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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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von Madeira bis zum Wendekreis nimmt dabei die Breite rasch
ab, während man an Länge fast nichts zulegt; hat man aber
die Zone des beständigen Passatwindes erreicht, so fährt man
von Ost nach West auf einer ruhigen, friedlichen See, die
bei den spanischen Seefahrern el Golfo de las Damas heißt.
Wie alle, welche diese Striche befahren, machten auch wir die
Beobachtung, daß, je weiter man gegen Westen rückt, der
Passat, der anfangs Ost-Nord-Ost war, immer mehr Ost-
wind wird.

Hadley 1 hat in einer berühmten Abhandlung die Theorie
des Passats entwickelt, wie sie gemeiniglich angenommen ist,
aber die Erscheinung ist eine weit verwickeltere, als die meisten
Physiker glauben. Im Atlantischen Ozean ist die Länge wie
die Abweichung der Sonne von Einfluß auf die Richtung und
die Grenzen der Passatwinde. Dem neuen Kontinent zu gehen
sie in beiden Halbkugeln 8 bis 9° über den Wendekreis hinauf,
während in der Nähe von Afrika die veränderlichen Winde
weit über den 28. oder 27. Grad hinunter herrschen. Es ist
im Interesse der Meteorologie und der Schiffahrt zu bedauern,
daß die Veränderungen, denen die Luftströmungen unter den
Tropen im Stillen Ozean unterliegen, weit weniger bekannt
sind als das Verhalten derselben Ströme in einem engeren
Meeresbecken, wo die nicht weit auseinander liegenden Küsten
von Guinea und Brasilien ihre Einflüsse geltend machen. Die
Schiffer wissen seit Jahrhunderten, daß im Atlantischen Ozean
der Aequator nicht mit der Linie zusammenfällt, welche die
Passatwinde aus Nordost und die aus Südost scheidet. Diese
Linie liegt, nach Hadleys richtiger Beobachtung, unter dem
3. bis 4. Grad nördlicher Breite, und wenn ihre Lage daher
rührt, daß die Sonne in der nördlichen Halbkugel länger ver-
weilt, so weist sie darauf hin, daß die Temperaturen der

1 Daß fortwährend ein oberer Luftstrom vom Aequator zu den
Polen und ein unterer von den Polen zum Aequator geht, dies
ist, wie Arago dargethan hat, schon von Hooke erkannt worden.
Seine Ideen hierüber entwickelte der berühmte englische Physiker
in einer Rede vom Jahre 1686. "Ich glaube," fügt er hinzu,
"daß sich mehrere Erscheinungen in der Luft und auf dem Meere,
namentlich die Winde, aus Polarströmen erklären lassen." Hadley
führt diese interessante Stelle nicht an; andererseits nimmt Hooke,
wo er auf die Passatwinde selbst zu sprechen kommt, Galileis un-
richtige Theorie an, nach der sich die Erde und die Luft mit ver-
schiedener Geschwindigkeit bewegen sollen.

von Madeira bis zum Wendekreis nimmt dabei die Breite raſch
ab, während man an Länge faſt nichts zulegt; hat man aber
die Zone des beſtändigen Paſſatwindes erreicht, ſo fährt man
von Oſt nach Weſt auf einer ruhigen, friedlichen See, die
bei den ſpaniſchen Seefahrern el Golfo de las Damas heißt.
Wie alle, welche dieſe Striche befahren, machten auch wir die
Beobachtung, daß, je weiter man gegen Weſten rückt, der
Paſſat, der anfangs Oſt-Nord-Oſt war, immer mehr Oſt-
wind wird.

Hadley 1 hat in einer berühmten Abhandlung die Theorie
des Paſſats entwickelt, wie ſie gemeiniglich angenommen iſt,
aber die Erſcheinung iſt eine weit verwickeltere, als die meiſten
Phyſiker glauben. Im Atlantiſchen Ozean iſt die Länge wie
die Abweichung der Sonne von Einfluß auf die Richtung und
die Grenzen der Paſſatwinde. Dem neuen Kontinent zu gehen
ſie in beiden Halbkugeln 8 bis 9° über den Wendekreis hinauf,
während in der Nähe von Afrika die veränderlichen Winde
weit über den 28. oder 27. Grad hinunter herrſchen. Es iſt
im Intereſſe der Meteorologie und der Schiffahrt zu bedauern,
daß die Veränderungen, denen die Luftſtrömungen unter den
Tropen im Stillen Ozean unterliegen, weit weniger bekannt
ſind als das Verhalten derſelben Ströme in einem engeren
Meeresbecken, wo die nicht weit auseinander liegenden Küſten
von Guinea und Braſilien ihre Einflüſſe geltend machen. Die
Schiffer wiſſen ſeit Jahrhunderten, daß im Atlantiſchen Ozean
der Aequator nicht mit der Linie zuſammenfällt, welche die
Paſſatwinde aus Nordoſt und die aus Südoſt ſcheidet. Dieſe
Linie liegt, nach Hadleys richtiger Beobachtung, unter dem
3. bis 4. Grad nördlicher Breite, und wenn ihre Lage daher
rührt, daß die Sonne in der nördlichen Halbkugel länger ver-
weilt, ſo weiſt ſie darauf hin, daß die Temperaturen der

1 Daß fortwährend ein oberer Luftſtrom vom Aequator zu den
Polen und ein unterer von den Polen zum Aequator geht, dies
iſt, wie Arago dargethan hat, ſchon von Hooke erkannt worden.
Seine Ideen hierüber entwickelte der berühmte engliſche Phyſiker
in einer Rede vom Jahre 1686. „Ich glaube,“ fügt er hinzu,
„daß ſich mehrere Erſcheinungen in der Luft und auf dem Meere,
namentlich die Winde, aus Polarſtrömen erklären laſſen.“ Hadley
führt dieſe intereſſante Stelle nicht an; andererſeits nimmt Hooke,
wo er auf die Paſſatwinde ſelbſt zu ſprechen kommt, Galileis un-
richtige Theorie an, nach der ſich die Erde und die Luft mit ver-
ſchiedener Geſchwindigkeit bewegen ſollen.
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[127/0143] von Madeira bis zum Wendekreis nimmt dabei die Breite raſch ab, während man an Länge faſt nichts zulegt; hat man aber die Zone des beſtändigen Paſſatwindes erreicht, ſo fährt man von Oſt nach Weſt auf einer ruhigen, friedlichen See, die bei den ſpaniſchen Seefahrern el Golfo de las Damas heißt. Wie alle, welche dieſe Striche befahren, machten auch wir die Beobachtung, daß, je weiter man gegen Weſten rückt, der Paſſat, der anfangs Oſt-Nord-Oſt war, immer mehr Oſt- wind wird. Hadley 1 hat in einer berühmten Abhandlung die Theorie des Paſſats entwickelt, wie ſie gemeiniglich angenommen iſt, aber die Erſcheinung iſt eine weit verwickeltere, als die meiſten Phyſiker glauben. Im Atlantiſchen Ozean iſt die Länge wie die Abweichung der Sonne von Einfluß auf die Richtung und die Grenzen der Paſſatwinde. Dem neuen Kontinent zu gehen ſie in beiden Halbkugeln 8 bis 9° über den Wendekreis hinauf, während in der Nähe von Afrika die veränderlichen Winde weit über den 28. oder 27. Grad hinunter herrſchen. Es iſt im Intereſſe der Meteorologie und der Schiffahrt zu bedauern, daß die Veränderungen, denen die Luftſtrömungen unter den Tropen im Stillen Ozean unterliegen, weit weniger bekannt ſind als das Verhalten derſelben Ströme in einem engeren Meeresbecken, wo die nicht weit auseinander liegenden Küſten von Guinea und Braſilien ihre Einflüſſe geltend machen. Die Schiffer wiſſen ſeit Jahrhunderten, daß im Atlantiſchen Ozean der Aequator nicht mit der Linie zuſammenfällt, welche die Paſſatwinde aus Nordoſt und die aus Südoſt ſcheidet. Dieſe Linie liegt, nach Hadleys richtiger Beobachtung, unter dem 3. bis 4. Grad nördlicher Breite, und wenn ihre Lage daher rührt, daß die Sonne in der nördlichen Halbkugel länger ver- weilt, ſo weiſt ſie darauf hin, daß die Temperaturen der 1 Daß fortwährend ein oberer Luftſtrom vom Aequator zu den Polen und ein unterer von den Polen zum Aequator geht, dies iſt, wie Arago dargethan hat, ſchon von Hooke erkannt worden. Seine Ideen hierüber entwickelte der berühmte engliſche Phyſiker in einer Rede vom Jahre 1686. „Ich glaube,“ fügt er hinzu, „daß ſich mehrere Erſcheinungen in der Luft und auf dem Meere, namentlich die Winde, aus Polarſtrömen erklären laſſen.“ Hadley führt dieſe intereſſante Stelle nicht an; andererſeits nimmt Hooke, wo er auf die Paſſatwinde ſelbſt zu ſprechen kommt, Galileis un- richtige Theorie an, nach der ſich die Erde und die Luft mit ver- ſchiedener Geſchwindigkeit bewegen ſollen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/143>, abgerufen am 16.04.2024.