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Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382.

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derselbe, die Electricität mag unmittelbar, oder mittelst einer me-
tallenen Armatur eingeleitet werden. Das, werden sie sagen,
ist leicht vorherzusagen. Aber -- wenn ich dieselbe oder eine
andere Glasröhre (die aber nicht in Metall gefaßt ist) so stark
durch Reiben elektrisire, daß das Elektrometer um 4 Linien di-
vergirt, so bleiben die Organe in Ruhe, wenn die bloße Glasröhre
den Nerven berührt, sey es unmittelbar, oder so, daß die Elektr.
aus dem Glase durch die Zinkarmatur des Nerven strömt. Was ist
nun der Grund dieses wunderbaren Phänomens? Die schwächere
Elektr. wirkt reitzender, als die stärkere, nicht wenn jene durch
ein Metall, das man an die schon geladene Röhre anlegt, durch-
strömt, sondern wenn sie aus einem Metalle kommt, welches mit
der Glasröhre bereits verbunden war, als in dieser die Elektr. erregt
ward. Bey + E. und -- E. waren die Erscheinungen dieselben.

Aus einer Recension in der Salzb. med. chir. Ztg. sehe ich.
daß das Journal der Erfindungen St. 17. Int. No. 13. mich be-
schuldigt, ich hielte den Stickstoff für die Ursache der Reitzbar-
keit. In andern Schriften lese ich, daß ich den Sauerstoff für
jene Ursache annehme. Da ich mich nie erinnere, weder die ei-
ne noch die andere Behauptung ausgesprochen zu haben, da ich
an gar kein materielles Substrat (Principe) der Reitzbarkeit
glaube, sondern zu beweisen strebe, daß die vitalen Erscheinun-
gen, in so fern sie in der Materie gegründet sind, von der
Mischung aller Elemente der Thier- und Pflanzenfaser herrühren, so
bedarf es wohl keiner Rechtfertigung gegen solche Anklagen. In
Italien hat Hr. Brera eine Abhandlung über meine Versuche
drucken lassen. Bey den Rückenwunden bemerkte er die von mir
aufgezeichneten Erscheinungen. Nur die so auffallende Verände-
rung der lymphatisch-nervosen Feuchtigkeit, welche sich bey mir
selbst zwey Mahl zeigte, erfolgte nicht. Dennoch beweisen die
Versuche des Hn. Ash und Michaelis (letzterer trug eine schmerz-
hafte Geschwulst davon), daß jene Veränderung nicht auf einer
Idiosynkrasie meiner Organe allein beruht. Es ist gar schwer
in der Experimental-Physiologie bey Wiederhohlung von Versu-

chen

derſelbe, die Electricitaͤt mag unmittelbar, oder mittelſt einer me-
tallenen Armatur eingeleitet werden. Das, werden ſie ſagen,
iſt leicht vorherzuſagen. Aber — wenn ich dieſelbe oder eine
andere Glasroͤhre (die aber nicht in Metall gefaßt iſt) ſo ſtark
durch Reiben elektriſire, daß das Elektrometer um 4 Linien di-
vergirt, ſo bleiben die Organe in Ruhe, wenn die bloße Glasroͤhre
den Nerven beruͤhrt, ſey es unmittelbar, oder ſo, daß die Elektr.
aus dem Glaſe durch die Zinkarmatur des Nerven ſtroͤmt. Was iſt
nun der Grund dieſes wunderbaren Phaͤnomens? Die ſchwaͤchere
Elektr. wirkt reitzender, als die ſtaͤrkere, nicht wenn jene durch
ein Metall, das man an die ſchon geladene Roͤhre anlegt, durch-
ſtroͤmt, ſondern wenn ſie aus einem Metalle kommt, welches mit
der Glasroͤhre bereits verbunden war, als in dieſer die Elektr. erregt
ward. Bey + E. und — E. waren die Erſcheinungen dieſelben.

Aus einer Recenſion in der Salzb. med. chir. Ztg. ſehe ich.
daß das Journal der Erfindungen St. 17. Int. No. 13. mich be-
ſchuldigt, ich hielte den Stickſtoff fuͤr die Urſache der Reitzbar-
keit. In andern Schriften leſe ich, daß ich den Sauerſtoff fuͤr
jene Urſache annehme. Da ich mich nie erinnere, weder die ei-
ne noch die andere Behauptung ausgeſprochen zu haben, da ich
an gar kein materielles Subſtrat (Principe) der Reitzbarkeit
glaube, ſondern zu beweiſen ſtrebe, daß die vitalen Erſcheinun-
gen, in ſo fern ſie in der Materie gegruͤndet ſind, von der
Miſchung aller Elemente der Thier- und Pflanzenfaſer herruͤhren, ſo
bedarf es wohl keiner Rechtfertigung gegen ſolche Anklagen. In
Italien hat Hr. Brera eine Abhandlung uͤber meine Verſuche
drucken laſſen. Bey den Ruͤckenwunden bemerkte er die von mir
aufgezeichneten Erſcheinungen. Nur die ſo auffallende Veraͤnde-
rung der lymphatiſch-nervoſen Feuchtigkeit, welche ſich bey mir
ſelbſt zwey Mahl zeigte, erfolgte nicht. Dennoch beweiſen die
Verſuche des Hn. Aſh und Michaelis (letzterer trug eine ſchmerz-
hafte Geſchwulſt davon), daß jene Veraͤnderung nicht auf einer
Idioſynkraſie meiner Organe allein beruht. Es iſt gar ſchwer
in der Experimental-Phyſiologie bey Wiederhohlung von Verſu-

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[381/0007] derſelbe, die Electricitaͤt mag unmittelbar, oder mittelſt einer me- tallenen Armatur eingeleitet werden. Das, werden ſie ſagen, iſt leicht vorherzuſagen. Aber — wenn ich dieſelbe oder eine andere Glasroͤhre (die aber nicht in Metall gefaßt iſt) ſo ſtark durch Reiben elektriſire, daß das Elektrometer um 4 Linien di- vergirt, ſo bleiben die Organe in Ruhe, wenn die bloße Glasroͤhre den Nerven beruͤhrt, ſey es unmittelbar, oder ſo, daß die Elektr. aus dem Glaſe durch die Zinkarmatur des Nerven ſtroͤmt. Was iſt nun der Grund dieſes wunderbaren Phaͤnomens? Die ſchwaͤchere Elektr. wirkt reitzender, als die ſtaͤrkere, nicht wenn jene durch ein Metall, das man an die ſchon geladene Roͤhre anlegt, durch- ſtroͤmt, ſondern wenn ſie aus einem Metalle kommt, welches mit der Glasroͤhre bereits verbunden war, als in dieſer die Elektr. erregt ward. Bey + E. und — E. waren die Erſcheinungen dieſelben. Aus einer Recenſion in der Salzb. med. chir. Ztg. ſehe ich. daß das Journal der Erfindungen St. 17. Int. No. 13. mich be- ſchuldigt, ich hielte den Stickſtoff fuͤr die Urſache der Reitzbar- keit. In andern Schriften leſe ich, daß ich den Sauerſtoff fuͤr jene Urſache annehme. Da ich mich nie erinnere, weder die ei- ne noch die andere Behauptung ausgeſprochen zu haben, da ich an gar kein materielles Subſtrat (Principe) der Reitzbarkeit glaube, ſondern zu beweiſen ſtrebe, daß die vitalen Erſcheinun- gen, in ſo fern ſie in der Materie gegruͤndet ſind, von der Miſchung aller Elemente der Thier- und Pflanzenfaſer herruͤhren, ſo bedarf es wohl keiner Rechtfertigung gegen ſolche Anklagen. In Italien hat Hr. Brera eine Abhandlung uͤber meine Verſuche drucken laſſen. Bey den Ruͤckenwunden bemerkte er die von mir aufgezeichneten Erſcheinungen. Nur die ſo auffallende Veraͤnde- rung der lymphatiſch-nervoſen Feuchtigkeit, welche ſich bey mir ſelbſt zwey Mahl zeigte, erfolgte nicht. Dennoch beweiſen die Verſuche des Hn. Aſh und Michaelis (letzterer trug eine ſchmerz- hafte Geſchwulſt davon), daß jene Veraͤnderung nicht auf einer Idioſynkraſie meiner Organe allein beruht. Es iſt gar ſchwer in der Experimental-Phyſiologie bey Wiederhohlung von Verſu- chen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_galvanische_1797/7>, abgerufen am 23.04.2024.