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Humboldt, Alexander von: Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsfläche und eines Lichterhalters. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunde und Manufacturen. Bd. 2 (1796) S. 99-110, 195-210.

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Wettern, und den Verwahrungsmitteln dagegen wis-
sen? Bey meinem einsamen Gebirgsaufenthalte zu
Steben war dieser Bergbauspiegel meine gewöhnliche
Abendlektüre, und ich gestehe Ihnen gern, daß diese
oder vielmehr der Gedanke an unsere geringen Fort-
schritte mit jener Epoche mich hauptsächlich zu den fol-
genden Arbeiten veranlaßte.

Sie waren, wie ich, und bey meiner jugendlichen
Erfahrung gewiß unendlich öfter als ich, selbst Zeuge, daß
ein unglücklicher Bergmann in bösen Wettern erstickt.
Sie erinnern-sich lebhaft der marternden Gefühle, mit
denen man an dem Schachte, oder vor der Strecke steht,
in der der Erstickte liegt, und in welche man sich ver-
gebens hinein zu wagen sucht. Indem man zu Vor-
kehrungen schreitet und will, treten oft die Wetter
weiter vor, zwingen die Rathschlagenden, von dem
Schachte eiligst auszufahren, ja in manchen Fällen,
die ich selbst gesehen, lagert sich der Schwade wie ein
Gewölk um das Haspelgeviere; so daß man sich auf
4 Fuß weit der Hängebank nicht mit Geleuchte nähern
kann. Nun fängt man an mit Tannenreisern im
Schachte zu buschen, oder Wasser hineinzugießen, um
die bösen Wetter zum Ausziehen zu nöthigen. Unter-
nimmt es ein beherzter Hauer mit einem Schnupftuch
um die Nase und den Mund, welcher in Wasser oder
Harn getränkt ist, einzufahren, um den Erstickten zu
holen, so kommt dieser gewöhnlich nach wenigen Mi-
nuten schon wieder unverrichteter Sache zurück, weil
er selbst zu ersticken besorgte, oder, (was vorzüglich
beym Einhängen am Knebel geschieht) er giebt das

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Wettern, und den Verwahrungsmitteln dagegen wiſ-
ſen? Bey meinem einſamen Gebirgsaufenthalte zu
Steben war dieſer Bergbauſpiegel meine gewoͤhnliche
Abendlektuͤre, und ich geſtehe Ihnen gern, daß dieſe
oder vielmehr der Gedanke an unſere geringen Fort-
ſchritte mit jener Epoche mich hauptſaͤchlich zu den fol-
genden Arbeiten veranlaßte.

Sie waren, wie ich, und bey meiner jugendlichen
Erfahrung gewiß unendlich oͤfter als ich, ſelbſt Zeuge, daß
ein ungluͤcklicher Bergmann in boͤſen Wettern erſtickt.
Sie erinnern-ſich lebhaft der marternden Gefuͤhle, mit
denen man an dem Schachte, oder vor der Strecke ſteht,
in der der Erſtickte liegt, und in welche man ſich ver-
gebens hinein zu wagen ſucht. Indem man zu Vor-
kehrungen ſchreitet und will, treten oft die Wetter
weiter vor, zwingen die Rathſchlagenden, von dem
Schachte eiligſt auszufahren, ja in manchen Faͤllen,
die ich ſelbſt geſehen, lagert ſich der Schwade wie ein
Gewoͤlk um das Haſpelgeviere; ſo daß man ſich auf
4 Fuß weit der Haͤngebank nicht mit Geleuchte naͤhern
kann. Nun faͤngt man an mit Tannenreiſern im
Schachte zu buſchen, oder Waſſer hineinzugießen, um
die boͤſen Wetter zum Ausziehen zu noͤthigen. Unter-
nimmt es ein beherzter Hauer mit einem Schnupftuch
um die Naſe und den Mund, welcher in Waſſer oder
Harn getraͤnkt iſt, einzufahren, um den Erſtickten zu
holen, ſo kommt dieſer gewoͤhnlich nach wenigen Mi-
nuten ſchon wieder unverrichteter Sache zuruͤck, weil
er ſelbſt zu erſticken beſorgte, oder, (was vorzuͤglich
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Uu 3
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[101/0004] Wettern, und den Verwahrungsmitteln dagegen wiſ- ſen? Bey meinem einſamen Gebirgsaufenthalte zu Steben war dieſer Bergbauſpiegel meine gewoͤhnliche Abendlektuͤre, und ich geſtehe Ihnen gern, daß dieſe oder vielmehr der Gedanke an unſere geringen Fort- ſchritte mit jener Epoche mich hauptſaͤchlich zu den fol- genden Arbeiten veranlaßte. Sie waren, wie ich, und bey meiner jugendlichen Erfahrung gewiß unendlich oͤfter als ich, ſelbſt Zeuge, daß ein ungluͤcklicher Bergmann in boͤſen Wettern erſtickt. Sie erinnern-ſich lebhaft der marternden Gefuͤhle, mit denen man an dem Schachte, oder vor der Strecke ſteht, in der der Erſtickte liegt, und in welche man ſich ver- gebens hinein zu wagen ſucht. Indem man zu Vor- kehrungen ſchreitet und will, treten oft die Wetter weiter vor, zwingen die Rathſchlagenden, von dem Schachte eiligſt auszufahren, ja in manchen Faͤllen, die ich ſelbſt geſehen, lagert ſich der Schwade wie ein Gewoͤlk um das Haſpelgeviere; ſo daß man ſich auf 4 Fuß weit der Haͤngebank nicht mit Geleuchte naͤhern kann. Nun faͤngt man an mit Tannenreiſern im Schachte zu buſchen, oder Waſſer hineinzugießen, um die boͤſen Wetter zum Ausziehen zu noͤthigen. Unter- nimmt es ein beherzter Hauer mit einem Schnupftuch um die Naſe und den Mund, welcher in Waſſer oder Harn getraͤnkt iſt, einzufahren, um den Erſtickten zu holen, ſo kommt dieſer gewoͤhnlich nach wenigen Mi- nuten ſchon wieder unverrichteter Sache zuruͤck, weil er ſelbſt zu erſticken beſorgte, oder, (was vorzuͤglich beym Einhaͤngen am Knebel geſchieht) er giebt das Zei- Uu 3

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsfläche und eines Lichterhalters. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunde und Manufacturen. Bd. 2 (1796) S. 99-110, 195-210, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gasarten_1796/4>, abgerufen am 28.03.2024.