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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Hochzeit-Getichte.
Man sorget vor den tantz. Wills dann ins bette gehen,
So findt sich tausend noth: Noth um die erste krafft;
Noth, wie das nacht-gezeug und andre sachen stehen;
Noth endlich um die scham: Noth um die jungferschafft.
Nach diesem heist es erst: Schafft löffel, schüssel, tiegel!
Sorgt vor den kleider-schmuck! schafft bette, holtz und licht!
Der frau die junge magd, und auch die schönsten spiegel!
Es fehle, was da will, nur an dem staate nicht.
Dann fängt das neue weib allmählich an zu siechen;
Sie merckt, daß sich der schmertz in haupt und seite regt;
Sie kan durchaus kein fleisch vor grossem eckel riechen;
Sie fühlet, daß das hertz in ihr gedoppelt schlägt.
Die stunde rückt heran, die wiege zu bestellen,
Das bett und wochen-zeug will eingekauffet seyn,
Man kaufft die windel-schnur von mehr als vierzehn ellen,
Und mutter Liese büßt nicht einen zweyer ein.
Kommt nun der klapper-storch, so kommen neue grillen
Vor kind und wöchnerin, wer soll gevatter stehn?
Die amme wird gedingt, das hänselgen zu stillen,
Ein kinder-mägdgen muß der frau zu handen gehn;
So bitter ist der stand. Und soll man ihn vergleichen,
So stellt Corneli-tag sein bild leibhafftig dar,
Der manchem zum arrest kein allzu gutes zeichen
Und zu der schlägerey nicht allzuglücklich war.
Doch halt, verwegner kiel! der nur die bitterkeiten,
Nicht aber auch zugleich des ehstands nectar weist;
Er ist das süsseste, so glück und lust bereiten,
Er ist wie Canaan, da milch und honig fleußt
Der himmel hat ihn nicht so zeitlich eingesetzet,
Als er auf ihn zugleich den zucker ausgestreut;
Und so der herbe schmack den gaumen nur verletzet,
Wie daß die menschen denn von anbeginn gefreyt?
Gestohlne wasser zwar sind in der kehle süsse,
Und mancher machet sich fast durch die halbe welt;
Doch kommt das grimmen nach, weil stets bey dem genüsse
Furcht, schimpff und feiger muth die schnöde lust vergällt.
Hinge-
Hochzeit-Getichte.
Man ſorget vor den tantz. Wills dann ins bette gehen,
So findt ſich tauſend noth: Noth um die erſte krafft;
Noth, wie das nacht-gezeug und andre ſachen ſtehen;
Noth endlich um die ſcham: Noth um die jungferſchafft.
Nach dieſem heiſt es erſt: Schafft loͤffel, ſchuͤſſel, tiegel!
Sorgt vor den kleider-ſchmuck! ſchafft bette, holtz und licht!
Der frau die junge magd, und auch die ſchoͤnſten ſpiegel!
Es fehle, was da will, nur an dem ſtaate nicht.
Dann faͤngt das neue weib allmaͤhlich an zu ſiechen;
Sie merckt, daß ſich der ſchmertz in haupt und ſeite regt;
Sie kan durchaus kein fleiſch vor groſſem eckel riechen;
Sie fuͤhlet, daß das hertz in ihr gedoppelt ſchlaͤgt.
Die ſtunde ruͤckt heran, die wiege zu beſtellen,
Das bett und wochen-zeug will eingekauffet ſeyn,
Man kaufft die windel-ſchnur von mehr als vierzehn ellen,
Und mutter Lieſe buͤßt nicht einen zweyer ein.
Kommt nun der klapper-ſtorch, ſo kommen neue grillen
Vor kind und woͤchnerin, wer ſoll gevatter ſtehn?
Die amme wird gedingt, das haͤnſelgen zu ſtillen,
Ein kinder-maͤgdgen muß der frau zu handen gehn;
So bitter iſt der ſtand. Und ſoll man ihn vergleichen,
So ſtellt Corneli-tag ſein bild leibhafftig dar,
Der manchem zum arreſt kein allzu gutes zeichen
Und zu der ſchlaͤgerey nicht allzugluͤcklich war.
Doch halt, verwegner kiel! der nur die bitterkeiten,
Nicht aber auch zugleich des ehſtands nectar weiſt;
Er iſt das ſuͤſſeſte, ſo gluͤck und luſt bereiten,
Er iſt wie Canaan, da milch und honig fleußt
Der himmel hat ihn nicht ſo zeitlich eingeſetzet,
Als er auf ihn zugleich den zucker ausgeſtreut;
Und ſo der herbe ſchmack den gaumen nur verletzet,
Wie daß die menſchen denn von anbeginn gefreyt?
Geſtohlne waſſer zwar ſind in der kehle ſuͤſſe,
Und mancher machet ſich faſt durch die halbe welt;
Doch kommt das grimmen nach, weil ſtets bey dem genuͤſſe
Furcht, ſchimpff und feiger muth die ſchnoͤde luſt vergaͤllt.
Hinge-
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[127/0151] Hochzeit-Getichte. Man ſorget vor den tantz. Wills dann ins bette gehen, So findt ſich tauſend noth: Noth um die erſte krafft; Noth, wie das nacht-gezeug und andre ſachen ſtehen; Noth endlich um die ſcham: Noth um die jungferſchafft. Nach dieſem heiſt es erſt: Schafft loͤffel, ſchuͤſſel, tiegel! Sorgt vor den kleider-ſchmuck! ſchafft bette, holtz und licht! Der frau die junge magd, und auch die ſchoͤnſten ſpiegel! Es fehle, was da will, nur an dem ſtaate nicht. Dann faͤngt das neue weib allmaͤhlich an zu ſiechen; Sie merckt, daß ſich der ſchmertz in haupt und ſeite regt; Sie kan durchaus kein fleiſch vor groſſem eckel riechen; Sie fuͤhlet, daß das hertz in ihr gedoppelt ſchlaͤgt. Die ſtunde ruͤckt heran, die wiege zu beſtellen, Das bett und wochen-zeug will eingekauffet ſeyn, Man kaufft die windel-ſchnur von mehr als vierzehn ellen, Und mutter Lieſe buͤßt nicht einen zweyer ein. Kommt nun der klapper-ſtorch, ſo kommen neue grillen Vor kind und woͤchnerin, wer ſoll gevatter ſtehn? Die amme wird gedingt, das haͤnſelgen zu ſtillen, Ein kinder-maͤgdgen muß der frau zu handen gehn; So bitter iſt der ſtand. Und ſoll man ihn vergleichen, So ſtellt Corneli-tag ſein bild leibhafftig dar, Der manchem zum arreſt kein allzu gutes zeichen Und zu der ſchlaͤgerey nicht allzugluͤcklich war. Doch halt, verwegner kiel! der nur die bitterkeiten, Nicht aber auch zugleich des ehſtands nectar weiſt; Er iſt das ſuͤſſeſte, ſo gluͤck und luſt bereiten, Er iſt wie Canaan, da milch und honig fleußt Der himmel hat ihn nicht ſo zeitlich eingeſetzet, Als er auf ihn zugleich den zucker ausgeſtreut; Und ſo der herbe ſchmack den gaumen nur verletzet, Wie daß die menſchen denn von anbeginn gefreyt? Geſtohlne waſſer zwar ſind in der kehle ſuͤſſe, Und mancher machet ſich faſt durch die halbe welt; Doch kommt das grimmen nach, weil ſtets bey dem genuͤſſe Furcht, ſchimpff und feiger muth die ſchnoͤde luſt vergaͤllt. Hinge-

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/151>, abgerufen am 29.03.2024.