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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Wäsche, Schuhe etc. fabriksmässig. Denn in den europäischen
Abfahrtsstationen werden unsere armen Leute neu gekleidet.
Es wird ihnen damit kein Geschenk gemacht, weil sie nicht
gedemüthigt werden sollen. Es werden ihnen nur ihre alten
Sachen gegen neue eingetauscht. Verliert die Company dabei
etwas, so wird es als Geschäftsverlust gebucht. Die völlig Besitzlosen
werden für die Bekleidung Schuldner der Company
und zahlen drüben in Arbeitsüberstunden, die ihnen für gute
Aufführung erlassen werden.

An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden Auswanderungsvereine
Gelegenheit, helfend einzugreifen. Alles was
sie für die wandernden Juden bisher zu thun pflegten, sollen
sie zukünftig für die Colonisten der Jewish Company thun. Die
Formen dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden
lassen.

Schon in der Neubekleidung der armen Auswanderer soll
etwas Symbolisches enthalten sein: Ihr beginnt jetzt ein neues
Leben! Die Society of Jews wird dafür sorgen, dass schon
lange vor der Abreise und auch unterwegs durch Gebete, populäre
Vorträge, Belehrungen über den Zweck des Unternehmens,
hygienische Vorschriften für die neuen Wohnorte, Anleitungen
zur künftigen Arbeit, eine ernste und festliche Stimmung erhalten
werde. Denn das gelobte Land ist das Land der Arbeit.
Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den Spitzen
unserer Behörden feierlich empfangen werden. Ohne thörichten
Jubel, denn das gelobte Land muss erst erobert werden. Aber
schon sollen diese armen Menschen sehen, dass sie zuhause sind.

Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer
wird nicht planlos produciren. Durch die Society of
Jews, welche von den Ortsgruppen die Mittheilung erhalten
wird, muss die Jewish Company rechtzeitig die Zahl, den Ankunftstag
und die Bedürfnisse der Auswanderer kennen. So ist
es möglich, für sie umsichtig vorzusorgen.



Industrielle Anregungen.

Die Aufgaben der Jewish Company und der Society of
Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert vorgetragen
werden. Thatsächlich werden diese beiden grossen
Organe beständig zusammenwirken müssen. Die Company wird

Wäsche, Schuhe etc. fabriksmässig. Denn in den europäischen
Abfahrtsstationen werden unsere armen Leute neu gekleidet.
Es wird ihnen damit kein Geschenk gemacht, weil sie nicht
gedemüthigt werden sollen. Es werden ihnen nur ihre alten
Sachen gegen neue eingetauscht. Verliert die Company dabei
etwas, so wird es als Geschäftsverlust gebucht. Die völlig Besitzlosen
werden für die Bekleidung Schuldner der Company
und zahlen drüben in Arbeitsüberstunden, die ihnen für gute
Aufführung erlassen werden.

An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden Auswanderungsvereine
Gelegenheit, helfend einzugreifen. Alles was
sie für die wandernden Juden bisher zu thun pflegten, sollen
sie zukünftig für die Colonisten der Jewish Company thun. Die
Formen dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden
lassen.

Schon in der Neubekleidung der armen Auswanderer soll
etwas Symbolisches enthalten sein: Ihr beginnt jetzt ein neues
Leben! Die Society of Jews wird dafür sorgen, dass schon
lange vor der Abreise und auch unterwegs durch Gebete, populäre
Vorträge, Belehrungen über den Zweck des Unternehmens,
hygienische Vorschriften für die neuen Wohnorte, Anleitungen
zur künftigen Arbeit, eine ernste und festliche Stimmung erhalten
werde. Denn das gelobte Land ist das Land der Arbeit.
Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den Spitzen
unserer Behörden feierlich empfangen werden. Ohne thörichten
Jubel, denn das gelobte Land muss erst erobert werden. Aber
schon sollen diese armen Menschen sehen, dass sie zuhause sind.

Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer
wird nicht planlos produciren. Durch die Society of
Jews, welche von den Ortsgruppen die Mittheilung erhalten
wird, muss die Jewish Company rechtzeitig die Zahl, den Ankunftstag
und die Bedürfnisse der Auswanderer kennen. So ist
es möglich, für sie umsichtig vorzusorgen.



Industrielle Anregungen.

Die Aufgaben der Jewish Company und der Society of
Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert vorgetragen
werden. Thatsächlich werden diese beiden grossen
Organe beständig zusammenwirken müssen. Die Company wird

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[0047] Wäsche, Schuhe etc. fabriksmässig. Denn in den europäischen Abfahrtsstationen werden unsere armen Leute neu gekleidet. Es wird ihnen damit kein Geschenk gemacht, weil sie nicht gedemüthigt werden sollen. Es werden ihnen nur ihre alten Sachen gegen neue eingetauscht. Verliert die Company dabei etwas, so wird es als Geschäftsverlust gebucht. Die völlig Besitzlosen werden für die Bekleidung Schuldner der Company und zahlen drüben in Arbeitsüberstunden, die ihnen für gute Aufführung erlassen werden. An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden Auswanderungsvereine Gelegenheit, helfend einzugreifen. Alles was sie für die wandernden Juden bisher zu thun pflegten, sollen sie zukünftig für die Colonisten der Jewish Company thun. Die Formen dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden lassen. Schon in der Neubekleidung der armen Auswanderer soll etwas Symbolisches enthalten sein: Ihr beginnt jetzt ein neues Leben! Die Society of Jews wird dafür sorgen, dass schon lange vor der Abreise und auch unterwegs durch Gebete, populäre Vorträge, Belehrungen über den Zweck des Unternehmens, hygienische Vorschriften für die neuen Wohnorte, Anleitungen zur künftigen Arbeit, eine ernste und festliche Stimmung erhalten werde. Denn das gelobte Land ist das Land der Arbeit. Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den Spitzen unserer Behörden feierlich empfangen werden. Ohne thörichten Jubel, denn das gelobte Land muss erst erobert werden. Aber schon sollen diese armen Menschen sehen, dass sie zuhause sind. Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer wird nicht planlos produciren. Durch die Society of Jews, welche von den Ortsgruppen die Mittheilung erhalten wird, muss die Jewish Company rechtzeitig die Zahl, den Ankunftstag und die Bedürfnisse der Auswanderer kennen. So ist es möglich, für sie umsichtig vorzusorgen. Industrielle Anregungen. Die Aufgaben der Jewish Company und der Society of Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert vorgetragen werden. Thatsächlich werden diese beiden grossen Organe beständig zusammenwirken müssen. Die Company wird

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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/47>, abgerufen am 29.03.2024.