Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

stattgefunden haben. Unter den Versteinerungen, welche uns in den
verschiedenartigsten fossilen Organismen die Reste untergegangener
Schöpfungen offenbaren, finden sich jedoch niemals fossile Menschenknochen.
Man hat dieß früher zum Theil daher erklären wollen, daß menschliche
Gebeine einer schnellern Verderbniß ausgesetzt wären, dieß hat sich
jedoch bei näherer Untersuchung keineswegs bewährt. In Egypten
bemerkt man keinen Unterschied undter menschlichen Mumien und
denen von Vierfüssern, wovon wir uns auch durch die interressan-
te Sammlung des Herrn Passal'aqua überzeugen können. Cuvier hat bei
Nachgrabungen, welche vor einigen Jahren in der alten Kirche St.
Genievre
stattfanden, Knochen von Menschen gesammelt, welche un-
ter Chlodwig begraben worden sind, und hat ihre Formen noch gut
erhalten gefunden.

Alles, was man unter den fossilen organischen Resten für Menschen-
skelette
gehalten hat, rührt entweder von einem andern Thiere her,
oder gehört einer neuern Zeit an. Scheuchzers homo diluvii testis
ist von Cuvier für einen Salamander erklärt worden, zur Gattung
Proteus gehörend, so wie die neuerlich bei Marseille aufgefundenen
angeblichen Menschenknochen für Abdrücke von Meerröhren. Bei
Köstritz sollten sich Menschenknochen in alten Gebirgsarten vorge-
funden haben; nach der sehr genauen Untersuchung des um die Petre-
factenkunde so verdienten Herrn v. Schlottheim in Gotha ist diese
Behauptung aber mehr als zweifelhaft. Alle wahrhaften Menschen-
knochen sind entweder durch Erdfälle verschüttete, oder in alten
Burggebäuden zurückgebliebene oder in einer Incrustation ein-
gehüllte Cadaver. Dieß gilt auch von den auf Guadeloupe ent-
deckten versteinerten Menschengerippen, von denen eins von dem

stattgefunden haben. Unter den Versteinerungen, welche uns in den
verschiedenartigsten fossilen Organismen die Reste untergegangener
Schöpfungen offenbaren, finden sich jedoch niemals fossile Menschenknochen.
Man hat dieß früher zum Theil daher erklären wollen, daß menschliche
Gebeine einer schnellern Verderbniß ausgesetzt wären, dieß hat sich
jedoch bei näherer Untersuchung keineswegs bewährt. In Egypten
bemerkt man keinen Unterschied undter menschlichen Mumien und
denen von Vierfüssern, wovon wir uns auch durch die interressan-
te Sam̃lung des Herrn Passal’aqua überzeugen können. Cuvier hat bei
Nachgrabungen, welche vor einigen Jahren in der alten Kirche St.
Genièvre
stattfanden, Knochen von Menschen gesammelt, welche un-
ter Chlodwig begraben worden sind, und hat ihre Formen noch gut
erhalten gefunden.

Alles, was man unter den fossilen organischen Resten für Menschen-
skelette
gehalten hat, rührt entweder von einem andern Thiere her,
oder gehört einer neuern Zeit an. Scheuchzers homo diluvii testis
ist von Cuvier für einen Salamander erklärt worden, zur Gattung
Proteus gehörend, so wie die neuerlich bei Marseille aufgefundenen
angeblichen Menschenknochen für Abdrücke von Meerröhren. Bei
Köstritz sollten sich Menschenknochen in alten Gebirgsarten vorge-
funden haben; nach der sehr genauen Untersuchung des um die Petre-
factenkunde so verdienten Herrn v. Schlottheim in Gotha ist diese
Behauptung aber mehr als zweifelhaft. Alle wahrhaften Menschen-
knochen sind entweder durch Erdfälle verschüttete, oder in alten
Burggebäuden zurückgebliebene oder in einer Incrustation ein-
gehüllte Cadaver. Dieß gilt auch von den auf Guadeloupe ent-
deckten versteinerten Menschengerippen, von denen eins von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="3">
        <p><pb facs="#f0028" n="24"/><choice><orig>Statt gefunden</orig><reg resp="#TK">stattgefunden</reg></choice> haben. Unter den <hi rendition="#u">Versteinerungen</hi>, welche uns in den<lb/>
verschiedenartigsten fossilen Organismen die Reste untergegangener<lb/>
Schöpfungen offenbaren, finden sich jedoch niemals fossile Menschenknochen.<lb/>
Man hat dieß früher zum Theil daher erklären wollen, daß menschliche<lb/>
Gebeine einer schnellern Verderbniß ausgesetzt wären, dieß hat sich<lb/>
jedoch bei näherer Untersuchung keineswegs bewährt. In Egypten<lb/>
bemerkt man keinen Unterschied un<subst><del rendition="#ow">d</del><add place="across">t</add></subst>er menschlichen Mumien und<lb/>
denen von Vierfüssern, wovon wir uns auch durch die interressan-<lb/>
te Sam&#x0303;lung des <hi rendition="#aq"><choice><abbr><hi rendition="#aq">H&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11768693X http://d-nb.info/gnd/11768693X">Passal&#x2019;aqua</persName></hi> überzeugen können. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118677578 http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName></hi> hat bei<lb/>
Nachgrabungen, welche vor einigen Jahren in der alten Kirche <hi rendition="#aq">St.<lb/>
Genièvre</hi> <choice><orig>Statt fanden</orig><reg resp="#TK">stattfanden</reg></choice>, Knochen von Menschen gesammelt, welche un-<lb/>
ter <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118675958 http://d-nb.info/gnd/118675958">Chlodwig</persName></hi> begraben worden sind, und hat ihre Formen noch gut<lb/>
erhalten gefunden.</p><lb/>
        <p>Alles, was man unter den fossilen organischen Resten für <hi rendition="#u">Menschen<choice><sic/><corr resp="#TK">-</corr></choice><lb/>
skelette</hi> gehalten hat, rührt entweder von einem andern Thiere her,<lb/>
oder gehört einer neuern Zeit an. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118607308 http://d-nb.info/gnd/118607308">Scheuchzer</persName>s homo diluvii testis</hi><lb/>
ist von <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118677578 http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName></hi> für einen Salamander erklärt worden, zur Gattung<lb/><hi rendition="#aq">Proteus</hi> gehörend, so wie die neuerlich bei <hi rendition="#aq">Marseille</hi> aufgefundenen<lb/>
angeblichen Menschenknochen für Abdrücke von Meerröhren. Bei<lb/><hi rendition="#aq">Köstritz</hi> sollten sich Menschenknochen in alten Gebirgsarten vorge-<lb/>
funden haben; nach der sehr genauen Untersuchung des um die Petre-<lb/>
factenkunde so verdienten <hi rendition="#aq"><choice><abbr><hi rendition="#aq">H&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117330485 http://d-nb.info/gnd/117330485">v. Schlottheim</persName></hi> in Gotha ist diese<lb/>
Behauptung aber mehr als zweifelhaft.<note resp="#BF" type="editorial">Vgl. <bibl>Schlotheim, Ernst Friedrich von: Nachträge zur Beschreibung der fossilen Knochen und ihrer Lagerstätte in der Gegend von Köstritz. In: Nachträge zur Petrefactenkunde. 1. Band. Gotha 1822, S. 1&#x2013;16.</bibl> Online verfügbar: <ref target="http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10284551_00013.html">MDZ München, abgerufen am 15.01.2016</ref>.</note> Alle wahrhaften Menschen-<lb/>
knochen sind entweder durch Erdfälle verschüttete, oder in alten<lb/>
Burggebäuden zurückgebliebene oder in einer Incrustation ein-<lb/>
gehüllte Cadaver. Dieß gilt auch von den auf <hi rendition="#aq">Guadeloupe</hi> ent-<lb/>
deckten versteinerten Menschengerippen, von denen eins von dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0028] Statt gefunden haben. Unter den Versteinerungen, welche uns in den verschiedenartigsten fossilen Organismen die Reste untergegangener Schöpfungen offenbaren, finden sich jedoch niemals fossile Menschenknochen. Man hat dieß früher zum Theil daher erklären wollen, daß menschliche Gebeine einer schnellern Verderbniß ausgesetzt wären, dieß hat sich jedoch bei näherer Untersuchung keineswegs bewährt. In Egypten bemerkt man keinen Unterschied undter menschlichen Mumien und denen von Vierfüssern, wovon wir uns auch durch die interressan- te Sam̃lung des H Passal’aqua überzeugen können. Cuvier hat bei Nachgrabungen, welche vor einigen Jahren in der alten Kirche St. Genièvre Statt fanden, Knochen von Menschen gesammelt, welche un- ter Chlodwig begraben worden sind, und hat ihre Formen noch gut erhalten gefunden. Alles, was man unter den fossilen organischen Resten für Menschen- skelette gehalten hat, rührt entweder von einem andern Thiere her, oder gehört einer neuern Zeit an. Scheuchzers homo diluvii testis ist von Cuvier für einen Salamander erklärt worden, zur Gattung Proteus gehörend, so wie die neuerlich bei Marseille aufgefundenen angeblichen Menschenknochen für Abdrücke von Meerröhren. Bei Köstritz sollten sich Menschenknochen in alten Gebirgsarten vorge- funden haben; nach der sehr genauen Untersuchung des um die Petre- factenkunde so verdienten H v. Schlottheim in Gotha ist diese Behauptung aber mehr als zweifelhaft. Alle wahrhaften Menschen- knochen sind entweder durch Erdfälle verschüttete, oder in alten Burggebäuden zurückgebliebene oder in einer Incrustation ein- gehüllte Cadaver. Dieß gilt auch von den auf Guadeloupe ent- deckten versteinerten Menschengerippen, von denen eins von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/28
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/28>, abgerufen am 28.03.2024.