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Humboldt, Alexander von: Auszug aus einem Briefe Alexanders von Humboldt an den Verfasser. In: Berg, Albert: Physiognomie der tropischen Vegetation Süd-Americas. Düsseldorf, 1854, S. [i]-ii.

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AUSZUG AUS EINEM BRIEFE ALEXANDER'S VON HUMBOLDT
AN DEN VERFASSER.

Wenn aus den edeln Kunstwerken der Malerei unsere Einbildungskraft gern lebendige Bilder einer exotischen
Natur schöpft, so beschränkt sich dieser Genuss nicht einzig auf das Majestätische, welches diese Bilder in den
Formen, dem Reichthume und der wilden Ueppigkeit des Bodens darbieten; er wirkt gleichzeitig auf die
Intelligenz zurück und erinnert uns an einen innigen Zusammenhang zwischen der Vertheilung der Pflanzen
und den Einflüssen des Klimas; welche beide von der Höhe der Hochebenen und der geographischen Breite
abhängig sind. Grade dieser Zusammenhang macht das uns anfänglich nur pittoresk Erscheinende durch die
Wunder und charakteristischen Züge der Vegetation, die er uns darbietet, lehrreich und fruchtbar an Betrach-
tungen für das Gebiet der physischen Geographie.

Bevor ich auf die Anmuth eingehe, welche über die reizenden Blätter verbreitet ist, die Sie aus den
tropischen Gegenden Südamerika's mitgebracht haben, glaubte ich den Gesichtspunkt feststellen zu müssen,
von welchem aus ich die Herausgabe Ihrer mir freundlichst mitgetheilten Zeichnungen als nützlich
und wünschenswerth betrachte. Aufgefasst mit einen schönen Talente, getragen von einem tiefen Naturgefühle
werden diese glücklichen Conceptionen ein um so lebhafteres Interesse erregen, als sie Gegenden betreffen,
welche noch gar nicht von ausgezeichneten Künstlern besucht worden waren. Im Allgemeinen hat man sich
erst seit nur wenigen Jahren mit Vorliebe mit der Darstellung der grossen Naturformen der AEquatorialzone
und ihrer mannigfaltigen Gruppirung in Hinsicht auf den physiognomischen Charakter beschäftigt. Ihr
Werk ist durchaus würdig neben denen Ihrer berühmten Vorgänger zu erscheinen.

Da ich mehrere Jahre mit meinem vortrefflichen Freunde Bonpland am Abhange der grossen Cordillera de
los Andes und in denselben Gegenden, die Sie besucht, gelebt habe, so muss ich Ihnen das Zeugniss der
wunderbaren Naturwahrheit geben, womit Sie nicht nur das Innere der Urwälder der heissen Zone, sondern
auch die einen ganz verschiedenen Charakter darbietende Alpenvegetation der Cordilleren glücklich dargestellt
haben. Nicht damit zufrieden, die Typen der grösseren Gewächse aufzufassen und sie deshalb in den Vordergrund
zu stellen, haben Sie auch die Individualität und seltsame Verschlingung der Wurzeln oberhalb dem Boden, wovon
die Wälder unserer gemässigten Zone kein Beispiel darbieten, anschaulich gemacht. Die Ansichten von dem
Cordillerenpasse auf dem Paramo von Quindiu werden Ihrem Werke ein grosses Interesse verleihen. Die Breite
der von Thälern und Schluchten durchbrochenen Kette ist so bedeutend, dass ich, da ich keine Lust hatte, mich
auf einem kleinen Bambusstuhle auf dem Rücken der Eingebornen tragen zu lassen, vier und zwanzig Tage
gebraucht habe, um zu Fuss von der kleinen Stadt Ibague nach Carthago zu gelangen. Den höchsten Punkt des
Weges, den Punkt der Wasserscheide, fand ich 1798 Toisen (10788 Par. Fuss) über dem Spiegel der Südsee
erhaben. Es ist die Garita del Paramo, wo wir in einer tragbaren Hütte von grossen Marantaceenblättern fast 600
Fuss über dem Gipfel des AEtna unser Lager aufschlugen. In einem viel südlicheren Cordillerenpasse, auf dem
Paramo del Assuay
(2°3/4 südl. Br.) zwischen den Städten Alausi und Cuenca fand ich den höchsten Punkt des
Weges in der Ladera de Cadlud 2428 Toisen (14568 Par. Fuss) hoch, also fast in gleicher Höhe mit dem Gipfel
des Montblanc. Der Paramo de Quindiu bot mir das ausserordentliche Phänomen einer Palmengruppe dar,
welche man unter die Alpenpflanzen rechnen kann. Zu dieser Gruppe gehören die Wachspalme (Ceroxylon
Andicola),
der Palmetto del Azufral (Oreodoxa frigida) und die Canna de la Vibora (Kunthia montana). Während die
Familie der Palmen im Allgemeinen unter den Tropen nur bei einer mittlern Temperatur von 22° und 24° des
hunderttheiligen Thermometers vegetirt und am Abhange der Cordilleren nur bis zu einer Höhe von 2000 bis
2500 Fuss hinaufsteigt, beginnen dagegen die ebengenannten Alpen-Palmen im Quindiu bei einer nördlichen
Breite von 4° 26' bis 4° 34" erst in einer Höhe von 6000 Fuss und steigen bis 9000 Fuss. Diese Region ist in
dieser Breite noch um 5400 Fuss von der untern Schneegrenze entfernt, und in ihr sinkt nach meinen Beobach-
tungen das Thermometer in der Nacht oft bis 4°, 8 und 6° über dem Gefrierpunkte herab. Sie haben das grosse
Verdienst, zuerst die charakteristischen Züge der Wachspalme dargestellt zu haben, jener schlanken und
majestätischen Palme, welche nach den Stämmen, die ich abhauen liess, eine Höhe von 160 bis 180 Fuss
erreicht.

Die Zusammengesellung der Wachspalme mit Coniferen (dem taxusblättrigen Podocarpus) und mit Eichen
(Quercus Granatensis), die unsern nordischen ähnlich sind, bildet einen ebenso merkwürdigen Contrast, als die
Mischung der Palmen mit Tannen (Pinus occidentalis) und dem Mahagonibaum (Swietenia Mahagoni) der


AUSZUG AUS EINEM BRIEFE ALEXANDER'S VON HUMBOLDT
AN DEN VERFASSER.

Wenn aus den edeln Kunstwerken der Malerei unsere Einbildungskraft gern lebendige Bilder einer exotischen
Natur schöpft, so beschränkt sich dieser Genuss nicht einzig auf das Majestätische, welches diese Bilder in den
Formen, dem Reichthume und der wilden Ueppigkeit des Bodens darbieten; er wirkt gleichzeitig auf die
Intelligenz zurück und erinnert uns an einen innigen Zusammenhang zwischen der Vertheilung der Pflanzen
und den Einflüssen des Klimas; welche beide von der Höhe der Hochebenen und der geographischen Breite
abhängig sind. Grade dieser Zusammenhang macht das uns anfänglich nur pittoresk Erscheinende durch die
Wunder und charakteristischen Züge der Vegetation, die er uns darbietet, lehrreich und fruchtbar an Betrach-
tungen für das Gebiet der physischen Geographie.

Bevor ich auf die Anmuth eingehe, welche über die reizenden Blätter verbreitet ist, die Sie aus den
tropischen Gegenden Südamerika's mitgebracht haben, glaubte ich den Gesichtspunkt feststellen zu müssen,
von welchem aus ich die Herausgabe Ihrer mir freundlichst mitgetheilten Zeichnungen als nützlich
und wünschenswerth betrachte. Aufgefasst mit einen schönen Talente, getragen von einem tiefen Naturgefühle
werden diese glücklichen Conceptionen ein um so lebhafteres Interesse erregen, als sie Gegenden betreffen,
welche noch gar nicht von ausgezeichneten Künstlern besucht worden waren. Im Allgemeinen hat man sich
erst seit nur wenigen Jahren mit Vorliebe mit der Darstellung der grossen Naturformen der Æquatorialzone
und ihrer mannigfaltigen Gruppirung in Hinsicht auf den physiognomischen Charakter beschäftigt. Ihr
Werk ist durchaus würdig neben denen Ihrer berühmten Vorgänger zu erscheinen.

Da ich mehrere Jahre mit meinem vortrefflichen Freunde Bonpland am Abhange der grossen Cordillera de
los Andes und in denselben Gegenden, die Sie besucht, gelebt habe, so muss ich Ihnen das Zeugniss der
wunderbaren Naturwahrheit geben, womit Sie nicht nur das Innere der Urwälder der heissen Zone, sondern
auch die einen ganz verschiedenen Charakter darbietende Alpenvegetation der Cordilleren glücklich dargestellt
haben. Nicht damit zufrieden, die Typen der grösseren Gewächse aufzufassen und sie deshalb in den Vordergrund
zu stellen, haben Sie auch die Individualität und seltsame Verschlingung der Wurzeln oberhalb dem Boden, wovon
die Wälder unserer gemässigten Zone kein Beispiel darbieten, anschaulich gemacht. Die Ansichten von dem
Cordillerenpasse auf dem Paramo von Quindiù werden Ihrem Werke ein grosses Interesse verleihen. Die Breite
der von Thälern und Schluchten durchbrochenen Kette ist so bedeutend, dass ich, da ich keine Lust hatte, mich
auf einem kleinen Bambusstuhle auf dem Rücken der Eingebornen tragen zu lassen, vier und zwanzig Tage
gebraucht habe, um zu Fuss von der kleinen Stadt Ibagué nach Carthago zu gelangen. Den höchsten Punkt des
Weges, den Punkt der Wasserscheide, fand ich 1798 Toisen (10788 Par. Fuss) über dem Spiegel der Südsee
erhaben. Es ist die Garita del Paramo, wo wir in einer tragbaren Hütte von grossen Marantaceenblättern fast 600
Fuss über dem Gipfel des Ætna unser Lager aufschlugen. In einem viel südlicheren Cordillerenpasse, auf dem
Paramo del Assuay
(2°¾ südl. Br.) zwischen den Städten Alausi und Cuença fand ich den höchsten Punkt des
Weges in der Ladera de Cadlud 2428 Toisen (14568 Par. Fuss) hoch, also fast in gleicher Höhe mit dem Gipfel
des Montblanc. Der Paramo de Quindiù bot mir das ausserordentliche Phänomen einer Palmengruppe dar,
welche man unter die Alpenpflanzen rechnen kann. Zu dieser Gruppe gehören die Wachspalme (Ceroxylon
Andicola),
der Palmetto del Azufral (Oreodoxa frigida) und die Caña de la Vibora (Kunthia montana). Während die
Familie der Palmen im Allgemeinen unter den Tropen nur bei einer mittlern Temperatur von 22° und 24° des
hunderttheiligen Thermometers vegetirt und am Abhange der Cordilleren nur bis zu einer Höhe von 2000 bis
2500 Fuss hinaufsteigt, beginnen dagegen die ebengenannten Alpen-Palmen im Quindiù bei einer nördlichen
Breite von 4° 26′ bis 4° 34″ erst in einer Höhe von 6000 Fuss und steigen bis 9000 Fuss. Diese Region ist in
dieser Breite noch um 5400 Fuss von der untern Schneegrenze entfernt, und in ihr sinkt nach meinen Beobach-
tungen das Thermometer in der Nacht oft bis 4°, 8 und 6° über dem Gefrierpunkte herab. Sie haben das grosse
Verdienst, zuerst die charakteristischen Züge der Wachspalme dargestellt zu haben, jener schlanken und
majestätischen Palme, welche nach den Stämmen, die ich abhauen liess, eine Höhe von 160 bis 180 Fuss
erreicht.

Die Zusammengesellung der Wachspalme mit Coniferen (dem taxusblättrigen Podocarpus) und mit Eichen
(Quercus Granatensis), die unsern nordischen ähnlich sind, bildet einen ebenso merkwürdigen Contrast, als die
Mischung der Palmen mit Tannen (Pinus occidentalis) und dem Mahagonibaum (Swietenia Mahagoni) der

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[0001] AUSZUG AUS EINEM BRIEFE ALEXANDER'S VON HUMBOLDT AN DEN VERFASSER. Wenn aus den edeln Kunstwerken der Malerei unsere Einbildungskraft gern lebendige Bilder einer exotischen Natur schöpft, so beschränkt sich dieser Genuss nicht einzig auf das Majestätische, welches diese Bilder in den Formen, dem Reichthume und der wilden Ueppigkeit des Bodens darbieten; er wirkt gleichzeitig auf die Intelligenz zurück und erinnert uns an einen innigen Zusammenhang zwischen der Vertheilung der Pflanzen und den Einflüssen des Klimas; welche beide von der Höhe der Hochebenen und der geographischen Breite abhängig sind. Grade dieser Zusammenhang macht das uns anfänglich nur pittoresk Erscheinende durch die Wunder und charakteristischen Züge der Vegetation, die er uns darbietet, lehrreich und fruchtbar an Betrach- tungen für das Gebiet der physischen Geographie. Bevor ich auf die Anmuth eingehe, welche über die reizenden Blätter verbreitet ist, die Sie aus den tropischen Gegenden Südamerika's mitgebracht haben, glaubte ich den Gesichtspunkt feststellen zu müssen, von welchem aus ich die Herausgabe Ihrer mir freundlichst mitgetheilten Zeichnungen als nützlich und wünschenswerth betrachte. Aufgefasst mit einen schönen Talente, getragen von einem tiefen Naturgefühle werden diese glücklichen Conceptionen ein um so lebhafteres Interesse erregen, als sie Gegenden betreffen, welche noch gar nicht von ausgezeichneten Künstlern besucht worden waren. Im Allgemeinen hat man sich erst seit nur wenigen Jahren mit Vorliebe mit der Darstellung der grossen Naturformen der Æquatorialzone und ihrer mannigfaltigen Gruppirung in Hinsicht auf den physiognomischen Charakter beschäftigt. Ihr Werk ist durchaus würdig neben denen Ihrer berühmten Vorgänger zu erscheinen. Da ich mehrere Jahre mit meinem vortrefflichen Freunde Bonpland am Abhange der grossen Cordillera de los Andes und in denselben Gegenden, die Sie besucht, gelebt habe, so muss ich Ihnen das Zeugniss der wunderbaren Naturwahrheit geben, womit Sie nicht nur das Innere der Urwälder der heissen Zone, sondern auch die einen ganz verschiedenen Charakter darbietende Alpenvegetation der Cordilleren glücklich dargestellt haben. Nicht damit zufrieden, die Typen der grösseren Gewächse aufzufassen und sie deshalb in den Vordergrund zu stellen, haben Sie auch die Individualität und seltsame Verschlingung der Wurzeln oberhalb dem Boden, wovon die Wälder unserer gemässigten Zone kein Beispiel darbieten, anschaulich gemacht. Die Ansichten von dem Cordillerenpasse auf dem Paramo von Quindiù werden Ihrem Werke ein grosses Interesse verleihen. Die Breite der von Thälern und Schluchten durchbrochenen Kette ist so bedeutend, dass ich, da ich keine Lust hatte, mich auf einem kleinen Bambusstuhle auf dem Rücken der Eingebornen tragen zu lassen, vier und zwanzig Tage gebraucht habe, um zu Fuss von der kleinen Stadt Ibagué nach Carthago zu gelangen. Den höchsten Punkt des Weges, den Punkt der Wasserscheide, fand ich 1798 Toisen (10788 Par. Fuss) über dem Spiegel der Südsee erhaben. Es ist die Garita del Paramo, wo wir in einer tragbaren Hütte von grossen Marantaceenblättern fast 600 Fuss über dem Gipfel des Ætna unser Lager aufschlugen. In einem viel südlicheren Cordillerenpasse, auf dem Paramo del Assuay (2°¾ südl. Br.) zwischen den Städten Alausi und Cuença fand ich den höchsten Punkt des Weges in der Ladera de Cadlud 2428 Toisen (14568 Par. Fuss) hoch, also fast in gleicher Höhe mit dem Gipfel des Montblanc. Der Paramo de Quindiù bot mir das ausserordentliche Phänomen einer Palmengruppe dar, welche man unter die Alpenpflanzen rechnen kann. Zu dieser Gruppe gehören die Wachspalme (Ceroxylon Andicola), der Palmetto del Azufral (Oreodoxa frigida) und die Caña de la Vibora (Kunthia montana). Während die Familie der Palmen im Allgemeinen unter den Tropen nur bei einer mittlern Temperatur von 22° und 24° des hunderttheiligen Thermometers vegetirt und am Abhange der Cordilleren nur bis zu einer Höhe von 2000 bis 2500 Fuss hinaufsteigt, beginnen dagegen die ebengenannten Alpen-Palmen im Quindiù bei einer nördlichen Breite von 4° 26′ bis 4° 34″ erst in einer Höhe von 6000 Fuss und steigen bis 9000 Fuss. Diese Region ist in dieser Breite noch um 5400 Fuss von der untern Schneegrenze entfernt, und in ihr sinkt nach meinen Beobach- tungen das Thermometer in der Nacht oft bis 4°, 8 und 6° über dem Gefrierpunkte herab. Sie haben das grosse Verdienst, zuerst die charakteristischen Züge der Wachspalme dargestellt zu haben, jener schlanken und majestätischen Palme, welche nach den Stämmen, die ich abhauen liess, eine Höhe von 160 bis 180 Fuss erreicht. Die Zusammengesellung der Wachspalme mit Coniferen (dem taxusblättrigen Podocarpus) und mit Eichen (Quercus Granatensis), die unsern nordischen ähnlich sind, bildet einen ebenso merkwürdigen Contrast, als die Mischung der Palmen mit Tannen (Pinus occidentalis) und dem Mahagonibaum (Swietenia Mahagoni) der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Auszug aus einem Briefe Alexanders von Humboldt an den Verfasser. In: Berg, Albert: Physiognomie der tropischen Vegetation Süd-Americas. Düsseldorf, 1854, S. [i]-ii, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_berg_1854/1>, abgerufen am 28.03.2024.