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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Fünftes Kapitel.

Die Halbinsel Araya. -- Salzsümpfe. -- Die Trümmer des Schlosses
Santiago.

Die ersten Wochen unseres Aufenthaltes in Cumana ver-
wendeten wir dazu, unsere Instrumente zu berichtigen, in der
Umgegend zu botanisieren und die Spuren des Erdbebens
vom 14. Dezember 1797 zu beobachten. Die Mannigfaltig-
keit der Gegenstände, die uns zumal in Anspruch nahmen,
ließ uns nur schwer den Weg zu geordneten Studien und
Beobachtungen finden. Wenn unsere ganze Umgebung den
lebhaftesten Reiz für uns hatte, so machten dagegen unsere
Instrumente die Neugier der Einwohnerschaft rege. Wir
wurden sehr oft durch Besuche von der Arbeit abgezogen, und
wollte man nicht Leute vor den Kopf stoßen, die so seelen-
vergnügt durch einen Dollond die Sonnenflecken betrachteten,
oder zwei Gase in der Röhre des Eudiometers sich verzehren,
oder auf galvanische Berührung einen Frosch sich bewegen
sahen, so mußte man sich wohl herbeilassen, auf oft ver-
worrene Fragen Auskunft zu geben und stundenlang die-
selben Versuche zu wiederholen.

So ging es uns fünf ganze Jahre, so oft wir uns an
einem Orte aufhielten, wo man in Erfahrung gebracht hatte,
daß wir Mikroskope, Fernröhren oder elektromotorische Apparate
besitzen. Dergleichen Auftritte wurden meist desto angreifender,
je verworrener die Begriffe waren, welche die Besucher von
Astronomie und Physik hatten, welche Wissenschaften in den
spanischen Kolonieen den sonderbaren Titel: "neue Philosophie",
nueva filosofia, führen. Die Halbgelehrten sahen mit einer
gewissen Geringschätzung auf uns herab, wenn sie hörten,
daß sich unter unseren Büchern weder das Spectacle de la
nature
vom Abbe Pluche, noch der Cours de physique von

Fünftes Kapitel.

Die Halbinſel Araya. — Salzſümpfe. — Die Trümmer des Schloſſes
Santiago.

Die erſten Wochen unſeres Aufenthaltes in Cumana ver-
wendeten wir dazu, unſere Inſtrumente zu berichtigen, in der
Umgegend zu botaniſieren und die Spuren des Erdbebens
vom 14. Dezember 1797 zu beobachten. Die Mannigfaltig-
keit der Gegenſtände, die uns zumal in Anſpruch nahmen,
ließ uns nur ſchwer den Weg zu geordneten Studien und
Beobachtungen finden. Wenn unſere ganze Umgebung den
lebhafteſten Reiz für uns hatte, ſo machten dagegen unſere
Inſtrumente die Neugier der Einwohnerſchaft rege. Wir
wurden ſehr oft durch Beſuche von der Arbeit abgezogen, und
wollte man nicht Leute vor den Kopf ſtoßen, die ſo ſeelen-
vergnügt durch einen Dollond die Sonnenflecken betrachteten,
oder zwei Gaſe in der Röhre des Eudiometers ſich verzehren,
oder auf galvaniſche Berührung einen Froſch ſich bewegen
ſahen, ſo mußte man ſich wohl herbeilaſſen, auf oft ver-
worrene Fragen Auskunft zu geben und ſtundenlang die-
ſelben Verſuche zu wiederholen.

So ging es uns fünf ganze Jahre, ſo oft wir uns an
einem Orte aufhielten, wo man in Erfahrung gebracht hatte,
daß wir Mikroſkope, Fernröhren oder elektromotoriſche Apparate
beſitzen. Dergleichen Auftritte wurden meiſt deſto angreifender,
je verworrener die Begriffe waren, welche die Beſucher von
Aſtronomie und Phyſik hatten, welche Wiſſenſchaften in den
ſpaniſchen Kolonieen den ſonderbaren Titel: „neue Philoſophie“,
nueva filosofia, führen. Die Halbgelehrten ſahen mit einer
gewiſſen Geringſchätzung auf uns herab, wenn ſie hörten,
daß ſich unter unſeren Büchern weder das Spectacle de la
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vom Abbê Pluche, noch der Cours de physique von

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[[184]/0200] Fünftes Kapitel. Die Halbinſel Araya. — Salzſümpfe. — Die Trümmer des Schloſſes Santiago. Die erſten Wochen unſeres Aufenthaltes in Cumana ver- wendeten wir dazu, unſere Inſtrumente zu berichtigen, in der Umgegend zu botaniſieren und die Spuren des Erdbebens vom 14. Dezember 1797 zu beobachten. Die Mannigfaltig- keit der Gegenſtände, die uns zumal in Anſpruch nahmen, ließ uns nur ſchwer den Weg zu geordneten Studien und Beobachtungen finden. Wenn unſere ganze Umgebung den lebhafteſten Reiz für uns hatte, ſo machten dagegen unſere Inſtrumente die Neugier der Einwohnerſchaft rege. Wir wurden ſehr oft durch Beſuche von der Arbeit abgezogen, und wollte man nicht Leute vor den Kopf ſtoßen, die ſo ſeelen- vergnügt durch einen Dollond die Sonnenflecken betrachteten, oder zwei Gaſe in der Röhre des Eudiometers ſich verzehren, oder auf galvaniſche Berührung einen Froſch ſich bewegen ſahen, ſo mußte man ſich wohl herbeilaſſen, auf oft ver- worrene Fragen Auskunft zu geben und ſtundenlang die- ſelben Verſuche zu wiederholen. So ging es uns fünf ganze Jahre, ſo oft wir uns an einem Orte aufhielten, wo man in Erfahrung gebracht hatte, daß wir Mikroſkope, Fernröhren oder elektromotoriſche Apparate beſitzen. Dergleichen Auftritte wurden meiſt deſto angreifender, je verworrener die Begriffe waren, welche die Beſucher von Aſtronomie und Phyſik hatten, welche Wiſſenſchaften in den ſpaniſchen Kolonieen den ſonderbaren Titel: „neue Philoſophie“, nueva filosofia, führen. Die Halbgelehrten ſahen mit einer gewiſſen Geringſchätzung auf uns herab, wenn ſie hörten, daß ſich unter unſeren Büchern weder das Spectacle de la nature vom Abbê Pluche, noch der Cours de physique von

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. [184]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/200>, abgerufen am 28.03.2024.