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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Begräbniß-Getichte.
Allein wie irren doch die allerbesten schlüsse,
Wenn GOtt uns einen strich in unsre rechnung macht!
Dein vorsatz war gerecht, die hoffnung zucker-süsse;
Der heyland aber hat ein ander ziel erdacht.
Eleonor erbleicht, die weichen glieder starren,
Die augen sincken hin, ihr blick verliehret sich,
Jhr geist darff länger nicht in dieser welt verharren,
Und dieses scheiden ist vor dich ein hertzens-stich.
GOtt aber meint es gut, ja besser, als wir dencken,
Ob seine wege gleich verborgne räthsel sind.
Wer weiß, ob uns die grufft, die itzt von thränen-träncken
Und todten-wasser quillt, nicht trost und leben rinnt.
GOtt meint es warlich gut, auch wann er böse scheinet,
Auch wenn er unser haupt mit asch und moder deckt.
Ein David wird erquickt, indem er ächtzt und weinet:
Man siehet, daß ein dorn offt voller rosen steckt.
Hoch-werthester patron! dir sind die weisen bücher
Des trostes ja so wohl, als der Astree, bekannt,
Drum laß den düstren flor, die nassen wehmuth-tücher
Nur einen augenblick aus augen, sinn und hand!
Jch weiß, es wird ein blat das lange trauren lindern:
Jch weiß, es kläret sich der himmel etwas aus,
Der itzt so düster läßt. Ja um dein leid zu mindern,
So wirff nur einen blick auf dein geliebtes haus.
Kommt Leonore dir nicht weiter zu gesichte?
Jst deine tochter todt? so lebt doch Friderich,
Dein liebstes söhngen, noch, die hoffnung vieler früchte;
Vor den und deinen schatz tröst' und erhalte dich!
Aus diesem reise soll noch einst ein baum entstehen,
Es wird noch dieser sohn ein andrer vater seyn.
Drum kan der hoffnungs-stern nicht gäntzlich untergehen:
So bricht durch trübe nacht gleichwohl ein sonnen-schein.
Führt aber doch der schmertz dich stets auf Leonoren?
Wird noch nicht trost genung bey ihrer bahr erkiest?
So denck an ihren geist, als welcher neu-gebohren,
Und in der ewigkeit ein holder engel ist.
Ver-
N 4
Begraͤbniß-Getichte.
Allein wie irren doch die allerbeſten ſchluͤſſe,
Wenn GOtt uns einen ſtrich in unſre rechnung macht!
Dein vorſatz war gerecht, die hoffnung zucker-ſuͤſſe;
Der heyland aber hat ein ander ziel erdacht.
Eleonor erbleicht, die weichen glieder ſtarren,
Die augen ſincken hin, ihr blick verliehret ſich,
Jhr geiſt darff laͤnger nicht in dieſer welt verharren,
Und dieſes ſcheiden iſt vor dich ein hertzens-ſtich.
GOtt aber meint es gut, ja beſſer, als wir dencken,
Ob ſeine wege gleich verborgne raͤthſel ſind.
Wer weiß, ob uns die grufft, die itzt von thraͤnen-traͤncken
Und todten-waſſer quillt, nicht troſt und leben rinnt.
GOtt meint es warlich gut, auch wann er boͤſe ſcheinet,
Auch wenn er unſer haupt mit aſch und moder deckt.
Ein David wird erquickt, indem er aͤchtzt und weinet:
Man ſiehet, daß ein dorn offt voller roſen ſteckt.
Hoch-wertheſter patron! dir ſind die weiſen buͤcher
Des troſtes ja ſo wohl, als der Aſtree, bekannt,
Drum laß den duͤſtren flor, die naſſen wehmuth-tuͤcher
Nur einen augenblick aus augen, ſinn und hand!
Jch weiß, es wird ein blat das lange trauren lindern:
Jch weiß, es klaͤret ſich der himmel etwas aus,
Der itzt ſo duͤſter laͤßt. Ja um dein leid zu mindern,
So wirff nur einen blick auf dein geliebtes haus.
Kommt Leonore dir nicht weiter zu geſichte?
Jſt deine tochter todt? ſo lebt doch Friderich,
Dein liebſtes ſoͤhngen, noch, die hoffnung vieler fruͤchte;
Vor den und deinen ſchatz troͤſt’ und erhalte dich!
Aus dieſem reiſe ſoll noch einſt ein baum entſtehen,
Es wird noch dieſer ſohn ein andrer vater ſeyn.
Drum kan der hoffnungs-ſtern nicht gaͤntzlich untergehen:
So bricht durch truͤbe nacht gleichwohl ein ſonnen-ſchein.
Fuͤhrt aber doch der ſchmertz dich ſtets auf Leonoren?
Wird noch nicht troſt genung bey ihrer bahr erkieſt?
So denck an ihren geiſt, als welcher neu-gebohren,
Und in der ewigkeit ein holder engel iſt.
Ver-
N 4
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[199/0223] Begraͤbniß-Getichte. Allein wie irren doch die allerbeſten ſchluͤſſe, Wenn GOtt uns einen ſtrich in unſre rechnung macht! Dein vorſatz war gerecht, die hoffnung zucker-ſuͤſſe; Der heyland aber hat ein ander ziel erdacht. Eleonor erbleicht, die weichen glieder ſtarren, Die augen ſincken hin, ihr blick verliehret ſich, Jhr geiſt darff laͤnger nicht in dieſer welt verharren, Und dieſes ſcheiden iſt vor dich ein hertzens-ſtich. GOtt aber meint es gut, ja beſſer, als wir dencken, Ob ſeine wege gleich verborgne raͤthſel ſind. Wer weiß, ob uns die grufft, die itzt von thraͤnen-traͤncken Und todten-waſſer quillt, nicht troſt und leben rinnt. GOtt meint es warlich gut, auch wann er boͤſe ſcheinet, Auch wenn er unſer haupt mit aſch und moder deckt. Ein David wird erquickt, indem er aͤchtzt und weinet: Man ſiehet, daß ein dorn offt voller roſen ſteckt. Hoch-wertheſter patron! dir ſind die weiſen buͤcher Des troſtes ja ſo wohl, als der Aſtree, bekannt, Drum laß den duͤſtren flor, die naſſen wehmuth-tuͤcher Nur einen augenblick aus augen, ſinn und hand! Jch weiß, es wird ein blat das lange trauren lindern: Jch weiß, es klaͤret ſich der himmel etwas aus, Der itzt ſo duͤſter laͤßt. Ja um dein leid zu mindern, So wirff nur einen blick auf dein geliebtes haus. Kommt Leonore dir nicht weiter zu geſichte? Jſt deine tochter todt? ſo lebt doch Friderich, Dein liebſtes ſoͤhngen, noch, die hoffnung vieler fruͤchte; Vor den und deinen ſchatz troͤſt’ und erhalte dich! Aus dieſem reiſe ſoll noch einſt ein baum entſtehen, Es wird noch dieſer ſohn ein andrer vater ſeyn. Drum kan der hoffnungs-ſtern nicht gaͤntzlich untergehen: So bricht durch truͤbe nacht gleichwohl ein ſonnen-ſchein. Fuͤhrt aber doch der ſchmertz dich ſtets auf Leonoren? Wird noch nicht troſt genung bey ihrer bahr erkieſt? So denck an ihren geiſt, als welcher neu-gebohren, Und in der ewigkeit ein holder engel iſt. Ver- N 4

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/223>, abgerufen am 29.03.2024.