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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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beiden Halbkugeln 1 sich verhalten wie 11 zu 9. In der Folge,
wenn von der Luft über der Südsee die Rede ist, werden
wir sehen, daß westwärts von Amerika der Südostpassat nicht
so weit über den Aequator hinausreicht als im Atlantischen
Ozean. Der Unterschied in der Luftströmung dem Aequator
zu vom einen und vom anderen Pol her kann ja nicht unter
allen Längengraden derselbe sein, das heißt auf Punkten der
Erdkugel, wo die Festländer sehr verschieden breit sind und
sich mehr oder minder weit gegen die Pole erstrecken.

Es ist bekannt, daß auf der Ueberfahrt von Santa Cruz
nach Cumana, wie von Acapulco nach den Philippinen, die
Matrosen fast keine Hand an die Segel zu legen brauchen.
Man fährt in diesen Strichen, als ginge es auf einem Flusse
hinunter, und es ist zu glauben, daß es kein gewagtes Unter-
nehmen wäre, die Fahrt mit einer Schaluppe ohne Verdeck zu
machen. Weiter westwärts aber, an der Küste von St. Marta
und im Meerbusen von Mexiko weht der Wind sehr stark und
macht die See sehr unruhig. 2

Je weiter wir uns von der afrikanischen Küste entfernten,
desto schwächer wurde der Wind; oft blieb er einige Stunden
ganz aus, und diese Windstillen wurden regelmäßig durch
elektrische Erscheinungen unterbrochen. Schwarze, dichte, scharf
umrissene Wolken zogen sich im Ost zusammen; man konnte
meinen, es sei eine Bö im Anzug und man werde die Mars-
segel einreffen müssen, aber nicht lange, so erhob sich der Wind
wieder, es fielen einige schwere Regentropfen und das Ge-
witter verzog sich, ohne daß man hatte donnern hören. Es
war interessant, währenddessen die Wirkung schwarzer Wolken
zu beboachten, die einzeln und sehr tief durch den Zenith
liefen. Man spürte, wie der Wind allmählich stärker oder
schwächer wurde, je nachdem die kleinen Haufen von Dunst-
bläschen sich näherten oder entfernten, ohne daß die Elektro-
meter mit langer Metallstange und brennendem Docht in den
unteren Luftschichten eine Aenderung in der elektrischen Span-

1 Nimmt man mit Aepinus an, daß die südliche Halbkugel nur
um 1/14 kälter ist als die nördliche, so ergibt die Rechnung für die
nördliche Grenze des Ost-Süd-Ost-Passats 1° 28'.
2 Die spanischen Seeleute nennen die sehr starken Passatwinde
in Cartagena los brisotes de la Santa Marta und im Meer-
busen von Mexiko las brizas pardas. Bei letzteren Winden ist
der Himmel grau und umwölkt.

beiden Halbkugeln 1 ſich verhalten wie 11 zu 9. In der Folge,
wenn von der Luft über der Südſee die Rede iſt, werden
wir ſehen, daß weſtwärts von Amerika der Südoſtpaſſat nicht
ſo weit über den Aequator hinausreicht als im Atlantiſchen
Ozean. Der Unterſchied in der Luftſtrömung dem Aequator
zu vom einen und vom anderen Pol her kann ja nicht unter
allen Längengraden derſelbe ſein, das heißt auf Punkten der
Erdkugel, wo die Feſtländer ſehr verſchieden breit ſind und
ſich mehr oder minder weit gegen die Pole erſtrecken.

Es iſt bekannt, daß auf der Ueberfahrt von Santa Cruz
nach Cumana, wie von Acapulco nach den Philippinen, die
Matroſen faſt keine Hand an die Segel zu legen brauchen.
Man fährt in dieſen Strichen, als ginge es auf einem Fluſſe
hinunter, und es iſt zu glauben, daß es kein gewagtes Unter-
nehmen wäre, die Fahrt mit einer Schaluppe ohne Verdeck zu
machen. Weiter weſtwärts aber, an der Küſte von St. Marta
und im Meerbuſen von Mexiko weht der Wind ſehr ſtark und
macht die See ſehr unruhig. 2

Je weiter wir uns von der afrikaniſchen Küſte entfernten,
deſto ſchwächer wurde der Wind; oft blieb er einige Stunden
ganz aus, und dieſe Windſtillen wurden regelmäßig durch
elektriſche Erſcheinungen unterbrochen. Schwarze, dichte, ſcharf
umriſſene Wolken zogen ſich im Oſt zuſammen; man konnte
meinen, es ſei eine Bö im Anzug und man werde die Mars-
ſegel einreffen müſſen, aber nicht lange, ſo erhob ſich der Wind
wieder, es fielen einige ſchwere Regentropfen und das Ge-
witter verzog ſich, ohne daß man hatte donnern hören. Es
war intereſſant, währenddeſſen die Wirkung ſchwarzer Wolken
zu beboachten, die einzeln und ſehr tief durch den Zenith
liefen. Man ſpürte, wie der Wind allmählich ſtärker oder
ſchwächer wurde, je nachdem die kleinen Haufen von Dunſt-
bläschen ſich näherten oder entfernten, ohne daß die Elektro-
meter mit langer Metallſtange und brennendem Docht in den
unteren Luftſchichten eine Aenderung in der elektriſchen Span-

1 Nimmt man mit Aepinus an, daß die ſüdliche Halbkugel nur
um 1/14 kälter iſt als die nördliche, ſo ergibt die Rechnung für die
nördliche Grenze des Oſt-Süd-Oſt-Paſſats 1° 28′.
2 Die ſpaniſchen Seeleute nennen die ſehr ſtarken Paſſatwinde
in Cartagena los brisotes de la Santa Marta und im Meer-
buſen von Mexiko las brizas pardas. Bei letzteren Winden iſt
der Himmel grau und umwölkt.
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[128/0144] beiden Halbkugeln 1 ſich verhalten wie 11 zu 9. In der Folge, wenn von der Luft über der Südſee die Rede iſt, werden wir ſehen, daß weſtwärts von Amerika der Südoſtpaſſat nicht ſo weit über den Aequator hinausreicht als im Atlantiſchen Ozean. Der Unterſchied in der Luftſtrömung dem Aequator zu vom einen und vom anderen Pol her kann ja nicht unter allen Längengraden derſelbe ſein, das heißt auf Punkten der Erdkugel, wo die Feſtländer ſehr verſchieden breit ſind und ſich mehr oder minder weit gegen die Pole erſtrecken. Es iſt bekannt, daß auf der Ueberfahrt von Santa Cruz nach Cumana, wie von Acapulco nach den Philippinen, die Matroſen faſt keine Hand an die Segel zu legen brauchen. Man fährt in dieſen Strichen, als ginge es auf einem Fluſſe hinunter, und es iſt zu glauben, daß es kein gewagtes Unter- nehmen wäre, die Fahrt mit einer Schaluppe ohne Verdeck zu machen. Weiter weſtwärts aber, an der Küſte von St. Marta und im Meerbuſen von Mexiko weht der Wind ſehr ſtark und macht die See ſehr unruhig. 2 Je weiter wir uns von der afrikaniſchen Küſte entfernten, deſto ſchwächer wurde der Wind; oft blieb er einige Stunden ganz aus, und dieſe Windſtillen wurden regelmäßig durch elektriſche Erſcheinungen unterbrochen. Schwarze, dichte, ſcharf umriſſene Wolken zogen ſich im Oſt zuſammen; man konnte meinen, es ſei eine Bö im Anzug und man werde die Mars- ſegel einreffen müſſen, aber nicht lange, ſo erhob ſich der Wind wieder, es fielen einige ſchwere Regentropfen und das Ge- witter verzog ſich, ohne daß man hatte donnern hören. Es war intereſſant, währenddeſſen die Wirkung ſchwarzer Wolken zu beboachten, die einzeln und ſehr tief durch den Zenith liefen. Man ſpürte, wie der Wind allmählich ſtärker oder ſchwächer wurde, je nachdem die kleinen Haufen von Dunſt- bläschen ſich näherten oder entfernten, ohne daß die Elektro- meter mit langer Metallſtange und brennendem Docht in den unteren Luftſchichten eine Aenderung in der elektriſchen Span- 1 Nimmt man mit Aepinus an, daß die ſüdliche Halbkugel nur um 1/14 kälter iſt als die nördliche, ſo ergibt die Rechnung für die nördliche Grenze des Oſt-Süd-Oſt-Paſſats 1° 28′. 2 Die ſpaniſchen Seeleute nennen die ſehr ſtarken Paſſatwinde in Cartagena los brisotes de la Santa Marta und im Meer- buſen von Mexiko las brizas pardas. Bei letzteren Winden iſt der Himmel grau und umwölkt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/144>, abgerufen am 20.04.2024.