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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Arien.
ISt denn dein hertze gar erfroren?
Bist du aus schnes und eiß gebohren?
Hörst du mein seuffzen nicht/
Und was mein unmuth spricht?
Soll ich dich göttin nennen?
So nim des himmels wehmuth an/
Der leichtlich sich erbarmen kan/
Und uns nicht ewig läßt in hoffnungs-flammen brennen.
Des blutes-regung zu vermeiden/
Und gantz von fleisch und blut zu scheiden/
Ist nirgends ein gebot/
Es heissets auch nicht GOtt;
Sich selber zu verlassen
Ist eine flucht/ so sträfflich ist/
Und wer ihm solche bahn erkiest/
Den muß die menschlichkeit als einen unmensch hassen.
Du kanst ja deiner nicht geniessen/
Kein mund weiß selber sich zu küssen/
Der schnee auff deiner brust
Bringt dir geringe lust.
Die fleischichten Granaten
Seynd nicht allein vor dich erdacht/
Kein mensch ist vor sich selbst gemacht;
Es weiß der klügste geist ihm hier nicht recht zu rathen.
Die rose suchet ihr verderben/
Die auff dem stocke wünscht zu sterben/
Und nur ihr gantz allein
Meynt angetraut zu seyn.
Willstu dich selbst begraben?
Wer sich in sich umsonst verzehrt/
Ist warlich seiner selbst nicht werth/
Und muß der thorheit schild an seiner grabstatt haben.
Be-
Verliebte Arien.
ISt denn dein hertze gar erfroren?
Biſt du aus ſchnes und eiß gebohren?
Hoͤrſt du mein ſeuffzen nicht/
Und was mein unmuth ſpricht?
Soll ich dich goͤttin nennen?
So nim des himmels wehmuth an/
Der leichtlich ſich erbarmen kan/
Und uns nicht ewig laͤßt in hoffnungs-flammen brennen.
Des blutes-regung zu vermeiden/
Und gantz von fleiſch und blut zu ſcheiden/
Iſt nirgends ein gebot/
Es heiſſets auch nicht GOtt;
Sich ſelber zu verlaſſen
Iſt eine flucht/ ſo ſtraͤfflich iſt/
Und wer ihm ſolche bahn erkieſt/
Den muß die menſchlichkeit als einen unmenſch haſſen.
Du kanſt ja deiner nicht genieſſen/
Kein mund weiß ſelber ſich zu kuͤſſen/
Der ſchnee auff deiner bruſt
Bringt dir geringe luſt.
Die fleiſchichten Granaten
Seynd nicht allein vor dich erdacht/
Kein menſch iſt vor ſich ſelbſt gemacht;
Es weiß der kluͤgſte geiſt ihm hier nicht recht zu rathen.
Die roſe ſuchet ihr verderben/
Die auff dem ſtocke wuͤnſcht zu ſterben/
Und nur ihr gantz allein
Meynt angetraut zu ſeyn.
Willſtu dich ſelbſt begraben?
Wer ſich in ſich umſonſt verzehrt/
Iſt warlich ſeiner ſelbſt nicht werth/
Und muß der thorheit ſchild an ſeiner grabſtatt haben.
Be-
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[301/0345] Verliebte Arien. C. H. V. H. ISt denn dein hertze gar erfroren? Biſt du aus ſchnes und eiß gebohren? Hoͤrſt du mein ſeuffzen nicht/ Und was mein unmuth ſpricht? Soll ich dich goͤttin nennen? So nim des himmels wehmuth an/ Der leichtlich ſich erbarmen kan/ Und uns nicht ewig laͤßt in hoffnungs-flammen brennen. Des blutes-regung zu vermeiden/ Und gantz von fleiſch und blut zu ſcheiden/ Iſt nirgends ein gebot/ Es heiſſets auch nicht GOtt; Sich ſelber zu verlaſſen Iſt eine flucht/ ſo ſtraͤfflich iſt/ Und wer ihm ſolche bahn erkieſt/ Den muß die menſchlichkeit als einen unmenſch haſſen. Du kanſt ja deiner nicht genieſſen/ Kein mund weiß ſelber ſich zu kuͤſſen/ Der ſchnee auff deiner bruſt Bringt dir geringe luſt. Die fleiſchichten Granaten Seynd nicht allein vor dich erdacht/ Kein menſch iſt vor ſich ſelbſt gemacht; Es weiß der kluͤgſte geiſt ihm hier nicht recht zu rathen. Die roſe ſuchet ihr verderben/ Die auff dem ſtocke wuͤnſcht zu ſterben/ Und nur ihr gantz allein Meynt angetraut zu ſeyn. Willſtu dich ſelbſt begraben? Wer ſich in ſich umſonſt verzehrt/ Iſt warlich ſeiner ſelbſt nicht werth/ Und muß der thorheit ſchild an ſeiner grabſtatt haben. Be-

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/345>, abgerufen am 18.04.2024.