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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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daß das Wasser nicht rasch von benachbarten höheren Bergen
herabkommt.

Aus diesen Betrachtungen folgt, daß, wenn man auch
keine ganz genauen Resultate erhält, sich doch in jeder Zone
Grenzzahlen auffinden lassen. In Caripe, unter den Tropen,
ist in 975 m Meereshöhe die mittlere Temperatur der Erde
nicht unter 16,8°; dies geht aus der Messung der Temperatur
des unterirdischen Wassers hervor. So läßt sich nun aber
auch beweisen, daß diese Temperatur des Bodens nicht höher
sein kann als 19°, weil die Luft in der Höhle im September
18,7° zeigt. Da die mittlere Luftwärme im heißesten Monat
19,5° nicht übersteigt, so würde man sehr wahrscheinlich zu
keiner Zeit des Jahres den Thermometer in der Luft der
Höhle über 19° steigen sehen. Diese Ergebnisse, wie so
manche andere, die wir in dieser Reisebeschreibung mitteilen,
mögen für sich betrachtet von geringem Belang scheinen; ver-
gleicht man sie aber mit den kürzlich von Leopold von Buch
und Wahlenberg unter dem Polarzirkel angestellten Beob-
achtungen, so verbreiten sie Licht über den Haushalt der Natur
im großen und über den beständigen Wärmeaustausch zwischen
Luft und Boden zu Herstellung des Gleichgewichtes. Es ist
kein Zweifel mehr, daß in Lappland die feste Erdrinde eine
um 3 bis 4° höhere, mittlere Temperatur hat als die Luft.
Bringt die Kälte, welche in den Tiefen des tropischen Meeres
infolge der Polarströme fortwährend herrscht, im heißen Erd-
striche eine merkbare Verminderung der Temperatur des Bodens
hervor? Ist diese Temperatur dort niedriger als die der
Luft? Das wollen wir in der Folge untersuchen, wenn wir
in den hohen Regionen der Kordilleren mehr Beobachtungen
zusammengebracht haben werden.



daß das Waſſer nicht raſch von benachbarten höheren Bergen
herabkommt.

Aus dieſen Betrachtungen folgt, daß, wenn man auch
keine ganz genauen Reſultate erhält, ſich doch in jeder Zone
Grenzzahlen auffinden laſſen. In Caripe, unter den Tropen,
iſt in 975 m Meereshöhe die mittlere Temperatur der Erde
nicht unter 16,8°; dies geht aus der Meſſung der Temperatur
des unterirdiſchen Waſſers hervor. So läßt ſich nun aber
auch beweiſen, daß dieſe Temperatur des Bodens nicht höher
ſein kann als 19°, weil die Luft in der Höhle im September
18,7° zeigt. Da die mittlere Luftwärme im heißeſten Monat
19,5° nicht überſteigt, ſo würde man ſehr wahrſcheinlich zu
keiner Zeit des Jahres den Thermometer in der Luft der
Höhle über 19° ſteigen ſehen. Dieſe Ergebniſſe, wie ſo
manche andere, die wir in dieſer Reiſebeſchreibung mitteilen,
mögen für ſich betrachtet von geringem Belang ſcheinen; ver-
gleicht man ſie aber mit den kürzlich von Leopold von Buch
und Wahlenberg unter dem Polarzirkel angeſtellten Beob-
achtungen, ſo verbreiten ſie Licht über den Haushalt der Natur
im großen und über den beſtändigen Wärmeaustauſch zwiſchen
Luft und Boden zu Herſtellung des Gleichgewichtes. Es iſt
kein Zweifel mehr, daß in Lappland die feſte Erdrinde eine
um 3 bis 4° höhere, mittlere Temperatur hat als die Luft.
Bringt die Kälte, welche in den Tiefen des tropiſchen Meeres
infolge der Polarſtröme fortwährend herrſcht, im heißen Erd-
ſtriche eine merkbare Verminderung der Temperatur des Bodens
hervor? Iſt dieſe Temperatur dort niedriger als die der
Luft? Das wollen wir in der Folge unterſuchen, wenn wir
in den hohen Regionen der Kordilleren mehr Beobachtungen
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[274/0290] daß das Waſſer nicht raſch von benachbarten höheren Bergen herabkommt. Aus dieſen Betrachtungen folgt, daß, wenn man auch keine ganz genauen Reſultate erhält, ſich doch in jeder Zone Grenzzahlen auffinden laſſen. In Caripe, unter den Tropen, iſt in 975 m Meereshöhe die mittlere Temperatur der Erde nicht unter 16,8°; dies geht aus der Meſſung der Temperatur des unterirdiſchen Waſſers hervor. So läßt ſich nun aber auch beweiſen, daß dieſe Temperatur des Bodens nicht höher ſein kann als 19°, weil die Luft in der Höhle im September 18,7° zeigt. Da die mittlere Luftwärme im heißeſten Monat 19,5° nicht überſteigt, ſo würde man ſehr wahrſcheinlich zu keiner Zeit des Jahres den Thermometer in der Luft der Höhle über 19° ſteigen ſehen. Dieſe Ergebniſſe, wie ſo manche andere, die wir in dieſer Reiſebeſchreibung mitteilen, mögen für ſich betrachtet von geringem Belang ſcheinen; ver- gleicht man ſie aber mit den kürzlich von Leopold von Buch und Wahlenberg unter dem Polarzirkel angeſtellten Beob- achtungen, ſo verbreiten ſie Licht über den Haushalt der Natur im großen und über den beſtändigen Wärmeaustauſch zwiſchen Luft und Boden zu Herſtellung des Gleichgewichtes. Es iſt kein Zweifel mehr, daß in Lappland die feſte Erdrinde eine um 3 bis 4° höhere, mittlere Temperatur hat als die Luft. Bringt die Kälte, welche in den Tiefen des tropiſchen Meeres infolge der Polarſtröme fortwährend herrſcht, im heißen Erd- ſtriche eine merkbare Verminderung der Temperatur des Bodens hervor? Iſt dieſe Temperatur dort niedriger als die der Luft? Das wollen wir in der Folge unterſuchen, wenn wir in den hohen Regionen der Kordilleren mehr Beobachtungen zuſammengebracht haben werden.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/290>, abgerufen am 28.03.2024.