. Es iſt ganz in
der Ordnung … Es iſt mir ſogar ſehr lieb, daß Sie
einen der Hauptſchreier haben feſtnehmen laſſen. Es
iſt mir ſehr recht, daß die Sache nun endlich mal
zum klappen kommt. Es ſind ſo’n paar Friedens-
ſtörer hier, die ich ſchon lange auf der Pike habe.
Dreißiger. So’n paar grüne Burſchen, ganz
recht, arbeitsſcheues Geſindel, faule Lümmels, die
ein Luderleben führen, Tag für Tag in den
Schenken rumhocken, bis der letzte Pfennig durch
die Gurgel gejagt iſt. Aber nun bin ich ent-
ſchloſſen, ich werde dieſen berufsmäßigen Schand-
mäulern das Handwerk legen, gründlich. Es iſt
im allgemeinen Jntereſſe, nicht nur im eigenen
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[78/0091] Kittelhaus (macht den Damen pantomimiſch begreiflich, daß es beſſer ſei, ſich zurückzuziehen. Er, ſeine Frau und Frau Dreiſſiger ver- ſchwinden in den Salon). Dreißiger (im höchſten Grade aufgebracht, zu dem inzwiſchen einge- tretenen Polizeiverwalter) Herr Verwalter, ich habe nun endlich einen der Hauptſänger von meinen Färbereiarbeitern feſt- nehmen laſſen. Jch konnte das nicht mehr weiter mit anſehen. Die Frechheit geht einfach in’s Grenzenloſe. Es iſt empörend. Jch habe Gäſte und dieſe Schufte er- dreiſten ſich … ſie inſultiren meine Frau, wenn ſie ſich zeigt, meine Knaben ſind ihres Lebens nicht ſicher. Jch riskire, daß ſie meine Gäſte mit Püffen traktiren. Jch gebe Jhnen die Verſicherung, wenn es in einem ge- ordneten Gemeinweſen ungeſtraft möglich ſein ſollte, unbeſcholtene Leute, wie ich und meine Familie, fort- geſetzt öffentlich zu beſchimpfen … ja dann … dann müßte ich bedauern, andere Begriffe von Recht und Geſittung zu haben. Polizeiverwalter (etwa fünfzigjähriger Mann, mittelgroß, corpulent, vollblütig. Er trägt Cavalleriuniform mit Schleppſäbel und Sporen). Gewiß nicht … Nein … gewiß nicht, Herr Dreißiger! — Verfügen Sie über mich. Beruhigen Sie ſich nur, ich ſtehe ganz zu Jhrer Verfügung. Es iſt ganz in der Ordnung … Es iſt mir ſogar ſehr lieb, daß Sie einen der Hauptſchreier haben feſtnehmen laſſen. Es iſt mir ſehr recht, daß die Sache nun endlich mal zum klappen kommt. Es ſind ſo’n paar Friedens- ſtörer hier, die ich ſchon lange auf der Pike habe. Dreißiger. So’n paar grüne Burſchen, ganz recht, arbeitsſcheues Geſindel, faule Lümmels, die ein Luderleben führen, Tag für Tag in den Schenken rumhocken, bis der letzte Pfennig durch die Gurgel gejagt iſt. Aber nun bin ich ent- ſchloſſen, ich werde dieſen berufsmäßigen Schand- mäulern das Handwerk legen, gründlich. Es iſt im allgemeinen Jntereſſe, nicht nur im eigenen Jntereſſe.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/91>, abgerufen am 20.04.2024.