Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Wäldchen.
man sie nicht aber nach seinem Augenmaaße stellen?
nicht seinen Blick zu ihnen erheben? gewöhnen?
und kannst du das nicht, so siehe die Sonne in die-
sem ihrem stralenden Wasserbilde! Siehe den Ab-
glanz orientalischer Hoheit in einem Klopstock; von
Erde bist du, wenn du an einen Silius Jtalicus
hierinn, als Vorbild, zurück eilest.

8.

"Auch Künstler sollen Gott und Christus wür-
"dig bilden!a)" Wie todt ist, was Hr. Kl. hier-
über sagt, gegen das, was andre gesagt haben.
Hier ist Klopstock, da er Winkelmann beurtheilet,
und wem ist es nicht ein sehenswerther Anblick, zween
solche Männer, zwei Enden des menschlichen Geistes,
zwei Extreme deutscher Originale, von denen der Ei-
ne unter, der andre über Deutschland seinen Ort sand
-- ich sage, ists nicht ein merkwürdiger Anblick, sol-
che zween Markgrafen deutscher Hoheit von ihren
Grenzsteinen zusammen treten zu sehen, zusammen
sprechen zu hören. Das Stück ihres Gesprächs im
nordischen Aufseher b) ist mir eine Art von Phäno-
menon! "Der einzige Weg für uns, unnachahm-
"lich zu werden, sagt Winkelmann, ist die Nachah-
"mung der Alten." "Jch würde, versetzt Klop-
"stock, diese Einschränkung hinzusetzen: in den Ar-
"ten der Schönheiten, die sie erschöpft haben.
"Denn welches Genie würde nicht erschrecken müs-

"sen,
a) p. 97. 98.
b) Nord. Aufseh. 3. B. St. 150.
F 5

Zweites Waͤldchen.
man ſie nicht aber nach ſeinem Augenmaaße ſtellen?
nicht ſeinen Blick zu ihnen erheben? gewoͤhnen?
und kannſt du das nicht, ſo ſiehe die Sonne in die-
ſem ihrem ſtralenden Waſſerbilde! Siehe den Ab-
glanz orientaliſcher Hoheit in einem Klopſtock; von
Erde biſt du, wenn du an einen Silius Jtalicus
hierinn, als Vorbild, zuruͤck eileſt.

8.

„Auch Kuͤnſtler ſollen Gott und Chriſtus wuͤr-
„dig bilden!a)„ Wie todt iſt, was Hr. Kl. hier-
uͤber ſagt, gegen das, was andre geſagt haben.
Hier iſt Klopſtock, da er Winkelmann beurtheilet,
und wem iſt es nicht ein ſehenswerther Anblick, zween
ſolche Maͤnner, zwei Enden des menſchlichen Geiſtes,
zwei Extreme deutſcher Originale, von denen der Ei-
ne unter, der andre uͤber Deutſchland ſeinen Ort ſand
— ich ſage, iſts nicht ein merkwuͤrdiger Anblick, ſol-
che zween Markgrafen deutſcher Hoheit von ihren
Grenzſteinen zuſammen treten zu ſehen, zuſammen
ſprechen zu hoͤren. Das Stuͤck ihres Geſpraͤchs im
nordiſchen Aufſeher b) iſt mir eine Art von Phaͤno-
menon! „Der einzige Weg fuͤr uns, unnachahm-
„lich zu werden, ſagt Winkelmann, iſt die Nachah-
„mung der Alten.„ „Jch wuͤrde, verſetzt Klop-
„ſtock, dieſe Einſchraͤnkung hinzuſetzen: in den Ar-
„ten der Schoͤnheiten, die ſie erſchoͤpft haben.
„Denn welches Genie wuͤrde nicht erſchrecken muͤſ-

„ſen,
a) p. 97. 98.
b) Nord. Aufſeh. 3. B. St. 150.
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweites Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
man &#x017F;ie nicht aber nach &#x017F;einem Augenmaaße &#x017F;tellen?<lb/>
nicht &#x017F;einen Blick zu ihnen erheben? gewo&#x0364;hnen?<lb/>
und kann&#x017F;t du das nicht, &#x017F;o &#x017F;iehe die Sonne in die-<lb/>
&#x017F;em ihrem &#x017F;tralenden Wa&#x017F;&#x017F;erbilde! Siehe den Ab-<lb/>
glanz orientali&#x017F;cher Hoheit in einem Klop&#x017F;tock; von<lb/>
Erde bi&#x017F;t du, wenn du an einen Silius Jtalicus<lb/>
hierinn, als Vorbild, zuru&#x0364;ck eile&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>8.</head><lb/>
          <p>&#x201E;Auch Ku&#x0364;n&#x017F;tler &#x017F;ollen Gott und Chri&#x017F;tus wu&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;dig bilden!<note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 97. 98.</note>&#x201E; Wie todt i&#x017F;t, was Hr. Kl. hier-<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;agt, gegen das, was andre ge&#x017F;agt haben.<lb/>
Hier i&#x017F;t Klop&#x017F;tock, da er Winkelmann beurtheilet,<lb/>
und wem i&#x017F;t es nicht ein &#x017F;ehenswerther Anblick, zween<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;olche</hi> Ma&#x0364;nner, zwei Enden des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes,<lb/>
zwei Extreme deut&#x017F;cher Originale, von denen der Ei-<lb/>
ne unter, der andre u&#x0364;ber Deut&#x017F;chland &#x017F;einen Ort &#x017F;and<lb/>
&#x2014; ich &#x017F;age, i&#x017F;ts nicht ein merkwu&#x0364;rdiger Anblick, &#x017F;ol-<lb/>
che zween Markgrafen deut&#x017F;cher Hoheit von ihren<lb/>
Grenz&#x017F;teinen zu&#x017F;ammen treten zu &#x017F;ehen, zu&#x017F;ammen<lb/>
&#x017F;prechen zu ho&#x0364;ren. Das Stu&#x0364;ck ihres Ge&#x017F;pra&#x0364;chs im<lb/>
nordi&#x017F;chen Auf&#x017F;eher <note place="foot" n="b)">Nord. Auf&#x017F;eh. 3. B. St. 150.</note> i&#x017F;t mir eine Art von Pha&#x0364;no-<lb/>
menon! &#x201E;Der einzige Weg fu&#x0364;r uns, unnachahm-<lb/>
&#x201E;lich zu werden, &#x017F;agt Winkelmann, i&#x017F;t die Nachah-<lb/>
&#x201E;mung der Alten.&#x201E; &#x201E;Jch wu&#x0364;rde, ver&#x017F;etzt Klop-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tock, die&#x017F;e Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung hinzu&#x017F;etzen: in den Ar-<lb/>
&#x201E;ten der Scho&#x0364;nheiten, die &#x017F;ie er&#x017F;cho&#x0364;pft haben.<lb/>
&#x201E;Denn welches Genie wu&#x0364;rde nicht er&#x017F;chrecken mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;en,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0095] Zweites Waͤldchen. man ſie nicht aber nach ſeinem Augenmaaße ſtellen? nicht ſeinen Blick zu ihnen erheben? gewoͤhnen? und kannſt du das nicht, ſo ſiehe die Sonne in die- ſem ihrem ſtralenden Waſſerbilde! Siehe den Ab- glanz orientaliſcher Hoheit in einem Klopſtock; von Erde biſt du, wenn du an einen Silius Jtalicus hierinn, als Vorbild, zuruͤck eileſt. 8. „Auch Kuͤnſtler ſollen Gott und Chriſtus wuͤr- „dig bilden! a)„ Wie todt iſt, was Hr. Kl. hier- uͤber ſagt, gegen das, was andre geſagt haben. Hier iſt Klopſtock, da er Winkelmann beurtheilet, und wem iſt es nicht ein ſehenswerther Anblick, zween ſolche Maͤnner, zwei Enden des menſchlichen Geiſtes, zwei Extreme deutſcher Originale, von denen der Ei- ne unter, der andre uͤber Deutſchland ſeinen Ort ſand — ich ſage, iſts nicht ein merkwuͤrdiger Anblick, ſol- che zween Markgrafen deutſcher Hoheit von ihren Grenzſteinen zuſammen treten zu ſehen, zuſammen ſprechen zu hoͤren. Das Stuͤck ihres Geſpraͤchs im nordiſchen Aufſeher b) iſt mir eine Art von Phaͤno- menon! „Der einzige Weg fuͤr uns, unnachahm- „lich zu werden, ſagt Winkelmann, iſt die Nachah- „mung der Alten.„ „Jch wuͤrde, verſetzt Klop- „ſtock, dieſe Einſchraͤnkung hinzuſetzen: in den Ar- „ten der Schoͤnheiten, die ſie erſchoͤpft haben. „Denn welches Genie wuͤrde nicht erſchrecken muͤſ- „ſen, a) p. 97. 98. b) Nord. Aufſeh. 3. B. St. 150. F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/95
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/95>, abgerufen am 18.04.2024.