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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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102.

Und wäre es denn wahr, daß die Deut-
schen so ganz Charakterlos nachahmen?
Das mindeste Gefühl des Genius unsrer
Sprache und unsrer Schriften zeigt etwas
anders von den urältesten Zeiten her.

Leset Otfried, leset das alte Siegs-
lied unter Ludwig; der gutmüthige und
biedre Charakter der Nation ist schon
durchaus kennbar. Er ists in den lateini-
schen Schriftstellern der mittleren Zeiten,
wie in unsern altdeutschen Sprüchwörtern,
Apophthegmen und Reimen. Allenthalben
findet ihr Altdeutschen Witz und

102.

Und waͤre es denn wahr, daß die Deut-
ſchen ſo ganz Charakterlos nachahmen?
Das mindeſte Gefuͤhl des Genius unſrer
Sprache und unſrer Schriften zeigt etwas
anders von den uraͤlteſten Zeiten her.

Leſet Otfried, leſet das alte Siegs-
lied unter Ludwig; der gutmuͤthige und
biedre Charakter der Nation iſt ſchon
durchaus kennbar. Er iſts in den lateini-
ſchen Schriftſtellern der mittleren Zeiten,
wie in unſern altdeutſchen Spruͤchwoͤrtern,
Apophthegmen und Reimen. Allenthalben
findet ihr Altdeutſchen Witz und

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[118/0137] 102. Und waͤre es denn wahr, daß die Deut- ſchen ſo ganz Charakterlos nachahmen? Das mindeſte Gefuͤhl des Genius unſrer Sprache und unſrer Schriften zeigt etwas anders von den uraͤlteſten Zeiten her. Leſet Otfried, leſet das alte Siegs- lied unter Ludwig; der gutmuͤthige und biedre Charakter der Nation iſt ſchon durchaus kennbar. Er iſts in den lateini- ſchen Schriftſtellern der mittleren Zeiten, wie in unſern altdeutſchen Spruͤchwoͤrtern, Apophthegmen und Reimen. Allenthalben findet ihr Altdeutſchen Witz und

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/137>, abgerufen am 29.03.2024.